Gewerkschaft und Swiss haben sich zu früh gefreut: Das Kabinenpersonal der Swiss lehnt den neuen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) ab. Das teilt die Gewerkschaft des Kabinenpersonals Kapers am Montagnachmittag mit. Nur 34 Prozent stimmten für den neuen GAV – die Gewerkschaft hätte eine Zweidrittelmehrheit benötigt.
Gewerkschaftschefin Sandrine Nikolic-Fuss (53) spricht von einer «deutlichen» Ablehnung, will das Wort «Enttäuschung» aber nicht in den Mund nehmen. «Die hohe Stimmbeteiligung von 90 Prozent zeuge von der grossen Bedeutung dieser Abstimmung», sagt sie. Nikolic-Fuss akzeptiert den demokratisch gefällten Entscheid. «Es zeigt, dass der Vertrag nicht gut genug war.»
Auch die Fluggesellschaft Swiss nimmt den Entscheid zur Kenntnis. Sie bedauere die Ablehnung des neuen GAV «ausserordentlich». In den kommenden Wochen werde das Ergebnis analysiert und über das weitere Vorgehen entschieden.
Überraschend kommt das nicht. Blick berichtete bereits vor zwei Wochen, dass die Einigung auf der Kippe steht. Grund für das GAV-Grounding ist ein Generationenkonflikt in der Swiss-Kabine.
Bis zu 18 Prozent mehr Lohn
Die älteren Flugbegleiterinnen und -begleiter haben sich an den Lohnerhöhungen für die Jüngeren gestört, die Nikolic-Fuss im Herbst ausgehandelt hatte. Die Saläre hätten um vier bis 18 Prozent steigen sollen. Konkret: Wer schon lange dabei ist, würde vier Prozent mehr erhalten. Neueinsteiger 18 Prozent mehr. Ihr Lohn wäre von 3400 auf 4000 Franken gestiegen.
Dieser grosse Unterschied sorgte für viel Unverständnis. Langjährige Swiss-Flugbegleiter sagen zu Blick, dass sie sich von der Gewerkschaft Kapers im Stich gelassen fühlten. Einige von ihnen sind bereits zu Swissair-Zeiten geflogen, haben seit 2006 die gleiche Lohntabelle. Sie hätten sich mehr erhofft, vor allem nach der schwierigen Corona-Pandemie.
Die Leiden des Kabinenpersonals
Jetzt bleibt der GAV15 für mindestens ein weiteres Jahr in Kraft. Im März 2023 kann die Gewerkschaft diesen aufkündigen – die Kündigungsfrist beträgt aber zwölf Monate.
Der Frust dürfte bis im Frühling 2024 gross bleiben. Das Kabinenpersonal der Swiss hatte sich in der jüngeren Vergangenheit immer wieder an die Öffentlichkeit gewandt und sich über die tiefen Löhne und die harten Arbeitsbedingungen beklagt.
Eine Swiss-Flugbegleiterin packte im Blick über das Innenleben in der Kabine aus und liess sich frühpensionieren. «Ich hatte keine Freude mehr an meinem Job. Die Arbeitsbedingungen während der Pandemie haben mir die Lust am Fliegen genommen», sagte sie.
Immer wieder kam es auch zu Protestaktionen. Einmal verschickten Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter einen Protestbrief an Blick und berichteten von Burnouts. 300 Kabinenmitglieder wurden im Zuge der Pandemie entlassen – etwas mehr als die Hälfte kam Anfang 2022 zurück.
Ein Happy-End zeichnete sich ab. Swiss-CEO Dieter Vranckx (49) freute sich bereits auf ruhige Jahre – ohne Arbeitskämpfe. Daraus wird nun nichts. Spätestens im Herbst dürften sich die beiden Parteien am Verhandlungstisch wiederfinden.