So nahe wie an der Europaallee beim Hauptbahnhof in Zürich kommen sie sich sonst nie. Auf der einen Seite die Büros der UBS, auf der anderen die der Credit Suisse. Beim Lunch in der Kantine können sich die Angestellten beim Essen zusehen. Nach der Fusionsankündigung haben UBS-Mitarbeiter eine Botschaft ins Fenster gehängt. Es zeigt die Schriftzüge von UBS und Credit Suisse und zwei sich reichende Hände.
Es ist eine Geste, die bei den CS-Beschäftigten gut ankam. Es bleibt aber nur ein Zeichen. Einen Austausch zwischen der linken und der rechten Seite der Strasse gibt es nicht. Sich treffen, miteinander sprechen, bleibt so lange verboten, bis die Übernahme formell abgeschlossen ist. Doch bis das sogenannte Closing kommt, können noch Wochen verstreichen. Wie man hört, wird das nicht vor Ende Juni der Fall sein.
Jeder habe eine Chance, heisst es
Eine lange Zeit, die vor allem für die Angestellten der CS schwierig ist. Sie wissen nicht, ob sie in der «neuen UBS» überhaupt noch einen Platz haben. «Die Vorgesetzten versuchen uns bei Laune zu halten», sagt eine junge CS-Mitarbeiterin, die schon ihre Lehre bei der Grossbank gemacht hat. Sie würden sagen, dass die neue UBS mehr Personal benötige als jetzt. Dass jeder eine Chance habe.
Ob das wirklich so kommt, darüber macht sich niemand Illusionen. Bei der Credit Suisse sprechen die Vorgesetzten von einer Fusion, einem Merger. Bei der UBS von Übernahme, Take-over. «Ich weiss nicht, was ich glauben soll. Für mich fühlt es sich wie eine Liquidation an. Die Credit Suisse wird in eine Kiste gepackt und entsorgt», sagt die CS-Mitarbeiterin.
Ein kollektives Trauergefühl weht durch die Bank. Ein Expat aus Schweden beschreibt die Stimmung als «sad» – traurig. Zwar sei der unternehmerische Spirit immer noch spürbar, den die Credit Suisse so stark von anderen Banken unterscheide, sagt er. Doch er schwindet.
Alles unklar nach einem Monat
Auch einen Monat nach dem Kollaps der CS weiss immer noch niemand, wie die Integration ablaufen wird. Klar ist eigentlich nur, dass Francesca McDonagh (47), Chief Operating Officer der Grossbank, ein Integrationsteam aufbaut. Ihr Gegenüber bei der UBS ist Mike Dargan (45), Chief Digital und Information Officer.
McDonagh stiess erst im Oktober von der Bank of Ireland zur CS. Noch von Thomas Gottstein (59) engagiert, sollte sie zunächst das Europa-Geschäft leiten. Doch als Ulrich Körner (60) Chef wurde, machte er sie zur Leiterin des Grossumbaus. Die Aufsteigerin, die es aus der irischen Provinz nach Oxford schaffte, wurde von der Londoner «Financial Times» einst von oben herab als «Screamer and Shouter» bezeichnet.
Als sie letzte Woche an einer grossen internen Veranstaltung auftrat, pöbelte und schrie sie nicht. Aber viel sagen konnte sie auch nicht, weil wichtige Entscheide noch gar nicht gefallen sind. So ist weiterhin unklar, wie das künftige Operating Model der neuen Bank aussehen wird.
Es geht darum, ob die UBS weiterhin in vier Unternehmensbereiche gegliedert wird oder ob sich die Struktur der Bank stärker nach Regionen richtet. Das ist eine Entscheidung, die UBS-Konzernchef Sergio Ermotti (62) treffen muss. Es wird erwartet, dass er nächsten Dienstag etwas dazu sagen wird.
Stopp bei allen Zukunftsprojekten
Erst wenn die neue Struktur klar ist, kann McDonagh mit der Integration beginnen und das Fusionsprojekt entweder entlang der Businesslinien oder auf Stufe Länder bis in die einzelnen Projektteams herunterdeklinieren. Dann wird sich schnell zeigen, wer dazugehört und wer nicht.
Teil eines Integrationsprojekt-Teams zu werden, ist die Hoffnung vieler CS-Beschäftigten. Auch für einen Schweizer IT-Projektleiter. Sein Projekt wurde kurz nach der Fusionsankündigung auf Eis gelegt. Er geht davon aus, dass dies so bleiben wird. Wenn er es nicht ins Integrationsteam schafft, wird er entlassen, glaubt er.
Wie ihm geht es vielen Mitarbeitern. Gemäss mehreren Quellen verhängte die CS einen Stopp bei allen Zukunftsprojekten. Wie man in einer Präsentation vom Sommer 2022 nachlesen kann, gibt die Bank pro Jahr 1,1 Milliarden Franken für neue Projekte aus. Damit wurden schätzungsweise über 5000 Jobs finanziert. Seinen Lebenslauf hat der Schweizer IT-Projektleiter vorsorglich einem Personalvermittler geschickt. Ihm dürften es Hunderte CS-Kollegen gleichgetan haben. «Jeder muss für sich allein schauen», sagt er.
Eine vorläufige Jobsicherheit haben Beschäftigte, die ganz tief im Maschinenraum sitzen. In weltweit 13 Datenzentren verwalten sie 90’000 Arbeitsstationen, über 100’000 Server, 37’000 relationale Datenbanken und 3000 Applikationen. Hard- und Software müssen auch in der Übergangsphase reibungslos funktionieren.