Auf einen Blick
Auf den Bildern der Verkaufsdokumentation erscheinen die Räume gross und hell. Die Wände sind strahlend weiss und leer. Keine Familienfotos oder persönliche Gegenstände, die darauf hinweisen würden, dass in diesen Räumen das wahre Leben stattfindet. Geschönte Fotos in Verkaufsdokumentationen sind heute die Regel, nicht die Ausnahme. Sie hinterlassen zwar einen guten Eindruck – haben aber meist wenig mit der Realität zu tun.
«Verkaufsdossiers werden immer häufiger frisiert und aufgebessert», warnt Adrian Wenger (52), Spezialist für Hypotheken beim VZ Vermögenszentrum. «Unsere Finanzberater sehen in ihrer Tätigkeit fast täglich aufgehellte und bearbeitete Bilder.»
Preis wird zu hoch geschätzt
Es ist nicht zuletzt auch ein Phänomen unserer Zeit: Dank Social-Media-Plattformen wie Instagram sind wir uns gewohnt, selbst die einfachsten Alltagsmomente ins beste Licht zu rücken. Was nicht passt, wird wegretuschiert oder passend gemacht.
Das Problem an den aufgeräumten Fotos in Verkaufsdossiers von Immobilien? «Die Bilder lassen das Eigenheim luxuriöser erscheinen, als es tatsächlich ist», sagt Wenger. Das kann zu einer falschen Einschätzung des Immobilienwerts führen. Und letztendlich zu einem überhöhten Kaufpreis.
Die falsche Wohnfläche
Was die Finanzberater ebenfalls regelmässig in den Dossiers sehen: falsche Angaben zur Wohnfläche der Liegenschaft. Beispielsweise, wenn der Wintergarten als Wohnfläche angegeben wird – was er rechtlich gesehen nicht ist. «Alles, was nicht geheizt ist, zählt nicht dazu», sagt Wenger. Auch Keller und Estrich dürfen nicht mitgezählt werden.
Bei Zimmern mit Dachschrägen seien die Quadratmeterangaben ebenfalls oft falsch: Als Wohnraum zählt nur der Teil des Zimmers, wo man aufrecht stehen kann. «Es kommt auch vor, dass die Wände bei der Wohnfläche mit eingerechnet werden», sagt der Experte. Das alles führt zu einer überhöhten Quadratmeterangabe – und das kommt den Käufer teuer zu stehen.
Denn die Flächenangabe hat einen direkten Einfluss auf den Verkaufspreis, der in einem ersten Schritt immer anhand der Quadratmeterpreise der Region eruiert wird. Wenn die Anzahl Quadratmeter also 10 Prozent zu hoch ist, ist auch der Verkaufspreis 10 Prozent über dem wahren Wert. Das ist nicht eben ein kleiner Betrag: Bei einem Eigenheim für 1 Million Franken sind das immerhin 100’000 Franken!
Der Experte schätzt, dass jede zweite Verkaufsdokumentation falsche Angaben bei der Wohnfläche beinhaltet. «Es ist deshalb wichtig, die Angaben kritisch zu hinterfragen.»
Mit dem Massstab zur Besichtigung
Auch der Immobilienmakler Engel & Völkers kennt das Problem. «Um sich als Käufer vor Täuschungen in Exposés zu schützen und sich ein reales Bild von der Immobilie zu machen, empfehlen wir immer eine Besichtigung vor Ort», sagt Maklerin Lan Nguyen (33). In Begleitung des Immobilienberaters könne der Käufer Angaben wie Quadratmeter, Baujahr und energetische Standards prüfen. Der Vorteil eines Immobilienexperten liege darin, dass Kunden auch Grundbuchauszüge und relevante Dokumente wie Baupläne, Energieausweise und Gutachten erhalten können.
Wer ohne Makler unterwegs ist, sollte bei einer Besichtigung einen Massstab mitnehmen und mindestens einen Raum genau ausmessen und mit den Angaben im Dossier vergleichen. So findet auch ein Laie heraus, ob die Angaben in der Verkaufsdokumentation stimmen.
Eigene Fotos schiessen
Zudem sollten Käufer bei der Besichtigung selbst ein paar Fotos schiessen. So kann die Bank feststellen, ob bei den Bildern im Dossier Gebrauchsspuren oder Mängel wegretuschiert wurden. Das hilft dabei, eine realistische Schätzung vorzunehmen.
Für Makler können geschönte Verkaufsdossiers übrigens rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. «Käufer haben das Recht, bei nachweisbaren Fehlangaben vom Kauf zurückzutreten», sagt Nguyen. Privatpersonen, die ihre Dokumentation frisieren, können dafür jedoch nur beschränkt belangt werden. Erst die Angaben im Kaufvertrag sind rechtlich bindend.