Acht Milliarden Franken. So viel geben Schweizer Einkaufstouristen im Ausland aus. Sie shoppen günstige Lebensmittel bei Edeka, besorgen sich das Duschgel bei Hofer oder kaufen die Vitamintabletten bei DM.
Über Jahre zeigte der Trend ungebrochen nach oben. Bis zum Lockdown im Frühjahr. Bis zur Schliessung der Grenzen. Bis die Behörden mit aller Macht versucht haben, die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Das Resultat: Zwei Milliarden Franken bleiben in der Schweiz. Das schätzen die Ökonomen der Grossbank Credit Suisse in ihrem jährlichen Rückblick auf den Detailhandel.
Die Besorgung täglicher Güter jenseits der Landesgrenzen sei nach der Grenzöffnung im Juni zwar «schnell wieder auf ihr Vor-Corona-Niveau angestiegen. Aber unterm Strich bleibt trotzdem ein markanter Rückgang im Vergleich zum Vorjahr. Hauptprofiteure seien die Lebensmittelhändler, schreiben die CS-Ökonomen in ihrer Studie «Retail Outlook 2021».
Loch im Kleidermarkt
Der Lockdown eliminiert die Konkurrenz für die Händler. Und sorgte für Hamsterkäufe. Beides füllte die Kassen von Migros, Coop und anderen Anbietern. Gleichzeitig kam es zu einem historischen Einbruch beim Verkauf von Kleidern und Schuhen. Während des Lockdowns und auch danach. «Einzig das Bekleidungs- und Schuhsegment konnte nach der Aufhebung der Restriktionen Mitte Mai nicht wieder an Fahrt gewinnen», so die Experten der Credit Suisse.
«Von dem in den anderen Segmenten beobachteten Nachholkonsum hat der Bekleidungs- und Schuhhandel auch nach der Wiedereröffnung nicht profitieren können. Von Mai bis Oktober hat er jeweils ein Umsatzminus von 5 bis 7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verbucht.»
Die Gründe dafür seien vielfältig. «Einerseits dürften einige der Online-Neukunden auch nach dem Lockdown vermehrt auf diesen Kanal zurückgreifen. Andererseits fällt der Bedarf an Abend- und Eventgarderobe durch die Absage vieler Anlässe geringer aus. Auch die Nachfrage nach tendenziell eher teurer Bürobekleidung dürfte infolge des verbreiteteren Homeoffice abgenommen haben», heisst es in der Studie.
Selbst der Online-Gigant Zalando soll ein Umsatzminus in der Schweiz verzeichnet haben, schätzt die CS. Die Experten der Grossbank beziffern den Jahresumsatz 2020 auf knapp 750 Millionen Franken. Das sind 150 Millionen weniger als im Vorjahr. Die Schätzung ruht auf den von der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) erfassten Rückfuhren. Dies steht im Gegensatz zum Online-Trend. Die Umsätze im Netz sollen 2020 um 55 Prozent zugelegt haben. Quarantäne, Lockdown und Homeoffice sei Dank.
Langer Weg zur Normalität
Das vermehrte Arbeiten von zu Hause aus macht sich schliesslich auch an anderen Orten bemerkbar. Die Innenstädte blieben zum Teil verwaist. Die Zahl der Fussgänger brach ein. Besonders in Innenstädten ist das ein Problem für jene Geschäfte, die auf Laufkundschaft angewiesen sind.
Laut Berechnungen der CS wird das Vor-Corona-Niveau kaum mehr erreicht. Die Experten der Grossbank gehen davon aus, dass der Homeoffice-Trend weiterhin anhalten wird, auch wenn dereinst die Pandemie unter Kontrolle sein sollte. Unterm Strich erwarten sie bis zu 30 Prozent weniger Leute in den Innenstädten.
Was bedeutet das alles für die Zukunft, für das Jahr 2021? Die Zahl der Arbeitslosen dürfte steigen. Bei den Löhnen wird es wohl eine Nullrunde geben, weil die Firmen sparen. Und die Migration wird sehr wahrscheinlich weiter sinken. Alles lastet auf dem Konsum und sorgt dafür, dass eine Rückkehr zur Normalität noch lange dauert. Aber wenn es soweit ist, wird sich wohl auch der Einkaufstourismus wieder erholen. Die Autos mit Schweizer Kennzeichen werden sich am Samstag wieder am Zoll stauen. (ise)