Eine Branche boomt im Kriegsland
Schweizer Firmen verdienen in Russland mehr denn je!

Die Schweiz fällt bei den Exporten nach Russland völlig aus dem Raster: Während die meisten anderen Länder deutlich weniger Waren nach Russland verkaufen, macht die Schweiz Rekordumsätze. Das sorgt für heftige Kritik.
Publiziert: 27.07.2022 um 12:54 Uhr
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Aktualisiert: 27.07.2022 um 15:32 Uhr
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Schweizer Firmen machen in Russland derzeit mehr Umsatz als vor dem Krieg. Das sorgt für heftige Kritik.
Foto: Shutterstock
Martin Schmidt

Die Schweiz bekommt den Mund einmal mehr nicht voll genug. So zumindest lauten die zahlreichen Vorwürfe in den sozialen Medien, in denen unser Land als «Kriegsgewinner» oder «frei von Moral» verschrien wird.

Ausgelöst wurde die Debatte durch die neusten Exportzahlen: Sie zeigen einen sprunghaften Anstieg der Warenausfuhren von der Schweiz nach Russland. Im Juni stiegen die Exporte gemäss dem Bundesamt für Zoll- und Grenzsicherheit auf 430 Millionen Franken. Das entspricht gegenüber dem Vorjahr einem Anstieg von sage und schreibe 78 Prozent!

Schweiz hebt sich von allen anderen ab

Dabei hat die Schweiz ihre Exporte nach Russland nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs am 24. Februar massiv heruntergefahren – wie viele andere Nationen, die sich den Sanktionen gegen Russland angeschlossen haben. In anderen Ländern sind die Exportzahlen seither aber auf einem tiefen Niveau verharrt oder haben sich nur leicht erholt.

So liegt der Umsatz deutscher Firmen in Russland derzeit immer noch 55 Prozent unter dem Niveau von 2021. Französische Unternehmen machen in Russland gar 70 Prozent weniger Geschäfte. Ganz anders die Schweiz: Die hiesigen Konzerne konnten ihre Exporte nach Russland seit dem Einbruch im März verdreifachen – auf ein neues Rekordniveau!

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«So viel zur Schweizer ‹Neutralität›»

Der Ländervergleich befeuert die Kritiker: «So viel zur Schweizer ‹Neutralität›», schreibt ein Twitter-Nutzer. Ein genauerer Blick auf die Exportstatistiken nimmt den Vorwürfen jedoch die Luft aus den Segeln. Viele Schweizer Firmen haben in Russland erhebliche Umsatzeinbussen erlitten. Zuletzt haben etwa der Schweizer Spezialitätenchemie-Konzern Sika und der Genfer Warenprüfer SGS bekannt gegeben, ihr Russland-Geschäft zurückzufahren.

Auch der Verkauf von elektronischen Waren aus der Schweiz nach Russland ist innerhalb eines Jahres um 64 Prozent eingebrochen. Die Schweizer Uhrenhersteller büssten gar 99 Prozent ihres Umsatzes ein.

Doch dann ist da noch die Pharma-Branche: Ihr Umsatz in Russland ist im Juni gegenüber dem Vorjahr um 262 Prozent auf 326 Millionen Franken angestiegen. Besonders stark zugelegt hätten der Verkauf von Medikamenten und immunologischen Produkten, sagt Donatella Del Vecchio, Sprecherin des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit. Medikamente und andere pharmazeutische Erzeugnisse sind oft unentbehrlich oder gar überlebenswichtig und deswegen von Sanktionen ausgenommen.

Grosser Aufholbedarf in Russland

Weil der Pharma-Anteil am Schweizer Exportkuchen – auch wegen Giganten wie Roche und Novartis – besonders hoch ist, verleitet der Blick auf die Statistik zu falschen Schlüssen. Denn auch ausländische Pharmafirmen machen in Russland derzeit gross Kasse: So setzen deutsche Unternehmen derzeit rund 50 Prozent mehr ab als vor einem Jahr. Dort hat die Pharma-Branche für den Export jedoch eine geringere Bedeutung.

Der Bedarf nach ausländischen Pharma-Produkten in Russland ist gross – und konnte gerade während der Corona-Pandemie nicht gewährleistet werden. Lieferketten-Probleme haben den Import regelrecht einbrechen lassen. Nun besteht Nachholbedarf. In den letzten Monaten sind die Medikamenten-Importe denn auch deutlich nach oben geschnellt.

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