«Es werden nur die innovativen Betriebe überleben»
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Fitnessbetreiber Pascal Jörg:«Es werden nur die innovativen Betriebe überleben»

Fitnesscentern geht die Luft aus – Betreiber Pascal Jörg prüft Stellenabbau und Schliessungen
«Die Lage ist dramatischer denn je»

Im Gegensatz zu Beizen sind Fitnesscenter schon seit eineinhalb Monaten komplett geöffnet. Das schlechte Maiwetter half nichts, die Fitnesscenter wurden kaum besucht. Nicht nur Betreiber Pascal Jörg denkt über Schliessungen und Stellenabbau nach.
Publiziert: 03.06.2021 um 01:16 Uhr
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Aktualisiert: 03.06.2021 um 09:59 Uhr
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Leere Gyms: Fitnesscenter-Betreiber Pascal Jörg hat derzeit nicht viel zu lachen.
Foto: STEFAN BOHRER
Nicola Imfeld

«Mir fällt ein Stein vom Herzen. Endlich gibts wieder sportliche Freiheit», jubelte Fitness-Papst Claude Ammann (53) vor sechs Wochen im Blick. Jetzt müsse man Gas geben, so der Präsident des Schweizerischen Fitness- und Gesundheitsverbandes (SFGV), nachdem der Bundesrat die Fitnessbranche im Land im Gegensatz zu den Beizen komplett aus dem Lockdown geholt hatte.

Eineinhalb Monate später ist von einer Aufbruchstimmung in der Fitnessbranche nichts mehr zu spüren. Obwohl das Wetter im Mai mies war, blieben die Hanteln am Boden. Wer ein Fitnesscenter aufsucht, hat dieser Tage freie Bahn. Es trainieren deutlich weniger Leute als vor der Krise, bestätigt Ammann. Seine Mitglieder kommen im Schnitt auf eine Auslastung von gerade mal 40 Prozent.

«Wir stehen vor einem harten Sommer», warnt er. Medien sprechen schon von einer bevorstehenden Konkurswelle. So weit will Ammann nicht gehen, aber: «Es sieht nicht gut aus. Wenn der Sommer nun schlecht wird und wir nicht die versprochenen Hilfsgelder bekommen, werden Schliessungen sowie ein Stellenabbau in der Fitnessbranche die logische Folge sein.»

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«Ende Jahr müssen wir Bilanz ziehen»

Eine klare Ansage des Verbandspräsidenten. «Sie ist hart, aber korrekt», bestätigt Pascal Jörg (53), der mit seiner Fitness Factory neun Filialen an sechs Standorten in den Kantonen Bern und Solothurn betreibt. «Die Lage ist dramatischer denn je!»

Jörg ist an diesem Vormittag fast allein in seinem Fitnesscenter, als Blick ihn in Dulliken SO besucht. «Es kommt auf den Standort an», sagt er. In den Städten komme die Fitness Factory auf knapp 50 Prozent Auslastung, in ländlicheren Gebieten seien die Fitnesscenter aber nur zu 20 Prozent gefüllt.

Von einem möglichen Konkurs mag Jörg nicht sprechen. «Aber am Ende des Jahres werde ich Bilanz ziehen müssen. Wenns nicht gut gelaufen ist, muss ich vielleicht bis zu drei Standorte schliessen.» Der Unternehmer spricht mit schwerer Stimme über die Krise. «Wissen Sie», sagt er und unterbricht kurz, «es geht oft vergessen, dass an der Fitnessbranche auch viele Jobs hängen. Diese sind jetzt in Gefahr.»

Trendwende wegen Pandemie?

Die Krise geht Jörg nahe. Die Öffnung Mitte April habe für sein Business keinen Sinn ergeben, sagt er. «Von Dezember bis April ist Hochsaison – leider mussten wir genau in dieser Zeit geschlossen bleiben.» Er sieht aber noch andere Gründe für die Flaute in den Gyms. «Viele Leute haben wegen des Virus immer noch Angst, drinnen zu trainieren», meint Jörg.

Es gibt auch Anzeichen dafür, dass die Krise für die Fitnesscenter tiefgründiger ist. Im Pandemiejahr mussten die Leute gezwungenermassen improvisieren. Anstatt im Gym trainierten sie in den eigenen vier Wänden oder draussen in der Natur. Haben die Menschen daran Gefallen gefunden?

«Man muss davon ausgehen, dass nicht alle Kunden in die Fitnesscenter zurückkehren», sagt Claudio Nigg (45), Gesundheitswissenschaftler am Institut für Sportwissenschaft der Uni Bern. Grund zur Panik bestehe aber nicht. «Von einer Trendwende zu sprechen, wäre übertrieben. Es ist eher ein vereinzelter Lifestyle-Wechsel», meint Nigg. Er geht davon aus, dass nach der Krise wieder bis zu 90 Prozent in die Gyms zurückkehren werden.

«Solidarität hat abgenommen»

Claude Ammann hat für solche langfristigen Gedankenspiele keine Zeit. Er muss zuerst schauen, dass seine Mitglieder kurzfristig überleben. Immer mehr Fitnesscenter geraten derzeit in finanzielle Nöte. «Leider hat die Solidarität der Vermieter spürbar abgenommen. Dabei wären Mietzinserlasse oder Reduktionen essenziell», sagt Ammann.

Die Devise des Fitness-Papsts für die nächsten Monate ist klar: «Liquidität sichern, den Sommer überstehen und dann weiterschauen.»

Weniger Sporttreiben wegen Corona

Eigentlich hätte man im Homeoffice ja viel Zeit für Sport. Ein paar Übungen zwischen zwei Telefonaten. Oder eine ausgedehnte Joggingrunde durch den nahen Wald in der Mittagspause. Die Realität sieht jedoch anders aus. Eine repräsentative Umfrage der Groupe Mutuel hält uns den Spiegel vor: 45 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer haben sich im letzten Jahr weniger bewegt. Die Gruppe der 30- bis 44-Jährigen ist vom coronabedingten Bewegungsmangel besonders stark betroffen. Deutschschweizer etwas mehr als Westschweizer, weiss der Krankenversicherer. Der Hauptgrund: 68 Prozent der Befragten nennen die geschlossenen Sportanlagen und Fitness-Center als Ursache für den Bewegungsmangel. 34 Prozent machte die mangelnde Motivation zu schaffen. Ein Drittel hat ausserdem der fehlende Austausch mit Freunden und Teamkollegen zu Sportmuffel gemacht. Patrik Berger

Eigentlich hätte man im Homeoffice ja viel Zeit für Sport. Ein paar Übungen zwischen zwei Telefonaten. Oder eine ausgedehnte Joggingrunde durch den nahen Wald in der Mittagspause. Die Realität sieht jedoch anders aus. Eine repräsentative Umfrage der Groupe Mutuel hält uns den Spiegel vor: 45 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer haben sich im letzten Jahr weniger bewegt. Die Gruppe der 30- bis 44-Jährigen ist vom coronabedingten Bewegungsmangel besonders stark betroffen. Deutschschweizer etwas mehr als Westschweizer, weiss der Krankenversicherer. Der Hauptgrund: 68 Prozent der Befragten nennen die geschlossenen Sportanlagen und Fitness-Center als Ursache für den Bewegungsmangel. 34 Prozent machte die mangelnde Motivation zu schaffen. Ein Drittel hat ausserdem der fehlende Austausch mit Freunden und Teamkollegen zu Sportmuffel gemacht. Patrik Berger


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