Hans-Jörg Kröplin (63) aus Birr AG war endlich an seinem Ziel: Vier Jahre lang kämpfte der Camion-Chauffeur um seine Baumeisterrente ab 60 Jahren und für Aberhunderte, nie bezahlte Überstunden. Dabei gewann der Büezer vor dem Bezirks- und dem Obergericht. Doch Kröplins Freude war verfrüht. Sein ehemaliger Arbeitgeber, eine Baufirma aus der Region, zog den Fall weiter ans Bundesgericht. «Damit ist wieder warten angesagt», sagt er zu Blick. Der Frust sitzt tief. Kröplin lässt sich aber nicht unterkriegen: «Ich kämpfe weiter!»
Die beiden Gerichtsinstanzen sind der Meinung, dass Kröplins Arbeit als Chauffeur dem Landesmantelvertrag (LMV) unterstellt war. Damit stehen ihm von seinem ehemaligen Arbeitgeber 26'035 Franken für 824 nicht bezahlte Überstunden zu. Hinzu kommen weitere 24'786 Franken als Entschädigung.
Chauffeure sind ein Streitthema
Falls das Bundesgericht das Urteil bestätigt, könnte das für die Firma gewaltige finanzielle Folgen haben: Eine Entlöhnung nach dem LMV berechtigt in den allermeisten Fällen auch zu einer Baumeisterrente ab 60 Jahren. Als Kröplin 2019 für seine Rente kämpfte, stellte ihn sein Arbeitgeber auf die Strasse, wie er sagt. Die Gerichte teilen diese Ansicht: Die Kündigung sei missbräuchlich erfolgt und aus Rache geschehen, heisst es in den Urteilen.
Bauflaute und Fachkräftemangel
Die Arbeit von Chauffeuren ist im Baugewerbe ein grosses Streitthema: Bei reinen Transportfirmen sind diese nicht dem LMV des Bauhauptgewerbes unterstellt. Bei Mischbetrieben entscheidet die konkrete Tätigkeit der Fahrer.
Die Baufirma ist unter anderem im Bereich Rückbau und Abbruch von Gebäuden tätig. Kröplin hat dort 13 Jahre lang als Chauffeur den Bauschutt und anderes Material von den Baustellen abtransportiert. Die bisherigen Instanzen sind der Meinung, dass diese Transportleistungen ein Bestandteil der Abbrucharbeiten sind – und deshalb unter den LMV fallen.
Wird er die Rente jemals kriegen?
Was Kröplin zusätzlich frustriert: Bereits 2009 hat das Bundesgericht in einem Urteil bestätigt, dass für die Chauffeure bei Kröplins ehemaligem Arbeitgeber der LMV gilt. «Was sind solche Urteile in der Schweiz überhaupt wert?», sagt der Büezer dazu.
Seither haben sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen verändert. Und genau darauf beruft sich das Bauunternehmen. Gemäss Bezirks- und Obergericht ist die besagte Firma von den Anpassungen jedoch nicht betroffen.
Kröplin hofft, dass das Bundesgericht den Fall in den nächsten Monaten zum Abschluss bringt. Mit einem Happy End für ihn. Dann hätte er immerhin gut 50'000 Franken auf sicher. Geld, das er gut gebrauchen könnte.
Er ist seit September 2022 ausgesteuert und erhält seit kurzem Sozialhilfe. Ob Kröplin die Baumeisterrente aber jemals sieht, wäre auch dann ungewiss. Schliesslich hat die Firma die Beiträge in all den Jahren nur während weniger Monaten vom Lohn abgezogen – und ihren Angestellten dann wieder zurückerstattet.