Im Südosten der Türkei herrscht nach mehreren heftigen Erdbeben Ausnahmezustand. Über 4600 Gebäude sollen eingestürzt sein, befürchtet werden bis zu 50'000 Tote.
Kann man jetzt guten Gewissens in die Ferien in der Türkei fliegen? Deniz Ugur (44), CEO des Zürcher Türkei-Reisespezialisten Bentour, hat eine klare Meinung: «Wer jetzt seine Ferien storniert, schadet dem Land wirtschaftlich. Hinreisen ist auch eine Form der Solidarität.»
Bislang keine Annullierungen
Ugur hat ein Interesse daran, die Kundschaft bei der Stange zu halten. Bislang seien keine Annullierungen eingegangen. Im Gegenteil: Es kommen weiterhin Neubuchungen herein.
Die klassischen Feriengebiete der Türkei sind vom Erdbeben denn auch nicht direkt berührt. Die Region Antalya in der Südtürkei liegt rund 600 Kilometer Luftlinie von der betroffenen Region entfernt. Laut Ugur haben die Hotels in der Region Antalya keinerlei Schaden genommen. Die Ferienziele an der Ägäis sind sogar noch weiter entfernt.
Die von den Erdbeben heimgesuchte Region ist touristisch wenig erschlossen. Zuletzt gab es zwar diverse Anstrengungen, die historische Region Mesopotamien verstärkt auf die touristische Landkarte zu bringen. Das erst kürzlich zum Unesco-Welterbe ernannte Kulturgut Göbeklitepe beispielsweise liegt in der betroffenen Region. An Tourismus ist dort bis auf Weiteres aber nicht zu denken.
Türkischstämmige reisen ins Katastrophengebiet
Die Schweizer Ferienfluggesellschaft Edelweiss fliegt ab dem 13. März ab Zürich nach Antalya, im Sommer auch in die Ferienziele Bodrum und Dalaman. «Aktuell sind wegen des Erdbebens keine Annullierungen eingegangen und wir rechnen auch nicht damit», sagt Edelweiss-Sprecher Andreas Meier.
Die Flüge ab Deutschland sind aktuell rappelvoll. Weil die grosse deutsch-türkische Community vor Ort reist, um nach Verwandten und Bekannten zu sehen.
Hotels zeigen sich solidarisch
Einen solchen Effekt stellt auch Bentour fest. Der Veranstalter ist auch in Deutschland tätig. «Viele Türkischstämmige reisen in die Region und holen die Verwandten ab und gehen teilweise mit diesen in die Feriengebiete», so Ugur. Der türkische Hotellerieverband hat angekündigt, Bettenkapazitäten für Erdbebengeschädigte freizumachen.
Ugur erklärt, dass aktuell rund 160 Hotels in der Region Antalya, entlang der Küste von Kemer bis Alanya, geöffnet sind. «Es sind zumeist grosse Hotels», so Ugur. Kapazität sei genügend vorhanden, auch für Touristen. In der Türkei ist aktuell Nebensaison, die Bettenbelegung beträgt 20 bis 30 Prozent der im Sommer üblichen Zahlen.
Aus dem Katastrophengebiet in die Ferienregion Antalya zu kommen, ist mit erheblichem Aufwand verbunden: Die drei im Katastrophengebiet liegenden Regionalflughäfen Gaziantep, Hatay und Kahramanmaras sind für Passagierflüge gesperrt, da Nothilfe-Flüge priorisiert werden. Die Autofahrzeit bis Antalya beträgt gute zehn Stunden.
Macht sich Ugur Sorgen über die künftige Türkei-Nachfrage? Etwa vor dem Hintergrund, dass Istanbul weiterhin auf das «Jahrhundertbeben» wartet? «Die Ferienentscheide orientieren sich in der Regel nicht an der Möglichkeit von Naturkatastrophen, die niemand vorhersagen kann», sagt er.