Ramsch-Status für Russland
Wie stehts wirklich um Putins Finanzen?

Russland hat mit der Invasion der Ukraine im Westen jeglichen Kredit verloren. Nun wurde das Land auch von den Rating-Agenturen abgestraft: Die Kreditwürdigkeit rauscht ins Bodenlose. Droht der finanzielle Kollaps? Blick beantwortet die wichtigsten Fragen.
Publiziert: 10.03.2022 um 00:16 Uhr
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Aktualisiert: 10.03.2022 um 10:02 Uhr
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Das dürfte im russischen Regierungsgebäude in Moskau für Ärger Sorgen: Rating-Agenturen haben Russlands Kreditwürdigkeit auf Ramsch-Niveau gesenkt.
Foto: keystone-sda.ch
Martin Schmidt

Russland hat sich mit seinem Einmarsch in die Ukraine massiv isoliert. Grossfirmen wie H&M, McDonald's oder Apple stoppen ihre Geschäfte im Land. Elektronikartikel werden rar, in Lebensmittelgeschäften stehen Russinnen und Russen vor leeren Regalen. Auf den internationalen Finanzmärkten ist Russland durch die westlichen Sanktionen so gut wie abgemeldet. Die Kreditwürdigkeit des Landes fällt auf Ramsch-Niveau.

Die Rating-Agenturen sehen für Russland schwarz. Sie stufen die Kreditwürdigkeit auf Ramsch-Niveau herab. Was bedeutet das?

Für Russland wird es dadurch extrem viel teurer, sich neu zu verschulden. Doch das sei für das Land nicht wirklich ein Problem, sagt Finanzexpertin Christa Janjic-Marti (52) vom Beratungsunternehmen WPuls: «Russland will in der aktuellen Kriegssituation im Westen gar keine neuen Schulden machen. Und das muss es auch gar nicht. Denn das Geld wäre ja theoretisch da.»

Russland sitzt auf Devisenreserven von 630 Milliarden Dollar, die jedoch durch die Sanktionen zu einem grossen Teil eingefroren sind. Könnte Russland trotzdem zahlen?

Ja, Russland hätte noch genügend freie Mittel zur Verfügung. Doch das Land will seine internationalen Schulden derzeit wahrscheinlich gar nicht begleichen. Man muss also von einer Zahlungsunwilligkeit sprechen. An den Finanzmärkten werden russische Staatsanleihen in Dollar mittlerweile mit einem Abschlag von 80 Prozent gehandelt. Es wird also kaum noch mit einer Zahlung vonseiten Russlands gerechnet. Janjic-Marti hält diese Einschätzung für «absolut realistisch».

Droht Russland der Bankrott, wenn es seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt?

Eine Staatspleite ist unwahrscheinlich. Die einzige direkte Folge von Zahlungsausfällen wäre, dass Russland auf dem internationalen Finanzmarkt kein Geld mehr aufnehmen kann. «Russland ist noch weit von einem Bankrott entfernt. Das Land kann seine Ausgaben weiterhin in Rubel finanzieren», sagt Janjic-Marti.

Russland droht die Staatspleite
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Trotz voller Staatskasse:Russland droht die Staatspleite

Würde ein Öl- und Gas-Embargo des Westens Russland in finanzielle Schwierigkeiten bringen?

Das wäre für Russland tatsächlich ein Problem. 40 Prozent der russischen Steuereinnahmen stammen aus dem Energiesektor. Sollte der Westen die Sanktionen auf Öl und Gas ausweiten, würde das Haushaltsdefizit rasch anwachsen. «Dann wäre die Finanzierung des Defizits eine Herausforderung», sagt Janjic-Marti. Die Gas- und Ölpreise sind aktuell derart hoch, dass ein zehn- oder 20-prozentiger Rückgang des Öl- oder Gasexports für Russland kein Problem wären. Will man Russland wirtschaftlich in die Knie zwingen, wäre ein umfassendes Embargo nötig.

Wie hart wäre der Westen von einem russischen Bankrott betroffen?

Russland hat Staatsanleihen in der Höhe von 49 Milliarden Dollar in Euro und Dollar offen. Bei einem Staatsbankrott müssten die Investoren ihre russischen Anleihen abschreiben. Diese machen bei den meisten Investoren aber nur einen verschwindend kleinen Anteil aus. Ein russischer Bankrott würde weder internationale Banken noch Staaten in finanzielle Schieflage bringen. Die Schweizer Bevölkerung würde davon praktisch gar nichts merken.

Wie stark ist der russische Staat auf Geld aus dem Westen angewiesen?

Russland hat seine Abhängigkeit vom Ausland in der Vergangenheit massiv reduziert. Als der Ölpreis von 2014 bis 2016 unter 50 Dollar lag und der Westen Russland Sanktionen als Reaktion auf die Besetzung der Krim auferlegte, strich der Staat die Ausgaben ausser beim Militär erheblich zusammen und nahm kaum mehr Geld aus dem Westen auf. Diese Einsparungen geschahen jedoch auf dem Rücken der Bevölkerung. Russlands Inflation betrug in der Zeit 40 Prozent. «Die Löhne der Staatsangestellten und die Pensionen sind jedoch gleich geblieben, die Menschen haben also massiv an Kaufkraft verloren», sagt Janjic-Marti.

Was können die Geldgeber tun, wenn Russland seine Schulden nicht begleicht?

Nach dem ersten Zahlungsversäumnis beginnt gewöhnlich eine 30-tägige Gnadenfrist, so dass der eigentliche Ausfall erst im April erfolgen würde. Danach können sich die Geldgeber zusammentun und versuchen, mit Russland zu verhandeln. «In der aktuellen Kriegssituation dürfte das ganz schwierig werden, denn Russland wird sich kaum kooperativ zeigen», sagt Janjic-Marti.

Wie kann Russland weiterhin frisches Geld besorgen?

Russland kann sich im Inland über Obligationen Geld besorgen. Die russische Staatsverschuldung ist im Vergleich mit anderen Schwellen- und Industrieländern extrem tief und lag im letzten Jahr bloss bei 13,8 Prozent. Russland kann auch über die Zentralbank frisches Geld drucken lassen. Dann würde die Inflation aber noch schneller ansteigen und die Bevölkerung ärmer machen. Russische Firmen können sich ihr Geld bei lokalen Banken besorgen – solange das Bankensystem liquide genug ist.


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