Sam Altman (38) ist wieder OpenAI-Chef. Zum zweiten Mal in sechs Tagen. Dazwischen lieferte das KI-Unternehmen hinter ChatGPT mehr Wirren und Wendungen als ein abendfüllender Thriller.
Der Knall
Altman ist in Las Vegas, als er in einen Videocall eingeladen wird. In die US-Wüstenstadt reiste er für das Formel-1-Rennen. Noch bevor er sein Hotelzimmer verlässt, wird er vom gefeierten Tech-CEO zum geschassten Mann.
Zur Mittagszeit teilt ihm der Verwaltungsrat die sofortige Entlassung mit. Eine Erklärung gibt es keine. Sein Zugang wird gesperrt. Wenige Minuten später muss Greg Brockman (35), Altmans engster Vertrauter und OpenAI-Mitgründer, den Verwaltungsrat verlassen. Seine neue Stelle als Angestellter kündigt er anschliessend aus Protest.
Wie das «Wall Street Journal» berichtet, treten Wissenschaftschef Ilya Sutskever (37) und die kurzfristig zur CEO beförderte Technologiechefin Mira Murati (34) zwei Stunden nach Altmans Absetzung vor die Belegschaft. Eine Erklärung liefern auch sie nicht.
Einige Stunden später vermeldet das Unternehmen in einem Blog-Eintrag, dass Altmann «nicht durchgehend ehrlich in der Kommunikation mit dem Verwaltungsrat» gewesen sei. Die Spekulationen beginnen.
Intrigen und Gerüchte
Bald kursieren Aussagen von Quellen, die Verwaltungsratsmitglied Sutskever für den Entscheid verantwortlich machen. Die auf Geld ausgerichtete Strategie Altmans habe zu grossen Spannungen geführt.
Die Bedenken von Sutskever seien Wasser auf die Mühlen des eher profitkritischen Verwaltungsrates gewesen. Eine gewichtige Rolle soll dabei auch Helen Toner einnehmen. Die Australierin kommt aus dem Umfeld der «effektiven Altruisten». Die Bewegung will katastrophale Probleme für die Menschheit verhindern – wie etwa eine superintelligente künstliche Intelligenz.
Toners Verbindungen nähren das Gerücht, dass OpenAI mit dem nächsten Update ihres Sprachmodells bereits die Artificial General Intelligence (AGI), also eine allumfassende KI, erschaffen haben könnte. Oder der Verwaltungsrat zumindest von der Furcht getrieben wurde, dass es bald so weit sei.
Die Reue des Verwaltungsrats
Kaum zwei Tage später kommt die Kehrtwende. Wie das Technikportal «The Verge» vermeldet, verhandelt der Verwaltungsrat mit Altman über eine Rückkehr. Damit nicht genug: Ausgerechnet Sutskever teilt auf X mit, dass er die Ausbootung Altmans zutiefst bereue.
Dennoch scheitern die Verhandlungen. Das Unternehmen stellt mit Tech-Unternehmer Emmett Shear (40) den dritten CEO innert drei Tagen ein.
Der wahre Gewinner
Partner Microsoft, der Anfang Jahr rund 13 Milliarden Dollar in OpenAI investierte und 49 Prozent der Firmenanteile hält, wurde durch die Ankündigung überrascht. Kurz nach der Entlassung teilt der Konzern aber mit, dass er an der Partnerschaft festhalte.
Zeitgleich greift Microsoft-CEO Satya Nadella (56) zum Telefon: Altman soll beim Windows-Konzern eine eigene Abteilung leiten.
Auch andere OpenAI-Angestellte sollen mitkommen. Denn diese zeigen sich Altman treu: Über 730 der rund 770 Mitarbeiter unterschreiben einen Brief, der einen Rücktritt des Verwaltungsrates fordert. Ansonsten würden sie Nadellas Ruf folgen.
Der Microsoft-CEO wird mit dem Schachzug zum Gewinner. Egal, wohin es Altman treibt: Microsoft profitiert.
Die Rückkehr
Zum Microsoft-Deal kommt es nicht. Am Mittwoch wird Altman – etwas überraschend und unter neuem Verwaltungsrat – zum zweiten Mal CEO von OpenAI. Auch Mitgründer Brockmann kehrt zurück.
Altman schreibt zu seiner Rückkehr auf X, «dass er sich freue, wieder bei OpenAI zu arbeiten». Damit scheint die Sache gegessen. Vorerst, jedenfalls.