Die Bitcoin-Falle
Die neue Masche der Online-Betrüger

Die Tricks werden immer raffinierter: Jetzt versuchen Bitcoin-Betrüger, ihre Opfer ein zweites Mal abzuzocken. Das Geld fliesst meist nach Osteuropa, schreibt der «Beobachter».
Publiziert: 10.03.2022 um 10:46 Uhr
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Aktualisiert: 10.03.2022 um 11:39 Uhr
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Bitcoin-Betrüger wenden immer raffiniertere Tricks an.
Foto: keystone-sda.ch
Otto Hostettler («Beobachter»)

Als Beni S.* vor fünf Jahren bei einer Bitcoin-Börse 250 Franken investierte, ersparte ihm nur der Zufall grössere Verluste: «Wegen meines Geschäfts hatte ich gar keine Zeit, mich um den Bitcoin-Marktplatz zu kümmern», erzählt der Inhaber einer Schreinerei. Er fiel damals auf den «Promi-Trick» herein und klickte auf eine Werbung, bei der Prominente wie Roger Federer und der Milliardär Hansjörg Wyss angeblich von grossen Gewinnen schwärmten.

Die Zeitungsartikel und TV-Beiträge über diese Berühmtheiten waren erfunden. Geschädigte berichten dem «Beobachter» übereinstimmend, was ihnen widerfahren ist: Nachdem sie eine Kleininvestition getätigt haben, zieht der Kurs vorgeblich rasch an. Ein «Kundenberater» rät zu weiteren Investitionen, und siehe da: Die eingezahlten Gelder vermehren sich in kurzer Zeit wundervoll, was Gutgläubige wiederum zu neuen Investitionen verleitet.

Wenn es dann um die Auszahlung geht, wird der Prozess verzögert, angebliche Gebühren und Steuern werden in Rechnung gestellt – und eines Tages ist das Profil gelöscht oder die Trading-Plattform nicht mehr erreichbar. Das Geld ist weg, Totalverlust.

Auch Beni S. hörte von solchen Fällen, und er schrieb seine 250 Franken ab. Bis er, vier Jahre später, erneut von einem «Kundenberater» kontaktiert wurde. Diesmal ging das Märchen so: Die Kryptoplattform Coinex habe die Börse übernommen, auf der er investiert hatte. «Sie sagten mir, mein Guthaben sei noch immer vorhanden.» Noch besser: Wegen der massiven Wertsteigerung des Bitcoins über die Jahre hinweg seien aus den 2017 einbezahlten 250 Franken 187'617.80 Euro geworden.

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Die Fake-Websites dahinter

Coinex ist ein bekannter Kryptoanbieter – mit Sitz in Hongkong und EU-Lizenz. Was Beni S. nicht wusste: Der «Kundenberater» lotste ihn auf eine Fake-Website, die der richtigen Coinex-Site zum Verwechseln ähnlich sieht. Der Server dahinter befindet sich auf dem winzigen Chagos-Archipel im Indischen Ozean.

Neben solchen Klonseiten kreieren Betrüger auch Fantasieplattformen. Darauf spiegeln sie Anlegerinnen und Anlegern Firmen und Produkte vor, die gar nicht existieren – um zu Investitionen zu verleiten. 2020 setzte die Schweizer Finanzmarktaufsicht rund 140 solche Anbieter auf die Warnliste. In den ersten zwei Monaten des laufenden Jahres sind 20 weitere dazugekommen, vor wenigen Tagen auch die gefakte Handelsplattform Coinex Market.

Fadenscheinige Begründung

Beni S. verlangte in der Folge die Auszahlung seines angeblichen Guthabens. Postwendend erhielt er eine Rechnung für Administrationskosten und Quellensteuer: 30965.93 Euro. Sobald er bezahlt habe, werde ihm das Guthaben überwiesen. Ein klassischer Vorschussbetrug. «Sie hätten diese Gebühren auch einfach mit dem Guthaben verrechnen können», sagt Beni S. «Aber der Kundenberater wollte aus fadenscheinigen Gründen nicht darauf eingehen.»

Die Gebührenrechnung ist offensichtlich unseriös. Als Absender figuriert ein kurioses «Handelsunternehmen Sitz für Europäische Kunden», Adresse: Paradeplatz 8, Zürich. Die aufgeführten Telefonnummern sind nicht in Betrieb, auch jene nicht, unter der ein «Kundenberater» Beni S. noch eine Stunde zuvor anrief. Und: Ein aufgedruckter QR-Code führt zu einer weiteren betrügerischen Bitcoin-Plattform.

Beobachter
Artikel aus dem «Beobachter»

Dieser Artikel wurde aus dem Magazin «Beobachter» übernommen. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.beobachter.ch

Beobachter

Dieser Artikel wurde aus dem Magazin «Beobachter» übernommen. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.beobachter.ch

Allein aus den Angaben auf der Rechnung wird klar: Die Täter sind bestens organisiert und nutzen Schweizer Bestimmungen aus, um unerkannt zu bleiben. Die vier in diesem Fall verwendeten Telefonnummern stammen laut Bundesamt für Kommunikation von einem Nummernblock, der Sunrise zugeteilt wurde. Bei Sunrise heisst es: «Wir dürfen Dritten niemals Auskünfte über Rufnummerinhaber geben, aus eigenem Antrieb oder auf Wunsch von Kundinnen und Kunden Ermittlungen tätigen oder Massnahmen ergreifen.»

Sunrise bremst Nachforschungen

Wenn Kundinnen und Kunden von Sunrise einen betrügerischen Anrufer identifizieren wollen, müssen sie einen Antrag ausfüllen. Kein einfaches Unterfangen, die Hürden sind fast nicht zu überwinden. Bedingung ist gemäss Sunrise, dass von der gleichen Nummer innerhalb 30 Tagen drei Anrufe registriert wurden. Falls es weniger sind, muss man bei der Polizei eine Strafanzeige erstatten und dem Auskunftsbegehren eine Kopie davon beilegen. Dazu kommt: Wenn Anrufe nicht entgegengenommen wurden, wenn sie länger als drei Monate zurückliegen, von einer Prepaid-Nummer stammen oder aus dem Ausland erfolgen, kann die Person laut Sunrise gar nicht identifiziert werden. Sunrise verlangt zudem eine Bearbeitungsgebühr von 70 Franken.

Warum Sunrise Auskünfte derart einschränkt, ist unklar. Das Gesetz sieht nur vor, dass Kundinnen und Kunden schriftlich glaubhaft machen müssen, dass sie missbräuchlich angerufen worden sind – und das Telekomunternehmen dann Auskunft über den Nummerninhaber geben muss. Sunrise stellt sich auf den Standpunkt, ein Anruf sei erst dann «belästigend», wenn er wiederholt ausgeführt werde. Beni S. bekommt wohl keine Auskunft, weil die Betrüger verschiedene Nummern verwendet haben.

Das Netz der «Geldesel»

Die Überweisungen an die Bitcoin-Betrüger laufen über ein weit verzweigtes Netz von «Money Mules»; diese «Geldesel» geben ihr Bankkonto für fragwürdige und illegale Zwecke her. So auch im Fall von Beni S.: Er wurde aufgefordert, die knapp 31'000 Franken auf ein Konto zu überweisen, hinter dem ein serbischer Restaurantbetreiber im Kanton St. Gallen steht.

Betrügerische Gelder von Kryptobörsen fliessen nach Angaben aus Ermittlerkreisen auffallend oft zu Banken in Osteuropa, aber auch nach Malta oder Litauen. «Wir haben es hier mit einem Business mit mafiösen Zügen zu tun», sagt ein auf Finanzflüsse spezialisierter Ermittler.

Money Mules machen sich strafbar, zahlreiche Kantone verurteilen Mittelsmänner inzwischen konsequent wegen Geldwäscherei. Ermittler gehen davon aus, dass es in der Schweiz gegenwärtig rund 2000 aktive Money Mules gibt. Sie kassieren aus verschiedensten Online-Betrügereien Geld ein und leiten es – meist wissentlich und gegen eine Provision – an die Hintermänner weiter (siehe Beobachter 16/2021).

Durch die Hintertür

Eine weitere Betrugsvariante: Kundinnen und Kunden seriöser Handelsplattformen werden ausgenommen. Betrüger besorgen sich in einschlägigen Foren im Darknet gehackte Nutzerdaten, die dort in grosser Zahl angeboten werden. Wenn die Passwörter nicht dabei sind, kontaktieren sie Nutzer und geben sich als «Kundenberater» der Trading-Plattform aus. Unter einem Vorwand versuchen sie, die Kunden dazu zu bringen, ihre Passwörter herauszugeben – und können so die Guthaben an sich selbst weiterleiten.

Der Schaden der verschiedenen Bitcoin-Betrugsvarianten ist riesig. Dokumentiert sind Fälle von mehreren Hunderttausend Franken. Gemäss Schätzungen von Ermittlungsbehörden summiert sich der Schaden allein in der Schweiz in den letzten drei Jahren auf 50 bis 100 Millionen Franken. Laut der US-Forschungsfirma Chainanalysis stiegen 2021 die Einnahmen aus betrügerischen Geschäften mit Kryptowährungen weltweit um 82 Prozent auf geschätzte 7,8 Milliarden Franken.

*Name der Redaktion bekannt

So erkennen Sie Bitcoin-Gauner
  • Vertrauen Sie keiner Plattform, die ihren Sitz auf einer entlegenen Insel hat. Sie sollte Rechtssitz in der Schweiz oder in einem (europäischen) Land haben, wo man bei Bedarf auch einen Rechtsstreit austragen kann.

  • Seriöse Handelsplattformen listen Eigentümer, Betreiber, Gebühren transparent auf. Sie bieten eine Testumgebung an, auf der man den Handel mit Bitcoin simulieren kann. Bei neuen Kundinnen und Kunden verlangen sie immer einen Identitätsnachweis (Kopie der Identitätskarte hochladen).

  • Teilen Sie nie Log-ins und Passwörter per Telefon oder E-Mail mit.

  • Firmen-Warnliste der Finanzaufsicht: finma.ch

(Beobachter)

  • Vertrauen Sie keiner Plattform, die ihren Sitz auf einer entlegenen Insel hat. Sie sollte Rechtssitz in der Schweiz oder in einem (europäischen) Land haben, wo man bei Bedarf auch einen Rechtsstreit austragen kann.

  • Seriöse Handelsplattformen listen Eigentümer, Betreiber, Gebühren transparent auf. Sie bieten eine Testumgebung an, auf der man den Handel mit Bitcoin simulieren kann. Bei neuen Kundinnen und Kunden verlangen sie immer einen Identitätsnachweis (Kopie der Identitätskarte hochladen).

  • Teilen Sie nie Log-ins und Passwörter per Telefon oder E-Mail mit.

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(Beobachter)

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