Wer auf der Social-Media-Plattform X nach Beiträgen zum WEF sucht, erhält ein Video besonders oft ausgespielt: Darin ist zu sehen, wie ein junger Mann auf der Bühne des Plenarsaals im Davoser Kongresszentrum am Rednerpult steht und sich mit einem Schwall von Fluchwörtern an WEF-Gründer Klaus Schwab (85) wendet. Dieser sitzt stumm daneben, gemeinsam mit Bundespräsidentin Viola Amherd (61). Die beiden verlassen mit auf den Boden gerichteten Blicken die Bühne, danach bricht die Übertragung angeblich ab.
Das Video ist ein Fake – und nicht einmal ein besonders gut gemachter. Produziert hat es der in Dänemark lebende iranische Influencer Damon Imani. Er hat mehrere Hunderttausend Follower. Imani ist für seine satirischen Inhalte bekannt. Nach dem ersten Fake verbreitete er ein zweites Video, in dem er – mit blauem Auge – eine angebliche Entschuldigung an die WEF-Elite richtet. Erneut gespickt mit vielen Fluchwörtern.
Die kritische Betrachterin erkennt die Fälschung auf Anhieb. Das Problem: Auf X und anderen Netzwerken verbreitet sich das Video wie ein Lauffeuer. Der satirische Kontext geht dabei verloren, ob bewusst oder nicht. Der Schweizer Rechtsextremist Ignaz Bearth (39) etwa teilt es auf seinem X-Account, ohne klarzumachen, dass es sich um eine Fälschung oder Satire handelt.
Dank KI wird jeder zum Fake-News-Produzent
Falschinformationen sind laut dem globalen Risikobericht des WEF das grösste Risiko für die Welt in den kommenden zwei Jahren. Das hängt auch damit zusammen, dass 2024 in so vielen Ländern gewählt wird, darunter in den USA, Indien und Indonesien. Rund die Hälfte der Weltbevölkerung ist an die Urne gerufen – und läuft Gefahr, im Wahlkampf mit Desinformation gefüttert zu werden.
Besonders, weil künstliche Intelligenz (KI) die Produktion von Falschinformationen – wie des gefälschten WEF-Videos – zum Kinderspiel macht. Das WEF gehört nicht erst seit dem Aufkommen von KI zu den beliebtesten Opfern von Verschwörungstheoretikern. Doch Fake News würden «durch synthetische Inhalte verstärkt», heisst es bei den WEF-Veranstaltern auf Anfrage.
Klaus Schwab und der «Great Reset»
Schon die Pandemie hatte Fake News Auftrieb verliehen. Seither grassiert etwa wieder vermehrt die Verschwörungstheorie, wonach WEF-Gründer Klaus Schwab (85) mit seinem Forum eine neue Weltordnung für die Eliten etablieren will. Ein Symptom des zerrütteten Vertrauens in die Politik- und Wirtschaftsführer.
Nicht umsonst redete Bundespräsidentin Viola Amherd (61) der WEF-Elite in ihrer Eröffnungsrede ins Gewissen: «Teile der Bevölkerung misstrauen uns allen, die wir hier versammelt sind.» Und nicht umsonst lautet das Thema des diesjährigen Jahrestreffens in Davos «Vertrauen wiederaufbauen.» Das jüngste virale Fake-Video zum WEF beweist: Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.