Droht auch der Schweiz Gefahr?
US-Immobilienkrise trifft auch europäische Banken

Der Markt für US-Büroimmobilien ist ein Pulverfass, das für die ganze Weltwirtschaft eine Gefahr darstellt. Immer mehr Banken in Europa müssen mit grösseren Abschreibern rechnen. Hätte ein Bankenbeben auch Folgen für die Schweiz?
Publiziert: 17.02.2024 um 13:32 Uhr
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Aktualisiert: 18.02.2024 um 09:11 Uhr
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Im Frühjahr 2023 ging in den USA die Silicon Valley Bank Konkurs.
Foto: keystone-sda.ch
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

War das Bankenbeben im vergangenen Jahr nur der Vorbote? 2023 sind in den USA die Silicon Valley Bank sowie die Signature Bank kollabiert. Die First Republic Bank und die Schweizer Credit Suisse mussten beide in Nacht- und Nebelaktionen gerettet werden.

Nach Ansicht mehrerer Experten könnten neuerliche Erschütterungen aber noch deutlich mehr Finanzhäuser in den Abgrund reissen. Wie bei der Subprime-Krise 2007 geht die Gefahr erneut von den USA aus. Damals lösten Ramsch-Kredite auf dem US-Häusermarkt eine globale Wirtschaftskrise aus. Dieses Mal geht die Gefahr vom US-Markt für Büroimmobilien aus, wie die «Schweiz am Wochenende» berichtet.

Aktienkurs um fast 50 Prozent eingebrochen

Die Situation bei einigen Banken hat die Behörden bereits aufgeschreckt: So hat die Deutsche Pfandbriefbank in den USA umfassende Kredite für Büroimmobilien vergeben. Im 4. Quartal 2023 rutschte die Bank deshalb gar in die roten Zahlen. Seit Wochen wetten immer mehr Investoren auf einen fallenden Aktienkurs des Finanzinstituts. Der Kurs ist um beinahe 50 Prozent eingebrochen.

Die deutsche Finanzaufsicht Bafin beobachtet die Lage genau. «Die Bafin hat die aktuellen Marktentwicklungen im Blick und berücksichtigt sie im Rahmen ihrer laufenden Aufsicht», sagte ein Bafin-Sprecher Anfang Woche zum «Handelsblatt».

Bafin: Einzelne könnten in Schwierigkeiten geraten

Auch andere deutsche Finanzhäuser haben umfassende Kredite vergeben: Die Deutsche Bank hat Kredite über 17 Milliarden Euro für US-Gewerbeimmobilien vergeben, davon 41 Prozent für Büroimmobilien. Zahlen von Bloomberg zeigen, dass weitere Kredite über 180 Milliarden Euro bei LBBW, NordLB, BayernLB und Helaba in den Büchern stecken.

Grund zur Panik besteht deshalb gemäss Benjamin Heinrich jedoch nicht. «Gewerbliche Immobilien sind für einige deutsche Banken ein Risikofaktor – aber überwiegend für die Profitabilität und weniger für das Kapital. Sie definieren daher kein systemisches Risiko», sagt der Direktor bei S&P Global Ratings zum «Handelsblatt».

Beim Bafin wird die Lage prekärer eingeschätzt. «Stark spezialisierte Geschäftsmodelle oder eine schlechte Auswahl von Objekten durch die Banken könnten sogar einzelne Institute in Schwierigkeiten bringen», heisst es dort. Die deutschen Finanzinstitute müssen auch mit grösseren Abschreibern auf dem heimischen Markt für Büroimmobilien rechnen. Deren Wert brach im vergangenen Jahr um 12,1 Prozent ein.

Der perfekte Gift-Cocktail

In den USA ist das Problem noch deutlich gravierender: Zu Beginn des Jahres 2022 waren die Bürogebäude beinahe dreimal höher bewertet als noch zwei Jahrzehnte zuvor. Dann stiegen die Leitzinsen innerhalb von sechs Monaten um fünf Prozentpunkte und läuteten das Ende des Betongoldes ein. Investoren zügelten ihr Geld zu anderen Anlagen ab.

Die Corona-Pandemie machte den Gift-Cocktail perfekt. Viele Büroangestellte arbeiten seither im Homeoffice. Die Leerstände im Markt für Büroimmobilien schossen in die Höhe und erreichen in einigen US-Städten nach wie vor einen Anteil von 20 bis 30 Prozent. Die Preise für Bürogebäude purzelten, genauso wie der Flächenumsatz.

2024 könnte es für die Immobilienbranche nun besonders prekär werden. Viele Konzerne müssen auslaufende Kredite zu mehr als doppelt so hohen Zinsen erneuern. Es geht gemäss einer Studie des National Bureau of Economic Research um ein Volumen von 544 Milliarden Dollar. Die Banken müssten jedoch in vielen Fällen abwinken. Bei 45 Prozent der Immobilien übertreffen die Kredite den Wert der Immobilien.

2400 US-Banken könnten Probleme kriegen

Durch die Krise bei den Büroimmobilien könnten bei den Banken 10 bis 20 Prozent der Kredite in Zahlungsverzug geraten. Die Studienautoren gehen von möglichen Ausfällen von 80 bis 160 Milliarden Dollar aus. Die Banken könnten gezwungen sein, einen Teil ihrer Anleihen zu tiefen Preisen zu verkaufen. Dann wären die Verluste auf diesen plötzlich real. Bei einem Verkauf droht der Hälfte der US-Banken, also rund 2400 Banken, die Insolvenz.

Diese Gefahr wirkt sich bereits auf zahlreiche Banken aus, die stark mit US-Büroimmobilien geschäften: So ist der Aktienkurs der US-Bank NYCB massiv eingebrochen. Die japanische Bank Aozora musste gemäss «Schweiz am Wochenende» seit 15 Jahren erstmals einen Verlust vermelden. Auch in Skandinavien sind viele Banken in das Geschäft mit US-Gewerbeimmobilien involviert.

Notenbanken gefordert

Von den Schweizer Finanzinstituten ist diesbezüglich derzeit noch nichts zu hören. Sollten weltweit Finanzhäuser in Schwierigkeiten geraten, wäre das Beben jedoch bis in die Schweiz spürbar. Denn die hiesigen Banken und Institute aus den USA und andernorts stellen einander Liquidität zur Verfügung, die im Insolvenzfall nicht zurückgezahlt würden – was zu grossen Verlusten bei den europäischen und Schweizer Banken führen könnte.

Die Notenbanken sind entsprechend gefordert. Senken sie die Leitzinsen rechtzeitig, könnten sie die heikle Situation entschärfen. Bei einem möglichen Bank Run müssten sie erneut rasch Massnahmen ergreifen, damit das Vertrauen der Kunden wiederhergestellt wird.

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