Gaga oder geniales Marketing?
Schilder-Dschungel in der Migros

Der orange Riese pflastert seine Filialen gelb zu und versucht mit unzähligen «Tiefpreis»-Schildchen, sein Preisimage zu verbessern. Ist das die richtige Strategie, um Marktanteile zurückzugewinnen?
Publiziert: 26.01.2025 um 15:23 Uhr
|
Aktualisiert: 26.01.2025 um 15:41 Uhr
1/6
Die Migros will günstiger werden – und pflastert ihre Filialen deshalb mit gelben «Tiefpreis»-Schildern zu.
Foto: Thomas Schlittler

Auf einen Blick

  • Migros setzt auf gelbe «Tiefpreis»-Schilder für aggressive Preiskommunikation
  • Aktuell haben 500 Artikel ein «Tiefpreis»-Schild, Ziel sind über 1000
  • Experten kritisieren die Strategie als «Marketing mit der Brechzange»
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Blick_Portrait_1606.JPG
Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Was ist diese Woche Aktion? Für welches Produkt gibt es 20-fache Cumulus-Punkte? Für Leute, die aufs Portemonnaie schauen müssen, gehören diese Fragen zum Wocheneinkauf wie die Posti-Liste und das Einkaufswägeli.

Bei der Migros sehen Schnäppchenjäger derzeit aber vor lauter «Tiefpreis»-Versprechen fast die Preise nicht mehr. Zu orangen «Aktion»-Hinweisen und blauen Cumulus-Aktionen kommen immer mehr gelbe Schilder hinzu, die die Kundschaft auf Preissenkungen aufmerksam machen sollen.

Regal in einer Migros-Filiale in der Stadt Zürich.
Foto: Thomas Schlittler

Anfangs waren die «Tiefpreis»-Schilder nur beim Obst und Gemüse zu finden. Nun sind vermehrt auch andere Regale gelb zugepflastert. Einige Gänge erinnern an Schulbücher, in denen jeder zweite Satz mit Leuchtstift markiert wurde. Nicht gerade hilfreich, um Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden.

«Marketing mit der Brechzange»

Ist das geniales Marketing, weil so niemand die «Tiefpreis»-Strategie, die vergangenen Herbst angekündigt wurde, ignorieren kann? Oder ist diese Schilder-Invasion vielmehr gaga, weil die transportierte Botschaft damit an Bedeutung und Glaubwürdigkeit verliert?

Marketing- und Detailhandelsexperten sind sich weitgehend einig, dass die gelbe Schilder-Flut sinnvoll ist, wenn es darum geht, «jeden Hinterletzten» darüber zu informieren, dass die Migros günstiger werden will. Umstritten ist jedoch, wie nachhaltig diese Strategie ist – und ob das angestrebte Image tatsächlich zur Migros und ihrer Kundschaft passt.

Christian Fichter, Leiter des Instituts für Wirtschaftspsychologie der Kalaidos Fachhochschule, spricht von «Marketing mit der Brechzange» und findet insbesondere die Gestaltung der Schilder bemerkenswert: «Schwarz auf Gelb ist das visuelle Äquivalent für einen Schrei – und Konsumenten werden nicht gerne so penetrant angeschrien, zumindest nicht auf Dauer.»

Jörg Staudacher, Berater und Leiter des Centers for Sales & Retail der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ), fragt sich, wie stark die Bindung ist von Kunden, die nur wegen des Preises kommen. Zudem kritisiert er, dass die Migros mit der neuen Strategie das Vertrauen in die Preissetzung erschüttere: «Aus der Airlinebranche kennen wir das bereits. Das stärkt sicher nicht Marke.»

«Nachvollziehbar und konsequent»

Neuromarketing-Experte Philipp Zutt hat ebenfalls Zweifel, ob sich die Migros mit der Aktion langfristig einen Gefallen tut: «Ist das wirklich das, was sich die heutigen und künftigen Migros-Kundinnen und -Kunden von der Migros wünschen?» Für ihn ist unklar, wofür die heutige Migros steht. «Mit der neuen Preisoffensive ist das nicht klarer als vorher.»

Andere Fachleute wie Alexandra Scherrer, CEO des Beratungsunternehmens Carpathia, beurteilen das Vorgehen positiver. Dass die Senkung der Preise auf Discounter-Niveau auch in den Filialen klar kommuniziert werde, sei «nachvollziehbar und konsequent».

Dass die Migros deswegen an Glaubwürdigkeit verliert, glaubt Scherrer nicht: «Vorausgesetzt natürlich, dass die Tiefpreise wirklich auf Discounter-Niveau bleiben und die Migros nachzieht, wenn die Discounter den Preis nochmals senken.»

«Tiefpreis», nicht «Tiefstpreis»

Die Migros selbst hat keine Zweifel an ihrer neuen Strategie. Die Schilder würden den Kundinnen und Kunden helfen, schnell und einfach die Produkte zu identifizieren, die besonders preiswert seien, teilt die Medienstelle mit.

«Unser Ziel ist, durch attraktive Preise, erstklassige Qualität und Service sowie ein vielseitiges Sortiment für jedes Budget zu überzeugen», sagt eine Sprecherin weiter. Man sei überzeugt, dass die «Transparenz und Klarheit», die diese Schilder böten, geschätzt würden.

In den kommenden Wochen und Monaten soll der orange Riese gar noch deutlich gelber werden. Aktuell haben rund 500 Artikel ein «Tiefpreis»-Schild, am Ende sollen es über 1000 sein.

Übrigens: Beim «Tiefpreis»-Schild handelt es sich nicht um eine Tiefstpreis-Garantie. Die Migros spricht lediglich von einem «Versprechen», dass die Kundinnen und Kunden im Vergleich zu Mitbewerbern von «vorteilhaften Preisen» profitierten, die auf demselben Preis-Leistungs-Niveau liegen würden.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.