Bei der Erdbeben-Katastrophe im türkisch-syrischen Grenzgebiet sind mindestens 35'000 Menschen ums Leben gekommen. Tausende wurden verletzt. Ein erstes Beben der Stärke 7,7 erschütterte am frühen Montagmorgen die Südosttürkei. Am Mittag folgte dann eine fast ebenso schwere Erschütterung.
In der Türkei wurden bis zum späten Montagvormittag laut Präsident Recep Tayyip Erdogan mindestens 912 Opfer gezählt. Mehr als 5300 Menschen seien verletzt worden. 1700 Häuser stürzten ein.
Viele Nachbeben
In Syrien stieg die Zahl der Toten auf mehr als 460. Rund 1600 Menschen seien verletzt, berichten der stellvertretende Gesundheitsminister Ahmed Dhamirijeh und die Hilfsorganisation Syrian American Medical Society (Sams), die in von Rebellen kontrollierten Gebieten des Landes arbeitet.
Das Epizentrum des ersten schweren Bebens lag nach Angaben der türkischen Katastrophenschutzbehörde Afad in der Provinz Kahramanmaras nahe der syrischen Grenze. Es gab eine grosse Zahl von Nachbeben. Regen, Schnee und Kälte erschweren die Rettungseinsätze.
Auch in Syrien stürzten der staatlichen Nachrichtenagentur Sana zufolge in zahlreichen Städten Gebäude ein. Rettungsteams versuchten in der Nacht und im Morgengrauen, Menschen aus den Trümmern zu ziehen. Der Leiter des Nationalen Erdbebenzentrums sagt laut Sana, dies sei das stärkste Beben in Syrien seit 1995. Präsident Baschar al-Assad rief sein Kabinett zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen.
Auch Spital stürzte ein
Unter den eingestürzten Gebäuden in der Türkei ist neben Wohnhäusern auch ein Spital in der Stadt Iskenderun. In der Stadt Gaziantep wurde laut staatlicher Nachrichtenagentur Anadolu auch die Burg stark beschädigt. Sie ist ein Unesco-Weltkulturerbe.
Menschen in der Türkei werden aufgerufen, wegen der Kommunikationsengpässe online zu telefonieren und nicht über das Handy-Netz, damit vorrangig Verschüttete erreicht werden können. Die Temperaturen in den betroffenen Gebieten liegen zurzeit oft im Minusbereich. An manchen Orten schneite es stark.
Im Staatssender TRT ist zu sehen, wie Menschen bei Schnee etwa in der Stadt Iskenderun aus Trümmern befreit wurden.
Aufrufe zu Blut- und Sachspenden
Hilfsorganisationen und Gemeinden in den betroffenen Regionen rufen zu Blut- und Sachspenden auf und bitten etwa um Decken, Heizöfen, Winterkleidung, Essenspakete und Babynahrung.
Auch im Libanon, der an Syrien grenzt, war das Erdbeben zu spüren. In der Hauptstadt Beirut verliessen Anwohner teils fluchtartig ihre Häuser. Zu spüren war das Beben auch in Israel. Nach Angaben der israelischen Polizei gab es aber keine Verletzten oder Schäden.
In Italien gab der Zivilschutz noch in der Nacht zum Montag eine Tsunami-Warnung aus, die wenige Stunden später zurückgenommen wurde.
Ständige Gefahr
Die Türkei ist immer wieder von schweren Erdbeben betroffen. Dort grenzen zwei der grössten Kontinentalplatten aneinander: die afrikanische und die eurasische. Der grösste Teil der türkischen Bevölkerung lebt faktisch in ständiger Erdbebengefahr.
Bei einem der folgenschwersten Beben der vergangenen Jahre kamen im Oktober 2020 in Izmir mehr als 100 Menschen ums Leben. Im Jahr 1999 war die Türkei von einer der schwersten Naturkatastrophen in ihrer Geschichte getroffen worden: Ein Beben der Stärke 7,4 in der Region um die nordwestliche Industriestadt Izmit kostete mehr als 17'000 Menschen das Leben. Für die grösste türkische Stadt Istanbul erwarten Experten in naher Zukunft ebenfalls ein starkes Beben. (SDA/kes/noo)