Ex-Nationalbank-Chef Philipp Hildebrand kritisiert Sanktionen gegen Russland
«Wir sind zurzeit in einem der gefährlichsten Momente»

Eben hat die Schweiz bekannt gegeben, dass sie grösstenteils das fünfte Sanktionspaket der EU gegen Russland übernimmt. Philipp Hildebrand kritisiert dies und die fehlende Neutralität der Schweiz in einem Interview mit der «Handelszeitung».
Publiziert: 15.04.2022 um 13:14 Uhr
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Aktualisiert: 15.04.2022 um 14:51 Uhr
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Philipp Hildebrand warnt in einem Interview vor den Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland.
Foto: Keystone

Es ist bereits das fünfte EU-Sanktionspaket, das die Schweiz fast gänzlich übernimmt. Dazu gehören etwa das EU-Importverbot für Kohle und weitere wichtige Güter, die Russlands Staatskassen klingeln lassen. Oder besser gesagt, liessen. Denn gleichzeitig wird bereits über ein Embargo für russisches Öl debattiert.

Dies findet Philipp Hildebrand (58) gar nicht gut. «Gerade in der Schweiz – als offene kleine Volkswirtschaft – muss man sich sehr gut überlegen, wie wir uns in dieser Welt positionieren», sagt der Ex-Chef der Schweizerischen Nationalbank in einem Interview mit der «Handelszeitung». Die Uno-Resolution gegen Russland hätten 35 Länder nicht mitgetragen, die rund die Hälfte der Weltbevölkerung repräsentieren. Dazu gehörten unter anderem China und Indien.

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Kritik an den Sanktionen gegen Russland

Hildebrand, seit 2012 Vizepräsident des weltgrössten Vermögensverwalters Blackrock, kritisiert die Sanktionen gegen Russland und die fehlende Neutralität der Schweiz. «Die Neutralität wurde sehr rasch unterminiert, und dies ohne Verfassungsänderung und ohne eindeutige rechtliche Grundlage.» Das beeinträchtige sowohl den Finanzplatz Schweiz wie auch ihre Möglichkeiten der «Guten Dienste».

Die Wirtschaftszeitung will wissen, ob es ein Fehler war, dass die Schweiz nach der russischen Invasion bei den Sanktionen sehr schnell mitgemacht hat. «Was mir Sorgen bereitet, ist die rechtliche Willkür, mit der man teilweise vorgegangen ist. Wer entscheidet, welche Konten geschlossen werden, was Firmen zum Schliessen zwingt, weil sie keinen Bankzugang mehr haben und die Löhne nicht mehr bezahlen können? Wer entscheidet, wer Putin nahesteht?», so Hildebrand

Er ortet bei den Schweizer Bankkundinnen und -kunden grosse Besorgnis. «Diese haben sich jahrelang auf die Beständigkeit, Rechtssicherheit und Langfristigkeit der Schweiz verlassen.»

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Wiederauferstehung der USA als Supermacht

Weiter sagt der ehemalige Notenbanker, er beobachte «eine extreme Wiederauferstehung der Supermacht USA». Anders sehe es für die Idee eines souveränen Europas aus: «Die Vorstellung, dass Europa ein dritter Machtfaktor sein kann, ist stark ins Wanken geraten.»

Für die Schweiz sei es deshalb ratsam, jetzt nicht die nächste Gesprächsrunde mit der EU zu suchen. Als offene kleine Volkswirtschaft müssten wir uns «sehr gut überlegen, wie wir uns in dieser Welt positionieren», so Hildebrand gegenüber der «Handelszeitung».

Die aktuelle Situation im Ukraine-Krieg, die Möglichkeit eines Dritten Weltkrieges besorgt ihn sehr. «Wir sind zurzeit in einem der gefährlichsten Momente seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, vor allem, wenn man mitten in Europa ist», erklärt Hildebrand.

Ebenfalls besorgt äusserte sich Hildebrand zur weiteren wirtschaftlichen Entwicklung besonders in Europa und zu den Möglichkeiten der Notenbanken, die Inflation zu senken. Die Voraussetzungen in der Schweiz seien immerhin deutlich besser als in Europa oder den USA. (uro)

Das ganze Interview finden Sie hier.

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