Trotz Bundesgeldern müssen Patienten 200 Franken zahlen
Zürcher Arzt kassiert bei Corona-Impfung doppelt

Ein Zürcher Dorf ist in Aufruhr: Rund 220 Patienten haben vom Hausarzt eine Rechnung von bis zu 200 Franken für die Corona-Impfung erhalten, die eigentlich gratis sein soll. Wer sich wehrte, erhielt Hausverbot. Die Zürcher Behörden ermitteln.
Publiziert: 04.02.2022 um 00:33 Uhr
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Aktualisiert: 04.02.2022 um 12:12 Uhr
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Ein Zürcher Hausarzt steht unter Verdacht, die Corona-Impfungen doppelt abgerechnet zu haben.
Foto: imago images
Nicola Imfeld

Ein Zürcher Hausarzt hat im vergangenen Jahr rund 220 Patientinnen und Patienten doppelt gegen das Coronavirus geimpft. Seit Dezember sind viele von ihnen für eine Booster-Impfung in die Praxis zurückgekehrt. Bezahlt haben die Patienten bis zum dritten Piks nichts. Denn die Corona-Impfung wird vom Bund übernommen. Doch im neuen Jahr folgt die böse Überraschung: Plötzlich flattern bei den Patientinnen und Patienten Rechnungen ins Haus. Die Praxis will Geld – für alle drei Impfungen zusammen verlangt der Hausarzt zwischen 150 und 200 Franken. Blick liegt eine verschickte Rechnung vor.

«Ich ging davon aus, dass es sich um einen Fehler handelte, und rief die Praxis an», erzählt Sabrina L.* Als sie den Arzt freundlich auf das Missgeschick hingewiesen habe, fiel er ihr ins Wort. «Er sagte, dass die Impfung für ihn ein grosser Aufwand war und ich die erste von 220 Patienten sei, die sich nun über die Rechnung beschwere», sagt L.

Auch die Ehefrau von Reto S.* hat im Januar eine Rechnung für drei Corona-Impfungen erhalten. Seine Aussagen decken sich mit jenen von L. «Am Telefon kam ich nicht zu Wort. Die Aussage des Arzts war, dass er einen riesigen Aufwand hatte, um über 200 Personen zu impfen, und ich der Einzige sei, der reklamiere wegen der Rechnung.»

Weder L. noch S. wollen ihre Namen in der Zeitung lesen. Zu gross ist ihre Angst vor Repressalien durch die Praxis und die Corona-Skeptiker im Dorf.

Die Masche des Hausarzts

In den Fällen von L. und S. hat der Arzt nach einem langen Telefonat nachgegeben und die Rechnungen storniert. Die Sache war damit aber noch nicht gegessen. Beide haben seither Hausverbot. «Er hat mir klar gesagt, dass ich nicht mehr bei ihm auftauchen solle und mir einen anderen Hausarzt suchen müsse», sagt L.

Ein Blick auf die Abrechnung, die L. von der Praxis erhalten hat, zeigt: Der Arzt hat der Frau für die erste Impfung eine «Konsultation» und für alle drei Impfungen eine «Betreuung» und «Überwachung» in Rechnung gestellt. «Dabei hatte ich vor dem ersten Piks im Sommer 2021 nur ein kurzes, standardisiertes Gespräch mit ihm, wo er mir allgemeine Fragen zu Vorerkrankungen gestellt hat», sagt L.

Nach der ersten Impfung sei sie alleine zehn Minuten ins Wartezimmer gesetzt worden. Ein üblicher Vorgang, der vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) empfohlen wird, um mögliche Nebenwirkungen festzustellen. «Ich war ganz alleine, niemand hat mich speziell überwacht», sagt sie. «Und beim zweiten und dritten Termin entliess man mich nach dem Piks jeweils sofort – ohne Überwachung.»

Zürcher Gesundheitsdirektion ermittelt

Der Verdacht steht im Raum, dass der Arzt mit dieser Masche Hunderte Rechnungen für Corona-Impfungen doppelt abgerechnet hat. L. und S. haben ihre Krankenkassen informiert. «Die Sache wurde der Fachstelle übergeben, da man davon ausgeht, dass der Arzt allen Geimpften eine Rechnung geschickt hat», sagt S.

Auskünfte zum Fall können die Krankenkassen aufgrund des Datenschutzes nicht erteilen. Anders die Gesundheitsdirektion (GD) des Kantons Zürich. Die Behörde hat Ermittlungen gegen die Praxis des Hausarzts eingeleitet, wie sie auf Blick-Anfrage bestätigt. Man habe im Zusammenhang mit der Praxis sechs entsprechende Hinweise aus der Bevölkerung erhalten. «Diese werden wir mit der gebotenen Sorgfalt abklären.»

Diese Massnahmen drohen dem Arzt

Für den Hausarzt gilt die Unschuldsvermutung. Wenn er tatsächlich systematisch unrechtmässig Impfungen in Rechnung gestellt hat, kann die Gesundheitsdirektion dies als Verletzung der Berufspflicht qualifizieren.

«In diesem Fall kann die Gesundheitsdirektion im Rahmen eines aufsichtsrechtlichen Verfahrens Disziplinarmassnahmen ergreifen (Verwarnung, Verweis, Busse), bis hin zum Entzug der Berufsausübungsbewilligung», teilt die Behörde mit. Daneben seien auch Strafanzeigen möglich.

Hausarzt schmeisst Blick aus Praxis

Auch Sabrina L. hat von der Gesundheitsdirektion eine Antwort erhalten. «Wir können Sie informieren, dass die Covid-19-lmpfung sowie das Ausstellen des Covid-19-Zertifikats für Patientinnen und Patienten grundsätzlich gratis ist», schreibt die Behörde in einem E-Mail. Und weiter: «Wir werden die Praxis diesbezüglich zur Stellungnahme sowie zur Rückerstattung von allenfalls unrechtmässig verrechneter Kosten auffordern.»

Der Hausarzt selbst ist auf Tauchstation gegangen. Er liess sämtliche Blick-Anfragen unbeantwortet. In seiner Praxis nahm auch während den Öffnungszeiten niemand das Telefon ab. Als Blick ihn am Donnerstagnachmittag vor Ort darauf anspricht, reagiert er wütend. «Ich äussere mich zu diesem Fall nicht», sagt er.

Sabrina L. und Reto S. sind froh, dass jetzt die Behörden aktiv werden. «Die Impfung ist eine gute Sache, sie sollte aber wirklich für alle wie versprochen auch gratis sein», sagt L. Sie glaubt, dass viele Patientinnen und Patienten die Rechnung bezahlt haben. «Wenn man die Abrechnungen nicht genau kontrolliert, dann ist das Geld schnell überwiesen.» L. hofft, dass die Geschädigten das Geld nun zurückerhalten.

* Namen von der Redaktion geändert

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