Die Geschichte von Weltbild – Ende einer Ära
Pleite, Papst und Porno

Weltbild verschwindet von der Bildfläche: Die deutsche Buchhandelsfirma hatte im Juni Insolvenz beantragt, worauf der Schweizer Ableger heute alle 24 Filialen und den Online-Handel schloss. Damit geht eine über 75-jährige Geschichte zu Ende.
Publiziert: 22.08.2024 um 18:36 Uhr
|
Aktualisiert: 26.08.2024 um 09:09 Uhr

Auf einen Blick

  • Weltbild meldet Insolvenz und schliesst Filialen in der Schweiz.
  • Gegründet 1948 als katholischer Verlag, später Versandbuchhandel.
  • 2014 übernimmt Droege Group, stösst 67 defizitäre Filialen ab.
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
RMS_Portrait_AUTOR_883.JPG
Daniel ArnetRedaktor Gesellschaft / Magazin

Wer heute im Internet Weltbild.ch aufruft, bekommt statt einer Bücherauswahl folgende Information: «Liebe Kunden und Kundinnen, die aktuellen Ereignisse der vorläufigen Insolvenz unseres Mutterhauses Weltbild GmbH & Co.KG in Augsburg (DE), haben sich innert kürzester Zeit überschlagen.» Schweren Herzens müsse man die Konkurseröffnung beantragen, die 24 Filialen in der Schweiz und der Onlinhandel bleiben geschlossen.

1/5
Der Schweizer Ringier-Verlag (Herausgeber u. a. des Blick) kaufte 1960 «Weltbild».
Foto: THOMAS BUCHWALDER (ZVG/PRESSEBILDER)

Mit Weltbild geht eine wechselvolle Geschichte zu Ende: 1948 im bayerischen Augsburg (D) als katholischer Verlag unter dem Namen Winfried-Werk gegründet, publiziert es in erster Linie die Zeitschrift «Weltbild». 1960 kauft der Schweizer Ringier-Verlag «Weltbild» (damalige Auflage 700’000) und will mit Beigabe von Schnittmustern den deutschen Markt erobern. Das Vorhaben scheitert und Ringier steigt 1961 wieder aus.

Ab 1975 sind deutsche Bistümer Haupteigentümer

Ab 1972 publiziert das Winfried-Werk nicht nur die Zeitschrift, sondern nimmt mit dem Weltbild-Bücherdienst den Versand von Literatur auf. Der Zusammenschluss von Winfried-Werk und Weltbild-Bücherdienst erfolgt 1987 – das Unternehmen firmiert von da an unter dem Namen Weltbild Verlag GmbH. Weltbild kauft andere Verlage und entwickelt sich zur grössten deutschen Versandbuchhandlung ohne Kauf- und Clubpflicht.

Von 1975 bis 2014 sind der Verband der Diözesen Deutschlands, das Erzbistum München und Freising sowie das Bistum Augsburg Haupteigentümer. Die Nähe zur römisch-katholischen Kirche führt zur Rüge vom Papst gegenüber Weltbild: 2011 spricht sich Benedikt XVI. (1927–2022) gegen die «Verbreitung von Material erotischen oder pornografischen Inhalts, gerade auch über das Internet» aus.

«Feuchtgebiete» ein Dorn im Auge

Dem deutschen Kirchenoberhaupt sind damals freizügige Bücher wie etwa der Roman «Feuchtgebiete» (2008) der deutschen Autorin Charlotte Roche (46) ein Dorn im Auge – auch Weltbild macht mit dem Verkauf des Bestsellers viel Geld. Zwar bleiben die Bücher von Roche weiterhin im Sortiment, aber Weltbild verschärft den Internet-Filter und stoppt die Suche nach Begriffen wie «Sex» oder «Pornografie».

2014 steigt das deutsche Investment-Unternehmen Droege Group als neuer Mehrheitseigentümerin bei Weltbild ein. Von den 420 Filialen in Deutschland, Österreich und der Schweiz stösst die Droege Group 67 defizitäre Läden ab und baut das Online-Geschäft aus. Noch 2021 will sie das Logistik-Zentrum in Augsburg ausbauen. Zwar steckt Weltbild seit der Finanzkrise von 2008 in der Klemme. Dennoch kommt der jetzige Konkurs für viele unerwartet.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.