Droht der Schweiz dasselbe?
Investoren ziehen sich in Rekordtempo aus US-Wohnungsmarkt zurück

Hauskäufe durch Investoren fielen in den USA im ersten Quartal so stark wie seit 2000 nicht mehr. Was die Gründe sind und wie es um den Schweizer Wohnungsmarkt steht in der Übersicht.
Publiziert: 03.06.2023 um 11:11 Uhr
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Aktualisiert: 18.01.2024 um 09:09 Uhr
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Hauskäufe von Investoren haben in den USA im vergangenen Jahr massiv abgenommen. Im Bild: das Flatiron Building in New York.
Foto: Getty Images
Manuel Boeck
Cash

Hauskäufe von Immobilieninvestoren fielen im ersten Quartal in den USA um 48,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dies ist der grösste jährliche Rückgang, seit der Immobilienbroker Redfin mit dem Tracking der Datensätze im Jahr 2000 begann, schreibt die Finanznachrichtenplattform Markets Insider.

Der Rückzug dieser Gruppe übertraf den Gesamtrückgang des Marktes von 40,7 Prozent bei den Käufen, da erhöhte Zinssätze sowie sinkende Mieten und Immobilienwerte die Rentabilität beeinträchtigten. Der Abwärtstrend könnte sich auch im zweiten Quartal fortsetzen, da die Kreditaufnahme für Investoren teurer wird. Und da die wirtschaftliche Unsicherheit anhält, prognostiziert Redfin, dass dies einige Anleger dazu veranlassen könnte, in andere Anlageklassen wie Aktien und Anleihen zu investieren.

Schwierige Situation auf dem US-Immobilienmarkt

«Der US-Immobilienmarkt erlebt derzeit beträchtlichen Stress. Erhebliche Preisanstiege während der Covid-Pandemie (teilweise über 50 Prozent), gekoppelt mit einem unsicheren wirtschaftlichen Umfeld und drastisch steigenden Hypothekenzinsen, signalisieren eine unmittelbar bevorstehende Marktkorrektur», sagt Burak Er, Head Research bei Avobis, auf Anfrage von cash.ch.

Die US-Hypothekenzinsen sind im letzten Jahr im Zuge der Zinserhöhungen der Federal Reserve in die Höhe geschnellt und liegen weiterhin auf einem hohen Niveau, wobei der 30-jährige Festzins bei 6,63 Prozent liegt, nachdem er Anfang des Monats über 7 Prozent geklettert war. Obwohl sie häufig Cash verwenden, sind auch Investoren von den höheren Zinsen betroffen, da sie zur Finanzierung von Renovierungen und damit verbundenen Ausgaben auf nicht hypothekarische Darlehen angewiesen sind.

Zur Erinnerung: Während der Pandemie waren die Investoren auf dem US-Wohnungsmarkt aktiv und nutzten die niedrigen Zinsen und die grosse Nachfrage zu ihrem Vorteil. Aber im März wurden 13,5 Prozent der Häuser von Investoren mit einem Verlust verkauft. Beim House-Flipping – Kauf gebrauchter, sanierungsbedürftiger oder heruntergekommener Häuser, um diese nach der Renovierung mit hohem Gewinn wieder zu veräussern – liegt der Anteil bei 20,8 Prozent.

Die schwierige Situation auf dem US-Immobilienmarkt wird laut Er durch eine strenge Kreditvergabepraxis der Banken verstärkt, welche die Refinanzierungsmöglichkeiten einschränkt. Des Weiteren werde zunehmend vor hohen Risiken im kommerziellen Immobiliensektor gewarnt, die Bedenken hinsichtlich einer potenziellen Ansteckungsgefahr aufwerfen. Im Gegensatz dazu seien solche Effekte in der Schweiz deutlich weniger ausgeprägt oder gar nicht vorhanden.

Ursina Kubli, Leiterin Immobilienanalyse bei der Zürcher Kantonalbank, nennt vier Gründe, warum, sich die derzeitigen Entwicklungen am US-Markt nicht so rasch auf die Schweiz übertragen werden: Erstens befinden sich die Schweizer Zinsen auf tieferem Niveau als in den USA. Zweitens haben viele Immobilienbesitzer noch immer in langfristige, also noch günstige Hypothekarverträge. Drittens ist der Schweizer Immobilienmarkt weniger liquide als in den USA. Gerade an guten Lagen halten Immobilienbesitzer daher eher an den Objekten fest. Viertens wird in der Schweiz das Angebot am Mietwohnungsmarkt immer knapper. Damit ist das Leerstandsrisiko gering, während die Mieten steigen und Immobilienbesitzer sind somit in einer hervorragenden Situation.

Artikel von «Cash.ch»

Dieser Artikel wurde erstmals auf «Cash.ch» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.cash.ch.

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Investorenverhalten hat sich auch in der Schweiz verändert

Doch auch im Schweizer Wohnungsmarkt zeigt sich seit 2022 eine signifikante Veränderung im Investorenverhalten, die sich in den letzten Monaten fortgesetzt hat. «Ein steigendes Zinsumfeld hat eine erhöhte Vorsicht der Investoren provoziert, wobei eine auffallende Diskrepanz zwischen den Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern besteht», sagt Er. Diese Veränderung lasse sich anhand zweier Schlüsselindikatoren erkennen: erhöhte Ankaufsrenditen, die seit der zweiten Jahreshälfte 2022 aufgetreten sind und ein rückläufiges Liquiditätsniveau.

Zudem wird der Markt durch eine bemerkenswerte Verschiebung im Immobilienangebot charakterisiert. «Eine wachsende Zahl von Immobilien mit Nachhaltigkeitsdefiziten tritt in den Markt ein, während hochwertige Immobilien weiterhin Mangelware sind. Liegenschaften, die schwer zu sanieren oder nicht sanierungsfähig sind, laufen Gefahr, zu sogenannt ‹stranded assets› zu werden, was zu erheblichen Preisabschlägen führen kann», warnt der Head Research von Avobis.

«Das höhere Zinsumfeld führt zu einem selektiveren Verhalten am Transaktionsmarkt. Die sogenannten Perlen befinden sich kaum auf dem Verkaufsmarkt», sagt auch Kubli auf Anfrage von cash.ch. Eher kleinere Renditeliegenschaften an peripheren Lagen mit schlechtem ESG-Rating kommen hingegen auf den Markt. Derzeit befänden sich die Preise von Renditeliegenschaften in einer Korrekturphase, welche aber zumindest teilweise auch durch die schlechtere Qualität zustande komme.

«Zinserhöhungen könnten Problem verstärken»

Darüber hinaus spüren nun auch Saron-HypothekarnehmerInnen durch die Abflachung der Zinskurve den vollen Zinsanstieg, was in einigen Portfolios das Liquiditätsproblem verstärkt. Dies liegt laut Er daran, dass die Anpassungen der Mietzinsen nicht im Gleichschritt mit den steigenden Finanzierungskosten stattfinden. Als Reaktion auf diese Unsicherheiten verkauften Investoren unter Umständen gezielt Immobilien zur Liquiditätssicherung und passten ihre Fremdfinanzierungsquoten an. «Weitere Zinserhöhungen könnten dieses Problem verstärken, jedoch werden bevorstehende Anpassungen des hypothekarischen Referenzzinssatzes jetzt Erhöhungen der Bestandsmieten erlauben. Dies dürfte einen positiven Einfluss auf die Liquiditätslage haben», so Er weiter.

Droht also in der Schweiz also trotzdem eine ähnliche Entwicklung wie in den USA? Im Grundsatz deuten die vorteilhaften makroökonomischen Bedingungen – starke Zuwanderung, abnehmende Bautätigkeit oder sinkender Leerstand – auf eine langfristig positive Perspektive für den Wohnungsmarkt hin. Aber kurzfristig können laut Er allgemeine Unsicherheiten und erschwerte Finanzierungsbedingungen zu Marktvolatilität und letztlich zu Preiskorrekturen führen.

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