Drogeriemärkte sind in Deutschland seit Jahren ein beliebtes Handelsformat. Spitzenreiter dieser Kategorie sind die DM-Drogeriemärkte, die im grenznahen Süddeutschland Scharen von Schweizer Einkaufstouristen und -touristinnen anziehen.
Was macht DM in Deutschland und 13 weiteren Ländern so beliebt und begehrt? Ist es nur der tiefe Preis – oder ist da mehr? Darüber hat die «Handelszeitung» am DM-Hauptsitz in Karlsruhe mit Christoph Werner gesprochen. Der Gründersohn und DM-Chef sagt, was er über den Mibelle-Verkauf der Migros denkt, wie wichtig die Schweizer Kundschaft ist und weshalb es bei DM keine Rabatte gibt. Und kein Cannabis.
Herr Werner, in den DM-Drogeriemärkten gibt es weder Alkohol noch Tabak …
Christoph Werner: Tatsächlich, das Härteste, was Sie bei uns bekommen, ist Klosterfrau Melissengeist.
Diese freiwillige Sortimentsbeschränkung erinnert uns an die Migros. Hat sich DM von Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler inspirieren lassen?
Das hat nichts mit der Migros zu tun. Sondern es folgt einer ganz einfachen Fragestellung im Einzelhandel.
Welcher Fragestellung?
Wofür können wir die verfügbare Fläche am besten nutzen, um uns zu profilieren? In der Realität bedeutet das dann, dass man vor allem verzichten können muss.
Der Verzicht auf Alkohol und Tabak folgt also nicht einem moralischen Kompass?
Er erfolgt aus Platzgründen, weil die Fläche in den Läden nun mal beschränkt ist. Kommt dazu: Alkohol und Tabak gehören unserer Meinung nach nicht zu den richtigen Artikeln, mit denen wir Kundinnen und Kunden deutlich machen können, wofür wir stehen und wofür wir als Drogeriemarkt kompetent sind. Was dann praktisch bedeutet: Wir setzen auf Sortimentstiefe – nicht auf Sortimentsbreite.
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Wofür soll Sie Ihre Kundschaft tief lieben?
Für fünf Bereiche oder Kernepisoden, wie wir das nennen: Schönheit, Haushalt, Baby, Gesundheit und Dienstleistungen rund um Fotos. Profilierung entsteht durch Weglassen. Dazu gibt es eine Anekdote von Michelangelo, die es gut trifft. Als man ihn fragte, wie er es denn schaffe, aus Marmorblöcken so tolle Skulpturen zu hauen, soll er gesagt haben: «Ganz einfach – alles, was nicht dazugehört, muss man weglassen.»
Speziell an Ihrer Profilierung ist auch das Weglassen von Rabattaktionen. Warum gibt es bei DM keine Discounts?
Profilierung bezieht sich nicht immer nur auf das, was es nicht gibt. Sondern auch auf das, was es tatsächlich gibt. Und das ist bei uns der günstige Dauerpreis. Damit bieten wir unseren Kundinnen und Kunden Verlässlichkeit. Sie können dann einkaufen, wenn es gerade zu ihrem Leben passt. Sie müssen nicht warten, bis es eventuell mal einen Rabatt gibt. Und sie müssen sich nicht bevorraten, bis das Produkt irgendwann mal wieder in Aktion ist.
Trotzdem: Jeder Händler weiss doch, dass Kundinnen und Kunden von Rabatten getriggert werden.
Kann schon sein. Wir sind mit unserem Konzept aber immerhin Marktführer geworden. Die Empirie beweist, dass ein verlässlicher günstiger Dauerpreis für viele Kundinnen und Kunden sehr attraktiv ist. Und unsere Zahlen zeigen, dass uns das einen grösseren Anteil an Stammkundschaft sowie gefülltere Warenkörbe bringt.
Wer Rabatte gibt, war vorher zu teuer?
Sicherlich kennen Sie die volkstümliche Redewendung: «Rabatt, Rabatt, das lass dir sagen, wird vorher immer draufgeschlagen.» Letzten Endes ist es immer eine Frage der Mischkalkulation. Jeder muss den Deckungsbeitrag erwirtschaften, den er braucht, um sein Geschäft betreiben und entwickeln zu können.
Braucht es nicht sehr starke Nerven, wenn man Produkte, die schlecht laufen, nicht mit Rabatt verkaufen kann, um so das Lager zu leeren?
Ausverkaufsrabatte zur Liquidation von nicht länger geführtem Warenbestand können natürlich sinnvoll sein. Rabatte als primäres Marketinginstrument halte ich betriebswirtschaftlich jedoch für keine gute Idee. Rabattierte Sonderangebote sind für Händler warenwirtschaftlich halt extrem teuer.
Warum das?
Die Logistik wird im Handel erst dann richtig produktiv, wenn man Spitzen glätten und mit guten Prognosewerkzeugen eine optimale Auslastung der Kapazitäten erreichen kann. Wenn man plötzlich riesige Mengen bewegt und damit den Geschmack der Kundschaft nicht optimal trifft, wird man in den Läden Überbestände haben, die viel Arbeit machen.
Ihr Sortiment von rund 18’000 Artikeln lebt stark vom Mix aus Eigenmarken und Markenartikeln. Wie teilt sich das in etwa auf?
Das hängt stark von der jeweiligen Kategorie ab. Über das ganze Sortiment gesehen liegen wir mit unseren eigenen DM-Marken mengenmässig bei 53 Prozent.
Eine der sehr beliebten DM-Eigenmarken ist Balea, bekannt für Duschgels, Seifen, Deos und vieles mehr. Bekannt ist auch, dass viele der insgesamt 480 verschiedenen Balea-Produkte von der Migros-Industrietochter Mibelle hergestellt werden. Wie viele sind es genau?
Das kann ich Ihnen so nicht sagen. Was ich sagen kann: Der Anteil ist bedeutsam; Mibelle ist einer unserer ganz grossen Herstellungspartner.
Mibelle steht zum Verkauf. Haben Sie schon ein Gebot abgegeben?
Nein.
Warum nicht? Mit einem Kauf der Mibelle hätten Sie quasi die Balea-Fabrik im eigenen Haus.
Eine Übernahme von Mibelle kommt für uns nicht infrage, weil wir bei DM nicht vertikal integrieren wollen. Wir konzentrieren uns auf das, was wir gut können: Marketing und Vertrieb.
Kann es für Sie eine Bedrohung sein, wenn Mibelle bald zu einer Firma gehören sollte, mit der Sie nicht gut stehen, und Ihre Balea-Lieferungen nicht mehr garantiert sind?
Es kann zu einer nochmaligen Verbesserung kommen oder auch zu einer Verschlechterung. Das werden wir dann sehen. Wovon wir aber ausgehen können: Wir sind ein grosser Mibelle-Kunde. Selbst wenn Mibelle jetzt von jemandem übernommen wird, der sie strategisch ganz anders aufstellen möchte – von heute auf morgen wird auch dieser neue Eigentümer das Balea-Geschäft nicht einstellen wollen. Bisher war die Mibelle eine sehr leistungsfähige Partnerin, mit der wir konstruktiv und innovativ zusammengearbeitet haben. Ich persönlich habe es mit grossem Bedauern zur Kenntnis genommen, als die Migros die Mibelle ins Schaufenster gestellt hat.
Wie zentral ist DM aufgestellt? Können einzelne Ladenchefs oder Regionalleiter eigene Ideen einbringen – oder heisst es einfach: Karlsruhe regiert?
Nein, bei uns heisst es: Karlsruhe unterstützt.
Bei manchen Unternehmen ist «unterstützen» einfach ein anderes Wort für «regieren».
Bei uns nicht. Es ist kein Zufall, dass auf dem Rücken der Arbeitsbekleidung unserer Mitarbeitenden in den Läden «Wir machen den Unterschied» steht. Das gelingt dann, wenn wir gewisse Themen wie nationales Marketing, Sortiment und Kassensysteme zentral für alle gleich machen, dabei Skaleneffekte ausnutzen können – und so mehr Zeit bleibt für Individualität vor Ort.
Sind die Preise bei DM überall die gleichen?
Das muss nicht so sein.
Im Schweizer Grenzgebiet kostet das Balea-Duschgel mehr als in Flensburg?
So pauschal würde ich das nicht sagen. Jeder Filialleiter hat eine gewisse Freiheit bei den Preisen. Er kann sie zwar nicht erhöhen über die Marke, die zentral festgelegt wurde, aber er kann sie nach eigenem Ermessen senken. Filialleiterinnen können zudem Produkte, die schon sechs Monate im Regal liegen und nicht gut laufen, wieder auslisten. Sie haben auch gewisse Freiheiten bei der Einrichtung des Ladenlayouts.
Wer ist in Ihrem Heimmarkt Deutschland der stärkste Wettbewerber? Eher das Drogeriemarktduo Rossmann und Müller oder eher das Tandem Aldi und Lidl?
Als härteste Konkurrenz sehe ich die Lebensmittelmärkte und die Onlineanbieter.
Also neben den Onlineanbietern vor allem die Läden von Rewe und Edeka?
Zum Beispiel.
Warum?
Lebensmittelmärkte sind One-Stop-Shopping-Anbieter. Die Einkaufsfrequenz ist bei den Lebensmittelhändlern sehr viel höher als bei Drogeriemärkten. Es ist für die Konsumentinnen und Konsumenten nun mal weniger aufwendig, bei einem einzigen Gang in einen Laden gleich alles mitzunehmen, was sie brauchen.
Wie sehr spüren sie die Attacke des niederländischen Non-Food-Discounters Action, der bald auch in der Schweiz startet?
Jede Mücke sticht. Aber wir sind sicher nicht der Hauptmitbewerber. Action hat eine Sortimentsbreite, die man früher in Warenhäusern sah, die es heute immer weniger gibt. Damit hat er eine wichtige Funktion im Markt, die offensichtlich ankommt. Als eine Art Sonderpostenmarkt mit geringer Sortimentstiefe bietet Action bei der Auswahl jedoch nicht jene Verlässlichkeit, die die Kundschaft bei DM schätzt.
Action hat in ganz Europa einen starken Lauf. Das spüren Sie gar nicht?
Verlässlichkeit ist für viele unserer Kundinnen und Kunden sehr wichtig. Wer etwas Bestimmtes für seine Haare sucht, wird wahrscheinlich nicht zu Action gehen, sondern eher zum Drogeriefachmarkt.
Ihr Ziel ist demnach, das Sortiment konstant zu halten?
Letzten Endes verkaufen wir Kategoriekompetenz. Wir haben gute Arbeit geleistet, wenn Sie sagen: «Was ich brauche, führt DM – und was DM nicht führt, brauche ich auch nicht.» Die Aufgabe des Handels ist, Komplexität für die Kundschaft rauszunehmen und zu verbilligen. Wir machen eine relevante Vorauswahl für Sie, aus der Sie dann den für Sie passenden Artikel auswählen können.
Im Onlinebereich ist dann wohl Amazon der grösste Konkurrent?
Das ist so. Der grosse Unterschied zwischen Offline und Online: Der Offlinemarkt ist sehr transparent und wird von Marktforschenden sehr gut abgebildet. Der Onlinemarkt ist sehr viel intransparenter.
Das Ladenformat des Drogeriemarkts ist aus Schweizer Sicht eher ungewöhnlich. Weil die Sortimente je nach Unternehmen teils weit über Drogeriewaren hinausgehen, bis hin zu Kaffee, Tee, Mehl, Schreibwaren oder Spielwaren. Werden wir bald schon Smartphones und Molkereiwaren sehen im Drogeriemarkt?
Eher nicht, weil das Profil wichtig und der Platz ja nicht endlos ist. Kommt dazu: Je mehr Läden man hat, desto schwieriger wird die Umstellung. Nahrungsmittel, zu Beginn vor allem diätische, gab es schon immer in den Drogerien, und daraus wuchs dann das Angebot. In unserem Fall war es so, dass wir in den 1980er-Jahren das Problem hatten, dass die Lieferanten von Reformhäusern uns als Discountanbieter nicht mit ihren Produkten beliefern wollten. Da haben wir dann auf eigene Faust mit Bioprodukten begonnen. Heute sind auch vegane Angebote wichtig sowie laktosefreie und glutenfreie Lebensmittel.
Sie nehmen immer mehr Lebensmittel ins Angebot, um selber auch zum One-Stop-Laden zu werden?
So ist es nicht. Wir ziehen auch klare Trennlinien, etwa bei Bio und bei der Kühlung. Letzteres vor allem aus Platzgründen. Wer ins Thema Kühlung einsteigt, braucht in den Lagern und in den Läden sehr viel mehr Zusatzfläche und muss zudem immer besorgt sein, die Kühlkette sicherzustellen.
Wie wichtig sind Schweizer Kunden und Kundinnen in Ihren grenznahen Filialen?
In den grenznahen Gebieten bringt die Schweizer Kundschaft viel Kaufkraft in die Gemeinden. Ökonomisch sind die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten dort enorm wichtig. Interessant auch: In einer Stadt wie Konstanz gibt es praktisch keine Ladenleerstände …
… Und wenn es welche gäbe, würden Sie die Regale füllen …
… Vielleicht, wobei wir gerade in Konstanz schon sehr gut vertreten sind. Was ebenfalls auffällt in Grenzgebieten: Die eher kleinen Städte dort bieten eine sonst deutschlandweit unüblich hohe Dichte und Auswahl an verschiedensten Einzelhändlern. Das ist in Süddeutschland eindeutig auch der Schweizer Kundschaft zuzuschreiben, die dort mit ihrer Kaufkraft auftritt und so den Einzelhandel aufblühen lässt.
Welcher Teil Ihrer grenznahen Umsätze stammt von Schweizer Kundschaft?
Genaue Zahlen dazu habe ich nicht. Aber als es während der Pandemie zu Grenzschliessungen kam, konnte man den Effekt klar sehen: Die Drogeriemärkte konnten offen bleiben, und so wurde für einmal erlebbar, wie das wäre, wenn die Schweizer Kundinnen und Kunden nie mehr kämen.
Was haben Sie da gesehen?
Umsatzrückgänge von 60 bis 70 Prozent.
Lässt den Rückschluss zu, dass die Schweizer Kundschaft in Ihren grenznahen Filialen für einen Umsatzanteil von 60 bis 70 Prozent steht?
Das kann ich so nicht sagen, weil während der Pandemie wohl auch die lokale Bevölkerung ihre Shoppingaktivität eingeschränkt hat. Aber ja, die Pandemie hat die starke Abhängigkeit des Handels von Schweizer Konsumenten und Konsumentinnen im Grenzgebiet ganz klar aufgezeigt.
Richten Sie Ihre Sortimente in den grenznahen Läden nach Schweizer Vorlieben ein?
Die Sortimente passen wir nicht speziell an, aber die Ladenflächen sind im Grenzgebiet recht gross, damit wir etwas grössere Mengen als üblich anbieten können und damit der Warenbestand reicht bis zur nächsten Belieferung. Ansonsten sehen wir auch in Konstanz und Umgebung bezüglich Absatzmengen die gleichen Topprodukte: Toilettenpapier, Haushaltpapier, Feuchttücher, Windeln.
Sind es vor allem die tieferen Preise, die die Schweizerinnen und Schweizer in Scharen anziehen?
Es sind drei Faktoren: der nominale Preisunterschied, die Stärke des Schweizer Frankens und die Befreiung von der Mehrwertsteuer. Selbst wenn einer oder zwei Vorteile wegfallen sollten, wäre es für die Schweizer Kundschaft immer noch sehr attraktiv, in unsere süddeutschen DM-Läden zu kommen.
Haben Sie oder Ihr Vater je daran gedacht, mit DM in die Schweiz zu expandieren?
Meines Wissens wurde das vor sehr langer Zeit, vor meiner operativen Rolle bei DM, einmal geprüft.
Und offenbar abgelehnt. Weshalb?
Es ist immer eine Frage der Priorisierung. Man kann nicht alles auf einmal machen, sondern muss die Aufgaben in eine sinnvolle Reihenfolge bringen. Da gab es andere Dinge, die dringender waren.
Sie sind seit bald fünf Jahren Chef von DM. Ist die Schweiz-Expansion für Sie ein Thema?
Das haben wir bisher nicht vor.
Vielleicht aus diesem Kalkül: Wir müssen gar nicht in die Schweiz – die Schweizer kommen ja zu uns.
Grundsätzlich müssen wir gar nichts. Wichtig ist mir, dass wir im Unternehmen nicht zu viele Baustellen haben. Wir sind heute schon in 14 Ländern tätig. Selbst wenn wir in die Schweiz expandierten, würde das nicht von allein laufen; wir müssten das aufbauen und uns anfangs wohl auf eine Durststrecke einstellen, bis wir genügend Standorte hätten, die gut funktionieren.
Die Schweiz-Expansion ist also überhaupt kein Thema für Sie? Nie und nimmer?
Ich sage niemals nie. Wer etwas total ausschliesst in Zeiten von permanenter Veränderung, der schränkt sich ohne Notwendigkeit ein. Wenn ich in der Schweiz bin, habe ich allerdings auch nicht den Eindruck, dass da ein Notstand herrscht mit Blick auf Körperhygiene, Gepflegtheit und Sauberkeit, oder?
Aber es scheint eine Begeisterung zu geben für Drogerieprodukte zu tiefen Preisen.
Die Frage ist dann halt, welchen Preis man in der Schweiz anbieten kann. Ich bin sehr gespannt darauf, die Preise unserer Konkurrenzen zu vergleichen, die in die Schweiz gehen.
Ihr Konkurrent Raoul Rossmann hat uns gesagt: So günstig wie in Deutschland geht das nicht.
Klar, denn die Mieten und die Löhne sind höher in der Schweiz. Wenn dadurch auch die Preise höher sind, muss man sich schon auch fragen: Tut das dem Image gut? Ich bin immer froh, wenn jemand anderes das ausprobiert.
DM-Eigenmarken sind in der Schweiz heute schon online auf Galaxus.ch verfügbar. Planen Sie weiter Kooperationen?
Ja, und dies ganz aktuell: Ab Ende August wird Manor rund 150 unserer Produkte anbieten. Dies in den physischen Warenhäusern wie auch online.
Wie zufrieden sind Sie mit dem Geschäftsgang auf Galaxus?
Das läuft relativ geräuschlos. Galaxus ordert die Produkte und setzt die Preise autonom.
Im Vergleich zu Deutschland sind die Preise für DM-Produkte auf Galaxus viel höher. Passt das zu Ihrem Dauertiefpreisimage?
Wir können nichts machen an den Schweizer Preisen …
… aber vielleicht kann Karlsruhe ja unterstützend wirken bei der Preisfindung …
… Wir nehmen das Kartellrecht ernst und mischen uns bei der Schweizer Preissetzung nicht ein. Ich sehe die Sache eigentlich ganz positiv und stelle diese Hypothese auf: Wenn die Schweizer DM-Preise als zu hoch wahrgenommen werden, dann macht das unser Original in Deutschland noch attraktiver. Und dann noch dies: Wenn die Schweizer Kundschaft die DM-Produkte via Galaxus in genügend hoher Zahl kauft, dann trägt sich das Geschäftsmodell. Sollte sie das nicht tun, wird Galaxus wohl irgendwann die Lust an diesem Angebot verlieren.
Rossmann startet per Ende 2024 in der Schweiz. Wenn Ihr Konkurrent Erfolg hat – könnte das dann auch Sie zur Schweiz-Expansion beflügeln?
Wir werden sicher mit Interesse verfolgen, wie sich Rossmann in der Schweiz macht. Im Moment ist da ja noch alles vorstellungsgetrieben. Wie ich bei meinen Store-Checks in der Schweiz gesehen habe, führt Discounter Denner eine Range von Rossmann-Eigenmarken. Meine Spekulation: An den Denner-Abverkaufszahlen hat Rossmann erkannt, dass es sich lohnt, eine eigene Schweiz-Präsenz aufzubauen.
Vermuten wir richtig, dass sich die DM-Produkte auf Galaxus nicht so rasend verkaufen, dass Sie analog Rossmann sofort eine Schweiz-Expansion aufgleisen wollen?
Wenn es so wäre, ist es zumindest nicht bis zu mir vorgedrungen.
Bis anhin gilt für Schweizer Einkaufstouristen und -touristinnen eine Wertfreigrenze von 300 Franken pro Person. Diese soll auf 150 Franken gesenkt werden. Bedroht das Ihr süddeutsches Geschäftsmodell?
Wenn das so kommen würde, dann fiele von den drei Vorteilen, die ich Ihnen genannt habe, nur einer nicht mehr so sehr ins Gewicht wie zuvor. Selbst wenn diese Wertfreigrenze gesenkt werden sollte, wäre es für Schweizer Bürgerinnen und Bürger immer noch sehr attraktiv, zu uns in Süddeutschland einkaufen zu kommen.
Ist der Einkaufstourist ein Arbitrage-Held und Unternehmer seiner selbst – oder ist er ein Landesverräter, der seinem Herkunftsland Umsätze entzieht und so den Ast, auf dem er selber sitzt, ansägt?
Wenn das so wäre, wäre ja auch jede Auslandtouristin eine Landesverräterin. Zum Beispiel jede Schweizerin, die in Österreich Ski fahren geht. Aber im Ernst: Preise bilden sich nach Angebot und Nachfrage. Wenn es sich für einen Schweizer Konsumenten – trotz Zeitaufwand und Fahrkosten – rechnet, im Ausland einzukaufen, dann ist das doch ein Zeichen von Leistungsfähigkeit im deutschen Handel.
Reisen Sie selber auch mal über die Grenze, um sich dort einzudecken?
Ich nehme gerne Rivella mit nach Hause. Ich verstehe übrigens überhaupt nicht, weshalb es auf Swiss-Flügen kein Rivella gibt. Ich bestelle das immer, und dann heisst es: Haben wir nicht.
Landesverrat! Dürfen wir das drucken?
Sehr gerne. Vielleicht ändert sich dann ja etwas.
Was sich offenbar nie ändert: Deutschland hat – trotz zuletzt hoher Inflation – im Vergleich zu anderen Ländern weiterhin ein sehr tiefes Preisniveau. Aus welchem Grund?
Der deutsche Einzelhandel ist von sehr starkem Wettbewerb und starkem Preisbewusstsein der Konsumentinnen und Konsumenten getrieben. Auch deshalb, weil sich hier das Discountprinzip früher als anderswo breitgemacht und damit einen starken Preisdruck erzeugt hat. Wir sehen das auch im Vergleich zu Preisen in Frankreich und den Niederlanden. Manchmal hat man das Gefühl, dass dort irgendjemand das Komma beim Preis verschoben hat.
Ihr Vater hat sich einst als grosser Fan des bedingungslosen Grundeinkommens geoutet. Haben Sie diese Haltung geerbt?
Das bedingungslose Grundeinkommen halte ich für ein zukunftsfähiges Konzept. Im Moment hat es allerdings gerade einen schweren Stand, vor allem in Deutschland. Da wurde gerade das Bürgergeld als neue Grundsicherung eingeführt, und das wird fälschlicherweise von vielen mit einem bedingungslosen Grundeinkommen gleichgesetzt. Und so hört man von den Protagonisten des bedingungslosen Grundeinkommens im Moment nicht so viel.
Gute Idee, falscher Zeitpunkt?
Ja, auch wegen des Fachkräftemangels. Das bedingungslose Grundeinkommen sollte ja auch eine Antwort darauf sein, dass es dereinst nicht mehr so viele Menschen braucht, um die notwendigen materiellen Güter herzustellen. Gleichzeitig hört man oft, dass das Bürgergeld Leute von der Arbeit abhält, weil es höher ist als das, was die Leute verdienten, wenn sie arbeiten würden.
Glauben Sie, dass wir effektiv einmal das Problem haben werden, dass wir aufgrund des Fortschritts nicht mehr genug Arbeit für alle haben?
Das ist durchaus vorstellbar. Im Moment jedoch noch nicht, weil wir noch zunehmend Babyboomer in der Rentnergeneration haben. Wenn diese aber mal verstorben sind, wird sich die Altersverteilung wieder normalisieren. Dann werden die Arbeitskräfte deutlich weniger Rentnern und Rentnerinnen gegenüberstehen.
Reden wir dann plötzlich auch über ein tieferes Rentenalter statt – wie heute – über eine Erhöhung?
Früher in Rente zu gehen, heisst ja nichts anderes, als früher Anspruch auf ein dann bedingungsloses Grundeinkommen zu erhalten. So gesehen ist dies das Gleiche in Grün.
Wir kamen über ihren Vater auf dieses Thema. Götz Werner war eine Lichtgestalt im deutschen Einzelhandel. Wie einfach war und ist es, in solche Fussstapfen zu treten? Sie wollten ja einst Kampfpilot werden, waren auch bei anderen Firmen tätig.
Gut, ich habe die Gesamtverantwortung ja nicht direkt von meinem Vater übernommen. Zwischen ihm und mir gab es noch einen Geschäftsführer. Philosophisch könnte man sagen: In die Fussstapfen anderer zu treten, ist gar nicht möglich, wenn man immer nach vorne läuft. Die Anforderungen ans Unternehmen verändern sich auch mit jeder Zeit. Mein Vater ist 2008 aus der operativen Leitung ausgeschieden. Da ging es um ganz andere Dinge als 2019, als ich die Verantwortung übernahm.
Wo sehen Sie den grössten Unterschied?
Online hat in den Nullerjahren noch lange nicht die Bedeutung gehabt von heute. Wir hatten gar keinen E-Commerce-Auftritt, der wurde erst 2015 lanciert. Schlecker, heute nicht mehr aktiv, war in den Nullerjahren noch Marktführer. Und auch das Phänomen der starken Grenzfilialen gab es damals noch nicht, das kam erst mit der starken Franken-Aufwertung.
Wie gross ist der Onlineanteil bei Ihnen?
Das sagen wir nicht, aber er entwickelt sich gut.
Von 1,0 auf 1,1 Prozent?
Kein Kommentar.
Sie haben das Ende von Schlecker erwähnt, das Sie zur Nummer eins machte.
Schlecker ging 2012 in die Insolvenz. Wir wurden schon ein Jahr zuvor zum Marktführer.
Als Nummer zwei oder drei hat man ja immer die Motivation, die Nummer eins abzulösen. Wie bleibt man eigentlich hungrig, wenn man ganz vorne ist? Ist da einfach alles roger?
Der Wettbewerb ist ein unendliches Spiel. Man kann ihn nicht endgültig gewinnen. Vielleicht sind Sie mal stärker, aber dann kommt plötzlich wieder eine Überraschung aus dem toten Winkel. Wenn Sie wirklich kundenfokussiert bleiben, sehen Sie auch, dass Ihre Leistungen immer suboptimal sind. Sie können sich immer irgendwo verbessern. Und was heute optimal ist, ist es morgen vielleicht schon nicht mehr, denn die Kundenbedürfnisse ändern sich.
Macht es überhaupt Spass, die Nummer eins zu sein?
Dass wir die Nummer eins sind, ist in erster Linie mal ein grosser Applaus, den wir natürlich hören. Aber wir wissen auch, wie schnell sich das ändern kann. Bei Ihnen in der Schweiz ist das etwas überschaubarer, da ändern sich die Rankings nicht so schnell. Aber in Deutschland gab es schon so viele führende Unternehmen, die es heute gar nicht mehr gibt. Sie müssen sich immer verbessern und dürfen nie sagen: Wir sind gut genug.
Gut genug ist nicht gut genug?
Immer nur vorübergehend. Natürlich hat man es als Nummer zwei einfacher, weil man sich von den Grösseren immer auch etwas abschauen kann. Irgendwas muss die Nummer eins ja besser machen.
Stichwort Daten: Wie stark personalisiert ist das Angebot bei Ihnen?
So stark wie möglich, aber da geht noch viel. Online kann sich das etwa darin unterscheiden, was wir Ihnen anzeigen und wie wir das tun.
Unterscheiden sich auch die Preise? Bei Sonnenschein steigt der Preis von Sonnencreme?
Das wäre dann das Coca-Cola-Modell für Verkaufsautomaten. Das kann man natürlich machen, aber ich denke, das verstimmt die Kundschaft – und widerspricht gerade dem, was wir unter Verlässlichkeit verstehen.
Auch keine personalisierten Preise? So, dass Herr Heim mehr zahlt als Herr Güntert?
Ich würde das nicht über den Preis machen, sondern eher über Zugaben. So, wie Sie früher als Kind in der Metzgerei noch ein Wursträdchen erhielten. Das Gute an der Zugabe ist, dass sich die Kundinnen und Kunden freuen und gleichzeitig etwas Neues entdecken, was sie sonst vielleicht nicht gekannt hätten.
Und der Preis erodiert nicht.
Ja. Sie haben den bestmöglichen Preis und noch was dazu gekriegt. Das Problem ist, dass diese Zugaben wie damals in der Metzgerei nicht mehr funktionierten, als in den Läden die Selbstbedienung Einzug hielt, weshalb dann oft mit Rabatten gearbeitet wurde. Jetzt haben wir via Online und Kundenkarten wieder die Möglichkeit, den Kunden kennenzulernen, und kommen auf das zurück, was er früher im bedienten Laden hatte: Ich kann zwar online kein Wursträdchen dazugeben, aber einen für ihn passenden Coupon.
In Deutschland wurde per Frühling 2024 privater Konsum und Kleinmengenbesitz von Cannabis legalisiert. Ein neuer Geschäftszweig für Sie? Vom Drogeriemarkt zum Druidenmarkt?
Nein, das können wir uns im Moment nicht vorstellen. Da stellt sich wieder die Frage: Gehört das zum Thema Gesundheit? So wie bei den Spirituosen. Im Moment ist es noch zu früh, um wirklich zu verstehen, wie sich das entwickelt. Als Unternehmen sehen wir aktuell keine Notwendigkeit, in den Cannabismarkt einzusteigen.
Was halten Sie von der deutschen Cannabislegalisierung?
Ich ganz persönlich finde diesen Entscheid, den die Ampelkoalition getroffen hat, verheerend. Das hätte man nicht machen dürfen.
Weshalb?
Weil mit Cannabis eine Droge legalisiert wird. Ich habe gerade gelesen, welche Strukturen in diesem Markt herrschen und was da in den Niederlanden passiert ist. Auch Mediziner, mit denen ich gesprochen habe, sagen: Das ist Wahnsinn.
Ist es manchmal auch einfach gescheiter, nicht der First Mover zu sein, sondern ein First Follower?
Das kommt auf den Einzelfall an. Wenn wir von einer Veränderung überzeugt sind, sind wir gerne auch First Mover. Beim Cannabis halten wir das aber schlicht nicht für richtig.
Das erinnert stark an die Alkoholdiskussion bei der Migros. Opfert man da vielleicht auch mal kurzfristiges Geschäft der langfristigen Stabilität?
Na ja, die Kirschen in Nachbars Garten sind immer süsser. Letztlich ist die Herausforderung, wenn Sie profiliert sein wollen, nie das Einlisten von neuen Produkten, sondern das Auslisten. Mich hat sehr beeindruckt, wie Steve Jobs, als er damals zu Apple zurückkehrte, den Produktkatalog radikal zusammengestrichen hat. Wenn Sie kein Zukunftsbild haben, ist so was natürlich Wahnsinn, denn da reduzieren Sie ja auch Ihr Umsatzpotenzial. Steve Jobs hatte jedoch eine klare Vision und hat Apple fokussiert.
Haben Sie bei DM auch etwas Grosses rausgenommen, als Sie DM-Chef wurden?
Ja, beispielsweise die Produkte der Biohändlerin Alnatura – wenn auch aus etwas anderen Gründen. Das war damals schon ein mutiger Move, aber zum Wohle aller Beteiligten.
Was war der Grund dafür?
Neben anderen Problemen in der Zusammenarbeit entfernte sich das Sortiment immer mehr von unserer Sortimentsstrategie, da die Alnatura-Supermärkte für Alnatura immer wichtiger wurden.
Das Alltagssortiment, das Ihnen zu breit war.
Genau. Wir wurden zum Volumenbeschaffer für Alnatura und hatten plötzlich jede Menge Chips bei uns im Sortiment und Dinge, die da eigentlich nicht reingehörten. Dadurch, dass wir das selbst in die Hand nahmen, haben wir jetzt voll den Fokus, welche Bioprodukte in die Drogerie gehören und welche nicht. Jede Zeit hat ihre Antworten. Aber jetzt würde ich Ihnen auch gerne noch eine Frage stellen.
Bitte schön, fragen Sie.
Wie beurteilen Sie die Veränderungen bei der Migros?
Kurzbeurteilung: Sehr viele Baustellen offen.
Mich als Aussenstehenden hat es schon verwundert, dass zum Beispiel die Mibelle ins Schaufenster gestellt wird, ohne eine klare Lösung zu haben. Das führt doch zu einer unglaublichen Verunsicherung bei den Menschen dort.
Das ist ja nicht das erste Mal. Globus wurde von der Migros in einer ähnlichen Art verkauft.
Die Herausforderung im Handel ist doch: Letzten Endes ist das Kundenerlebnis massgeblich von der Atmosphäre in der Zusammenarbeit der Menschen geprägt. Und wenn die Mitarbeitenden plötzlich verunsichert sind, behandeln sie auch die Kundschaft nicht mehr gut. Das ist nach unserer Beobachtung eine Art soziales Gesetz: Die Mitarbeitenden behandeln die Kunden und Kundinnen so, wie sie sich vom Unternehmen behandelt fühlen. Darin liegt übrigens einer der grossen Unterschiede zwischen Markenartiklern und Händlern.
In welcher Art ticken Markenartikler anders?
Ich habe die Beobachtung gemacht, dass sich Managerinnen und Manager, die von der Markenartikelindustrie in den Handel wechseln, oft schwer tun. Ich war ja selber auch mal in der Markenartikelindustrie, habe den Handel aber durch die Muttermilch mitbekommen.
Was ist der grosse Unterschied?
In der Markenartikelindustrie spielt dieses soziale Miteinander eine weniger starke Rolle in der unmittelbaren Kundenwahrnehmung, weil der Konsument die Menschen im Unternehmen nicht mitbekommt. So ein Unternehmen können Sie viel schneller drehen oder eine Marke relaunchen. Wenn Sie das im Einzelhandel machen wollen, geht das viel länger, weil Sie jeden einzelnen Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin in den Läden mitnehmen müssen. Es gibt im Handel zwei wichtige Grundsätze: Schütte das trübe Wasser erst weg, wenn Sie frisches haben. Und schliessen Sie Baustellen, bevor Sie neue aufmachen. Sonst fliegt Ihnen das um die Ohren.