87 Prozent der Spitäler, Reha-Kliniken und Altersheimen in der Schweiz sind unterbesetzt. Zu diesem Schluss kommt eine Umfrage unter Kaderleuten in Gesundheitseinrichtungen, über die die «SonntagsZeitung» berichtet. Durchgeführt wurde die Umfrage vom Verband Swiss Nurse Leaders, die die Führungskräfte in der Pflege vertritt.
Gemäss den Ergebnissen sind 2300 Pflegejobs unbesetzt. 9 von 10 der Befragten geben an, dass sie die Grundversorgung nur dank Überstunden der verbleibenden Mitarbeitenden aufrechterhalten könnten. Das führt zur Überlastung, schlechter Stimmung in den Teams, Burnouts – und Fehlern: «Die Pflegequalität in den Akutspitälern wird nicht mehr zu halten sein und abnehmen», gibt eine Umfrageteilnehmerin gemäss SonntagsZeitung an.
Die starke Belastung führt dazu, dass sich immer mehr Angestellte krankmelden, was den Engpass noch verschärft. Um das Loch beim Personal zu stopfen, setzen die Kliniken 60 Prozent häufiger auf Temporäreinsätze als noch vor der Pandemie, so der Bericht. Weil nicht alle Temporären die nötigen Qualifikationen mitbringen, sinkt die Qualität. Die Personalkosten steigen derweil.
Kinder werden verlegt – quer durch die Schweiz
Besonders happig ist die Situation offenbar an den Kinderkliniken: In der «NZZ am Sonntag» berichten gleich mehrere Kindernotfälle von einer zunehmenden Überlastung. Laut dem Berner Inselspital seien Kindernotfälle im ganzen Land 30 bis 50 Prozent überlastet, es drohe ein Kollaps, so die Zeitung.
Kinder müssen immer länger auf eine Behandlung warten – oder werden in ein entferntes Spital verlegt. Etwa von Winterthur ZH nach St. Gallen, Münsterlingen TG, Zürich oder gar Chur GR und Luzern. Das Kantonsspital Winterthur schenkt seinen Mitarbeitenden einen 100-Franken-Bonus, wenn sie eine Extraschicht schieben, schreibt die «NZZ am Sonntag» weiter.
Neben dem Fachkräftemangel machen die Kliniken auch den stetig steigenden Ansturm auf die Notfallstationen für die Lage mitverantwortlich. Selbst bei Bagatellen suchen immer mehr Menschen den Notfall auf, statt die Hausarztpraxis.
Mehr Lohn, längere Ferien
Die Pandemie hat den Personalengpass in der Pflege noch verschärft. Rund die Hälfte der Pflegenden steigt vorzeitig aus dem Beruf aus. Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium Obsan rechnet damit, dass in der Schweiz bis 2030 20'000 Pflegekräfte fehlen.
Die im letzten Herbst angenommene Pflege-Initiative soll Gegensteuer liefern – allerdings wird es noch Jahre dauern, bis die Bemühungen fruchten. Branchenvertreter fordern zusätzlich Sofortmassnahmen: dank mehr Lohn, kürzeren Arbeitszeiten und längeren Ferien soll der Pflegeberuf attraktiver werden. (sfa)