«Ich will meine Familie ernähren können»
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Unternehmer Robert Cicognini:«Ich will meine Familie ernähren können»

«Es geht um Existenzen»
Im Wallis verbrennt ein Gesetz Hunderte Millionen

Das Raumplanungsgesetz schafft im Wallis grosse Verlierer. Unternehmer Robert Cicognini fürchtet um die Zukunft seines Betriebs. Und bei Odilo Zumthurm lösen sich Ersparnisse in Luft auf.
Publiziert: 20.12.2022 um 00:18 Uhr
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Aktualisiert: 20.12.2022 um 09:42 Uhr
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Robert Cicognini wollte seine zwei Betriebe mit einer neuen Halle erweitern, …
Foto: Zamir Loshi
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Robert Cicognini (62) hat für seine Karosserie- und Pulverbeschichtung Cico in Gamsen VS grosse Pläne. Die beiden Betriebe platzen aus allen Nähten. Deshalb will Cicognini mit dem Bau einer neuen Halle zusätzlichen Platz schaffen. Lange läuft alles nach Plan. Cicognini kauft das nötige Bauland, und die Gemeinde zeigt sich kooperativ. Doch als er das Baugesuch für die Halle einreicht, folgt die grosse Ernüchterung. Das Bauland soll zurückgezont werden. «Das hat mich völlig auf dem falschen Fuss erwischt», sagt der Unternehmer zu Blick. Seinem Lebenswerk droht ein teurer Blechschaden.

Der Grund für die Rückzonung ist das neue Raumplanungsgesetz, welches das Schweizer Stimmvolk 2013 angenommen hat, im Wallis jedoch mit 80 Prozent abgelehnt wurde. Das liegt auf der Hand: Die Walliser Bevölkerung ist von der Umsetzung schweizweit mit Abstand am stärksten betroffen. Denn das Gesetz sieht vor, dass Gemeinden nur noch Baulandreserven für 15 Jahre haben dürfen. Die Gemeinden im Wallis müssen deshalb 1000 Hektar Bauland in die Landwirtschaftszone auszonen und weitere 1000 Hektar in die Reservezone.

Alles auf eine Karte gesetzt

Gamsen gehört zur Stadtgemeinde Brig-Glis, die nach aktuellem Stand 37,3 Hektar Bauland in die Landwirtschaftszone oder in die Reservezone um- oder zurückzonen muss. Allein Cicognini würde rund 6000 Quadratmeter verlieren.

Wenn er über die geplante Rückzonung spricht oder nur schon daran denkt, schiesse sein Blutdruck in die Höhe, erzählt Cicognini resigniert. Im Hintergrund hämmert ein Arbeiter auf eine Autokarosserie ein. Er repariert Hagelschäden. Ein anderer hängt lackierte Bleche auf. Das Geschäft läuft.

Cicognini setzte vor 32 Jahren alles auf eine Karte, machte eine Million Franken Schulden und baute seine Firma auf. Anfangs krampfte er in seinem Einmannbetrieb täglich 18 Stunden, reparierte Autokarosserien, erledigte die Büroarbeiten. Inzwischen arbeiten in den beiden Betrieben elf Angestellte.

«Es geht um Existenzen»

Auch seine Nachfolge war bereits durchgeplant. Mit dem Bau der neuen Halle wollte Cicognini die Karosserie und die Lackiererei trennen und seinen zwei Söhnen jeweils einen Geschäftsbereich übergeben.

Der Unternehmer hat gemäss der erteilten Baubewilligung der Gemeinde bereits das Gelände für den Hallenbau aufgeschüttet, die Erschliessung geplant und mehrere Maschinen angeschafft. Zusammen mit dem Wertverlust des Baulands würde er zwischen 2,5 und 3 Millionen Franken einbüssen.

Noch ist es nicht so weit. Cicognini geht, wie viele andere Bodenbesitzer, gegen die geplante Umsetzung des Raumplanungsgesetzes seiner Gemeinde juristisch vor. «Ich wünschte mir, dass die Gemeinde Brig-Glis schwierige Fälle noch mal anschauen und nach Lösungen suchen würde. So etwas kann man doch nicht auf dem Reissbrett planen. Es geht um Existenzen», sagt er.

Jahrelang zu viel Bauland eingezont

Das Wallis hat sich die aktuelle Misere selbst eingebrockt: Die Gemeinden haben jahrelang entgegen der gesetzlichen Bestimmungen viel zu viel Bauland eingezont und müssen nun einen grossen Teil davon wieder abwerten.

Die Rückzonungen im Wallis werden immer wieder damit relativiert, dass die Bodeneigentümer quasi über Nacht zu Millionären geworden sind, ohne je einen Franken Mehrwertabgabe entrichtet zu haben. Doch Cicognini hat sein Bauland aus dem eigenen Sack bezahlt. Genauso wie viele andere Eigentümer, die der Rückzonungshammer knüppelhart trifft.

Einer von ihnen ist Odilo Zumthurm (77) aus Brig-Glis. Der heutige Rentner war jahrzehntelang Unternehmer, führte vor seiner Pensionierung das Bahnhofsbuffet in Brig und steckte seine Ersparnisse in Bauland. «Als Geldanlage und für meine Kinder», wie er Blick auf der betroffenen Wiese am Stadtrand erzählt.

Besteht noch Spielraum?

Innerhalb von zwei Jahrzehnten investierte Zumthurm über 700'000 Franken in mehrere Parzellen und erbte weiteres Bauland für damals 225'000 Franken. Der Wert seines Bodens hat in den letzten Jahren deutlich zugelegt, könnte nun aber ins Bodenlose fallen. Der Grossteil soll zur Reserve oder gar zu landwirtschaftlichem Boden degradiert werden. «Der kleine Rest, der übrig bleibt, kann nicht mehr wirtschaftlich erschlossen werden», sagt er.

Die Gemeinde Brig-Glis steht in der Kritik, nicht den ganzen Spielraum auszunutzen, damit die notwendigen Rückzonungen möglicherweise noch reduziert werden könnten. Zumthurm geht gegen die Rückzonung juristisch vor.

Brig-Glis hat dank der nahe gelegenen Lonza in Visp in den letzten Jahren einen grossen Zuwachs erlebt. Könnte die Gemeinde eine stärkere Bevölkerungsentwicklung als in den ursprünglichen Berechnungen nachweisen, müsste sie weniger zurückzonen. Nachdem Bodeneigentümer eine Interessengemeinschaft gegründet und hartnäckig opponiert haben, hat die Gemeinde schliesslich reagiert und eine Kommission ins Leben gerufen. Diese soll die geplante Umsetzung des Raumplanungsgesetzes nochmals überprüfen.

«Aktuell findet das Mitwirkungsverfahren statt, bei dem die Rechnungen noch mal angeschaut werden. Doch unser Bevölkerungswachstum liegt sogar tiefer als vom Kanton in den bisherigen Rechnungen angenommen», sagt der zuständige Stadtrat Patrick Hildbrand (51). Das schränke den Handlungsspielraum ein.

Traum vom Einfamilienhaus geplatzt?

Das Raumplanungsgesetz kann gerade bei Erbschaften zu grossen Ungerechtigkeiten führen. So kommt es immer wieder vor, dass Leute Bauland geerbt haben und die Geschwister beispielsweise eine Wohnung – und jene mit dem Bauland wegen der Rückzonungen nun leer ausgehen dürften.

Besonders schwer hat das Gesetz eine junge Familie in Naters VS getroffen. Nachdem sie nach langer Suche das perfekte Bauland für ihr Traumhaus gefunden und gekauft hatte, legte die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz Einspruch ein. Die Gemeinde Naters solle erst ihre Rückzonungen unter Dach und Fach bringen, und die besagte Parzelle gehöre sowieso ausgezont, so der Standpunkt der Stiftung. Die Familie will anonym bleiben. Sie befürchtet, dass sie ihren Haustraum in Naters womöglich begraben muss, wie sie Blick erzählt. Dann müssten sie den Kaufpreis von einer Viertelmillion begraben.

Im Herbst 2023 soll in Brig-Glis das Siedlungsgebiet samt Zonenplan und den geplanten Rückzonungen zur Abstimmung kommen. Zahlreiche Direktbetroffene dürften dann Einsprache einlegen.

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