Auf einen Blick
- Coop übernimmt Coop Pronto vollständig
- Convenience-Shops sind für die grossen Detailhändler attraktiv wegen längerer Öffnungszeiten
- Fehlt eine Tankstelle oder ein Bahnhof, setzen Coop und Migros auf «Familienbetriebe»
Sie sind klein, bringen ihren Inhabern aber viel Geld: die Convenience-Shops Coop Pronto und Migrolino.
Diese Woche wurde bekannt, dass Coop dieses Geschäft weiter ausbauen will. Der Detailhandelsriese kauft jenen Anteil an der Coop Mineraloel AG, der bis anhin im Besitz des US-Partners Phillips 66 war – und übernimmt die Läden und Tankstellen von Coop Pronto damit komplett.
«Mit der vollständigen Übernahme stärkt Coop ihr Kerngeschäft und sichert 324 Standorte mit kundenfreundlichen Öffnungszeiten für den Einkauf unterwegs», schreibt das Unternehmen in einer Mitteilung.
Familie als Ersatz für Tankstelle oder Bahnhof
Es sind diese «kundenfreundlichen Öffnungszeiten», die das Convenience-Geschäft so attraktiv machen. Von 324 Pronto-Shops und 370 Migrolino-Standorten dürfen rund 95 Prozent jeden Tag und oft bis spätabends geöffnet sein. In der Regel, weil sie direkt an einer Tankstelle oder einem Bahnhof angesiedelt sind.
Mehr zu Migros und Coop
Wo diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, haben Migros und Coop eine andere Lösung gefunden, um ihre Läden möglichst oft und lange offen halten zu können: Sie setzen auf Familienbetriebe. Diese sind in der Schweiz explizit vom Arbeitsgesetz ausgenommen und dadurch von sämtlichen Vorschriften bezüglich Arbeitszeit und Ruhetagen befreit.
Aktuelles Beispiel dafür ist der Coop Pronto am Tessinerplatz in der Stadt Zürich. Dieser war jahrelang nur unter der Woche geöffnet. Nun werden Kundinnen und Kunden aber auch an Sonn- und Feiertagen willkommen geheissen. Coop hat eine Familie gefunden, die den Betrieb übernommen hat.
«Lücke im Arbeitsgesetz»
Arbeitnehmervertreter haben wenig Freude an diesem Familientrick. «Wir sehen ein grosses Problem darin, dass es für Familienbetriebe keine arbeitsrechtlichen Vorgaben gibt», sagt Cornelia Bickert, Branchenverantwortliche Detailhandel bei der Gewerkschaft Syna. Unternehmen würden sich diese Lücke im Arbeitsgesetz zunutze machen und so den arbeitsfreien Sonntag endgültig abschaffen. «Dagegen wehren wir uns.»
Problematisch sei zudem, so Bickert weiter, dass niemand wisse, wie viele Familienbetriebe es in der Schweiz gebe. «Für die Behörden ist es deshalb fast unmöglich, zu kontrollieren, ob in solchen Betrieben tatsächlich nur Familienmitglieder arbeiten.»
Die Behörden sehen dagegen keinen Handlungsbedarf. «Das Arbeitsinspektorat geht Hinweisen über Detailhandelsbetriebe, die am Sonntag geöffnet sind, konsequent nach», schreibt das Amt für Arbeit des Kantons Zürich. Zudem werde bei «routinemässigen Arbeitszeitkontrollen» überprüft, dass in Familienbetrieben keine Arbeitnehmende am Sonntag arbeiten, die nicht mit den Inhabern verwandt sind.
«Auf freiwilliger Basis»
Die Detailhändler betonen derweil, dass sie sich mit ihren Familienbetrieben an das Gesetz halten. Ein Coop-Sprecher kontert die Gewerkschaftskritik wie folgt: «Wir bieten unseren Franchisepartnerinnen und -partnern mit unserem erfolgreichen und etablierten Franchisekonzept die Möglichkeit, selbständig ein Unternehmen zu führen. Die Bewerbungen erfolgen auf freiwilliger Basis.»
Das Thema scheint den Grossverteilern jedoch etwas unangenehm. Wie viele Convenience-Shops als «Familienbetrieb» geführt werden, geben sie erst nach mehrfachem Nachhaken bekannt: Bei Coop sind es derzeit neun Pronto-Shops. Die Migrolino AG führt gemäss eigenen Angaben zwei Shops als Familienbetrieb.
Eine Liste mit den entsprechenden Shops wollen sie nicht herausgeben und auch sonst gibt es «keine weiteren Details» über einzelne Standorte.
Gesucht: weitere Familienbetriebe
Auf die Frage, wieso auf Google Maps mehr als zwei Migrolino-Shops zu finden sind, die am Sonntag geöffnet haben und weder am Bahnhof noch bei einer Tankstelle angesiedelt sind, schreibt die Migros: «In den jeweiligen Kantonen fallen die Regeln bezüglich Öffnungszeiten zum Teil sehr unterschiedlich aus und werden von den Ämtern jeweils auf dieser Basis genehmigt.»
Je nach Standort könne man nebst der Lage zum Beispiel auch durch Einhaltung von Flächenbegrenzungen oder Sortimentseinschränkungen einen Shop am Sonntag geöffnet halten.
Fest steht: In Zukunft dürfte die Zahl der «Familienbetriebe» mit orangem Logo tendenziell zunehmen. Coop sucht derzeit nach einer Familie, die den Coop Pronto am Barfüsserplatz in Basel übernimmt. Migros sucht «in der Region Basel-Land» und «im Raum Zürich» nach «selbstständigen Franchisepartnern im Familienbetrieb».
In den Inseraten wird unmissverständlich festgehalten: «Nur für Bewerber*innen, welche Shops im Fam. Betrieb führen können (in DIREKTER Linie mind. 6 Pers.)».
Die Schweizer Detailhandelsriesen lassen ihre Convenience-Shops im Franchisesystem führen. Das bedeutet: Die Minisupermärkte Migrolino und Pronto erscheinen zwar im Gewand von Migros und Coop, werden aber von unabhängigen Geschäftspartnern geführt, die auf eigene Rechnung wirtschaften. Das Verkaufspersonal, das in Migros- oder Coop-Uniformen auftritt, ist deshalb gar nicht bei den Grossverteilern angestellt – und hat meist schlechtere Arbeitsbedingungen als ihre Kolleginnen und Kollegen im Supermarkt. «Echten» Angestellten von Migros und Coop garantieren die jeweiligen Firmen-Gesamtarbeitsverträge (GAV) etwa einen monatlichen Mindestlohn von 4200 Franken. Für das Personal der Migrolino- und Pronto-Shops dagegen gelten als Minimum die Bestimmungen des GAV für Tankstellenshops. Dessen garantierte Mindestlöhne sind deutlich tiefer. In den meisten Kantonen sind für Ungelernte 3830 Franken garantiert, im Tessin gar nur 3630 Franken. Wie viele Pronto- und Migrolino-Mitarbeiter tatsächlich so wenig verdienen, ist nicht bekannt. Coop sagt dazu: «Unsere Empfehlungen der Anstellungsbedingungen für unsere Franchisepartner liegen um einiges über denen des GAV für Tankstellenshops.» Das Problem dabei: Empfehlungen sind nicht bindend.
Die Schweizer Detailhandelsriesen lassen ihre Convenience-Shops im Franchisesystem führen. Das bedeutet: Die Minisupermärkte Migrolino und Pronto erscheinen zwar im Gewand von Migros und Coop, werden aber von unabhängigen Geschäftspartnern geführt, die auf eigene Rechnung wirtschaften. Das Verkaufspersonal, das in Migros- oder Coop-Uniformen auftritt, ist deshalb gar nicht bei den Grossverteilern angestellt – und hat meist schlechtere Arbeitsbedingungen als ihre Kolleginnen und Kollegen im Supermarkt. «Echten» Angestellten von Migros und Coop garantieren die jeweiligen Firmen-Gesamtarbeitsverträge (GAV) etwa einen monatlichen Mindestlohn von 4200 Franken. Für das Personal der Migrolino- und Pronto-Shops dagegen gelten als Minimum die Bestimmungen des GAV für Tankstellenshops. Dessen garantierte Mindestlöhne sind deutlich tiefer. In den meisten Kantonen sind für Ungelernte 3830 Franken garantiert, im Tessin gar nur 3630 Franken. Wie viele Pronto- und Migrolino-Mitarbeiter tatsächlich so wenig verdienen, ist nicht bekannt. Coop sagt dazu: «Unsere Empfehlungen der Anstellungsbedingungen für unsere Franchisepartner liegen um einiges über denen des GAV für Tankstellenshops.» Das Problem dabei: Empfehlungen sind nicht bindend.