«Aus Liebe zur Umwelt», «Für den ökologischen Fussabdruck», «Umweltschonend heizen». So machen Energieversorger Werbung für Biogas. Biogas sei ein erneuerbarer Energieträger – CO2-arm, zuverlässig, vielseitig einsetzbar. Hergestellt aus Abfallstoffen wie Grüngut und Klärschlamm. Wer Biogas beziehe, leiste einen Beitrag zum Klimaschutz. Doch WWF-Klimaexperte Elmar Grosse Ruse sagt, dass man damit in eine Falle tappt.
«Wer wirklich etwas für die Umwelt tun will, ist nicht gut bedient mit Biogas in der heimischen Heizung.» Beide haben recht, Werbung wie Kritik. Wie kann das sein?
Das Bundesamt für Energie (BFE) sagt, Biogas sei ein wertvoller erneuerbarer Energieträger. Es könnte einen wichtigen Beitrag leisten, die energie- und klimapolitischen Ziele der Schweiz zu erreichen. 40 Prozent der Emissionen liessen sich einsparen, wenn man mit Biogas statt Erdgas heizt. Gegenüber einer Ölheizung liege der Vorteil sogar bei 60 Prozent. Etwa 1,2 Prozent am gesamten Gasverbrauch stammte laut BFE 2020 aus einheimischer Biogasproduktion. Wenn man das importierte Biogas dazuzähle, komme man auf rund 4,5 Prozent.
Begrenzte Ressource
Das Problem: Biogas kann fossiles Erdgas nicht vollständig ersetzen, da es nur begrenzt verfügbar ist. Die Schweiz könnte zwar rund zwei- bis fünfmal so viel produzieren wie heute, aber nicht mehr, schätzt Matthieu Buchs vom BFE. Denn im Gegensatz zu anderen Ländern werde hier nicht extra Mais oder Raps dafür angepflanzt.
Die Knappheit hat Konsequenzen. «Biogas kann man extrem vielseitig nutzen, für Strom, als Treibstoff oder für Wärme», sagt Matthieu Buchs. «Aber um Räume zu heizen, ist Biogas eigentlich viel zu schade.» Weil es nur begrenzt verfügbar ist, müsse man genau schauen, wo man es am sinnvollsten einsetzt. Zum Beispiel im Schwerverkehr oder bei Industrieprozessen mit sehr hohen Temperaturen, wie in der Metall- oder Baustoffbranche. Dort gebe es kaum sinnvolle erneuerbare Alternativen mit einer genügend hohen Energiedichte. Ganz im Gegensatz zu Heizungen im Privathaushalt, wo man Fernwärme oder Wärmepumpen mit dem Kühlschrankprinzip einsetzen kann.
Fehlanreiz für Hausbesitzer
Nur – das rare Biogas im Erdgasnetz wird heute vor allem von Privaten verwendet. Sie können zwischen Produkten mit verschieden hohem Anteil wählen. Der Aufpreis für die erneuerbare Energie ermöglicht die Produktion überhaupt erst.
«Diese Zahlungsbereitschaft wird teilweise ausgenutzt», kritisiert Elmar Grosse Ruse vom WWF. «So lassen sich sogar Umweltbewusste verleiten, eine neue Gasheizung zu kaufen, statt auf eine wirklich erneuerbare Variante zu setzen.» Ihn stört, dass die Gasbranche das Paket Erdgas/Biogas als Klimalösung anpreist. Das schaffe einen Fehlanreiz für Hausbesitzer, die etwas Gutes fürs Klima tun wollen.
«Sie sind am Ende die Dummen und zahlen für etwas, was längerfristig keinen Sinn macht. Die Produzenten freuts.» Das sei ein Systemfehler, der die dringend benötigte Erneuerung der Infrastruktur verhindere, so Grosse Ruse. Mit neuen Gasheizungen bleibe man zudem über Jahrzehnte abhängig von fossilem Erdgas, auch wenn man einen Anteil Biogas bezieht.
Kurzfristig bleibt Erdgas wichtig für die Energieversorgung. Längerfristig sind die Klimaziele gemäss Bundesamt für Energie nur erreichbar, wenn Gas nicht mehr zum Heizen eingesetzt und der Verbrauch erheblich reduziert wird. Den Rest – vor allem für Industrie, Schwerverkehr oder Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen – müssen erneuerbare Gase abdecken.
Grosse Pläne
Bloss: Gerade in der Industrie oder im Schwerverkehr ist die Nachfrage bisher nicht sehr gross. «Im Moment gibt es keinen Boom, ein Interesse ist in den Absatzzahlen nicht sichtbar», sagt Georg Meier vom Beratungsunternehmen Energie Zukunft Schweiz. Nur wenige Betriebe wie etwa die Migros Basel, die mit biogasbetriebenen Lastwagen fährt, setzten auf erneuerbares Gas – vor allem aus Marketinggründen. «Die Industriellen achten viel mehr auf den Preis. Für Privatkunden sind die Energiekosten meist unter der Wahrnehmungsschwelle.» Da mache ein grösserer Anteil von teurerem Biogas nicht so viel aus.
Die Schweizer Gaswirtschaft wiederum hat das Ziel, den Anteil erneuerbarer Gase in der Wärmeversorgung der Privathaushalte bis 2030 auf 30 Prozent zu erhöhen. Bis 2050 will man komplett CO2-neutral sein. Natürlich gebe es im Wärmebereich Alternativen, sagt Sprecher Thomas Hegglin. Man müsse aber bedenken: «Nicht überall kann man auf alternative Systeme wie Wärmepumpen oder Fernwärme umsteigen, etwa in dicht gebauten Altstädten oder in denkmalgeschützten Gebäuden. Dort ergibt erneuerbares Gas längerfristig Sinn.»
Wenn man das wertvolle Biogas für die Industrie, den Schwerverkehr oder die Stromproduktion reservieren will, müssen Privatkunden früher oder später auf andere Heizungen umsteigen. Dass gerade sie derzeit die grosse Nachfrage stellen, ist aber nicht nur schlecht: «Der dadurch wachsende Anteil Biogas im Netz hilft natürlich auch schon kurzfristig dem Klima», sagt Matthieu Buchs vom BFE. Trotzdem: «Wegen Biogas auf neue Gasheizungen zu setzen, würde keinen Sinn machen.»
Dieser Artikel wurde aus dem Magazin «Beobachter» übernommen. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.beobachter.ch
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