Freiburger Familienunternehmen sterilisiert Impfstoff-Fläschli für die ganze Welt
Eine sehr saubere Sache

Das Freiburger KMU Medistri spielt eine zentrale Rolle im Kampf gegen Corona. Die Firma sterilisiert die Ampullen für den Impfstoff. Millionenfach. Ein Ortsbesuch in Domdidier FR.
Publiziert: 18.01.2021 um 07:03 Uhr
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Aktualisiert: 09.05.2021 um 16:11 Uhr
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Aussenansicht des Medistri-Geländes: Hier werden 2021 über 200 Millionen Impfstofffläschli sterilisiert.
Foto: Philippe Rossier
Marc Iseli

Shoko Nilforoushan war 19 Jahre alt, als sie in die Schweiz kam. 30 Jahre später ist sie ein grosser Lichtblick im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Die gebürtige Iranerin sterilisiert die Fläschli, in denen der Impfstoff gelagert wird. 180 Millionen davon sind im letzten Jahr durch ihren Betrieb gelaufen. 220 Millionen sollen es 2021 sein.

Nilforoushan startete als Schülerin eines Lausanner Internats. Heute ist sie Chefin des Freiburger Familienunternehmens Medistri. Die Firma ist ein KMU mit knapp 65 Angestellten. Der Bruder präsidiert das Unternehmen, der Sohn macht PR. Im Lager karren Logistiker Paletten mit medizinischem Equipment aus den Lastwagen und hieven das Material in einen der vier Sterilisationscontainer, wie ein Augenschein zeigt. Im Labor wird schliesslich geprüft, ob die Ware wirklich keimfrei ist.

«Wir arbeiten seit Monaten nonstop», sagt Nilforoushan, als BLICK sie am Firmensitz in Domdidier FR besucht. In weiter Ferne dröhnen die Motoren der Militärjets auf dem Flughafen von Payerne VD. Direkt gegenüber stehen Dutzende Lastwagen im Verteilzentrum von Aldi. Das lokale Eisfeld der Domdidier Ducks ist menschenleer und verfallen. Die Gegend ist trostlos. Und doch liegt hier Hoffnung in der Luft.

Start vom Hotel aus

Nilforoushan hat die Firma 2006 gegründet. Die studierte Industriedesignerin arbeitete vorher in der Administration einer Firma, die sich auf das Sterilisieren von medizinischem Material spezialisiert hat. Sie erkannte das Potenzial des Markts und machte sich selbständig.

Der Anfang war schwer. Nilforoushan und die anderen vier Angestellten starteten in einem Hotel im nahe gelegenen Avenches VD. Sie benötigten fast zwei Jahre, bis das Firmengelände bezugsbereit und das erste Palett sterilisiert werden konnte. Dann ging es Schlag auf Schlag: Nilforoushan investierte alles, was sie einnahm, in den Ausbau des Unternehmens. Sie kaufte neue Anlagen, gewann neue Kunden und rekrutierte das Personal gleich im Dutzend.

Dann kam das Virus. In der ganzen Welt kam es zum Stillstand. Die Grenzen waren zu. Die Schweiz ging in den ersten Lockdown. Operationen wurden verschoben. Der Markt für medizinisches Equipment war im Kriechgang. Nilforoushan fürchtete um die Auftragslage. Sie bereitete sich auf einen Rückgang vor, da meldeten sich die Hersteller der Impfstoff-Fläschli. «Der private Sektor bereitete sich auf einen möglichen Impfstoff vor», sagt Nilforoushan. «Sie verlangten, dass wir das Unternehmen voll funktionsfähig hielten. Aufgrund der Vorhersage, dass Impfstoffampullen stark gebraucht werden würden.»

Gasversorger als Nachbar

So wurde das Corona-Jahr doch noch gerettet. 40 Prozent des Umsatzes macht Nilforoushan mittlerweile mit dem Sterilisieren von Impfstofffläschli in allen Grössen. Sie muss das Material dabei nie anfassen. Die Fläschli werden in Palette verpackt von der nahen Autobahn angeliefert, aus dem LKW genommen, kurz in temperierten Hallen zwischengelagert, dann in die Stahlkammer verfrachtet, wo sie schliesslich zwischen 12 und 16 Stunden begast werden. Die Kammer ist luftdicht, innen herrscht ein Vakuum von bis zu 30 Millibar.

Das Gas stammt vom lokalen Versorger, der direkt nebenan liegt. «Das war einer der Gründe, weswegen wir uns damals für Domdidier entschieden haben», sagt Nilforoushan. Ethylenoxid heisst das Gas, mit dem die Impfstofffläschli sterilisiert werden. Es ist farblos, hat einen leicht süsslichen Geruch und ist hochentzündlich.

Das Gas durchdringt sämtliche Materialien und tötet die Keime, die auf den Oberflächen sind. Das Verfahren kommt seit Jahrzehnten zur Anwendung. Es war früher auch Standard in der Lebensmittelindustrie, wurde aus gesundheitlichen Gründen in diesem Bereich aber verboten.

Fläschli für Moderna und Pfizer

Alternative Sterilisierungsmethoden setzen auf Wärme und Dampf. Ethylenoxid aber hat den Vorteil, dass es bei hitzeempfindlichen Produkten verwendet werden kann. Oder bei Produkten mit elektronischen Komponenten. Deshalb kommt es bei über der Hälfte der Medizinprodukte zur Anwendung. Bei Verbandstoffen, Spritzen, Kathetern, Skalpellen oder Implantaten. Und eben auch bei den Fläschli, in denen letztlich das Vakzin von Moderna oder Pfizer sein wird. Nilforoushan nennt zwar keine Namen der Kunden, sie sagt aber: «Wir sind stolz darauf, Teil der Lieferkette für Impfstoffe zu sein.»

Die Geschäfte laufen gut. Unterm Strich hofft die KMU-Chefin trotzdem auf ein Ende der Corona-Krise. «Wir wollen, dass die Pandemie bald vorbei ist», sagt Nilforoushan. «Wir sind glücklich über die Aufträge und darüber, dass wir unseren Teil zur Lösung des Problems beitragen können. Aber die Situation ist für niemanden gut. Wir wollen unsere Freiheit zurück, so schnell wie möglich.»

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