Die deutsche Wirtschaft kommt nicht vom Fleck. Zu allem Unglück kann auch König Fussball die schlechte Laune im Land nicht aufhellen. Vielen hat es aufs Gemüt geschlagen, dass die deutschen Fussball-Frauen wie schon ihre Kollegen im Winter bei der WM in der Gruppenphase gescheitert sind. Als Deutschland 1954 in Bern zum ersten Mal Weltmeister wurde, begann die Zeit des Wirtschaftswunders und das Land stieg wirtschaftlich zum Exportweltmeister auf.
Was in Deutschland passiert, kann uns nicht kaltlassen. Denn unsere nördlichen Nachbarn sind nach den USA die mit Abstand wichtigsten Handelspartner. Blick beleuchtet die wirtschaftlichen Problemzonen der Deutschen.
Wirtschaft stagniert
Im Winterhalbjahr rutschte unser Nachbarland in eine kleine Rezession, doch die erwartete rasche Erholung blieb aus. Denn in den Sommermonaten stagnierte die Wirtschaftsleistung, auch für das dritte Quartal rechnet die Deutsche Bundesbank bestenfalls mit einer Wirtschaft, die nicht wirklich vom Fleck kommt. Pessimisten befürchten gar einen erneuten Rückgang des Wachstums.
Hartnäckige Inflation
Erst litt die energieintensive deutsche Industrie unter den gestiegenen Preisen für Gas und Erdöl. Das betraf vor allem die Chemie- und Pharmabranche, aber auch die Autobauer oder Stahlkocher. Nun sorgt das oft in Tarifverträgen geregelte Lohnwachstum dafür, dass die Inflation hartnäckig hoch bleibt. Übers ganze Jahr gesehen dürfte die Teuerung in Deutschland bei rund 6 Prozent liegen.
Um die Teuerung zu bekämpfen, hat die Europäische Zentralbank die Zinsen stark erhöht, weitere Zinsschritte sind nicht ausgeschlossen. Das hat in Deutschland vor allem zur Folge, dass die Baukonjunktur sinkt, da sowohl die Finanzierungs- als auch die Baukosten gestiegen sind. Zudem ist wegen der steigenden Zinsen die Kreditvergabe an Firmen wie Private rückläufig. Ein giftiger Cocktail für das Wirtschaftswachstum.
Globale Konjunkturflaute
Als Exportnation ist die deutsche Industrie davon abhängig, dass das Geschäft in den wichtigsten Absatzmärkten brummt. «Gerade den fehlenden Schwung der chinesischen Wirtschaft spüren deutsche Maschinen- und Autobauer empfindlich», erklärt Brian Mandt (53), Chefökonom der Luzerner Kantonalbank. Aber auch in anderen Ländern sind deutsche Industriegüter derzeit weniger gefragt. Eine längerfristige Chance sieht Mandt dagegen in den notwendigen strukturellen Investitionen in erneuerbare Energien. Doch das braucht seine Zeit.
Zögerliche Konsumenten
Nach Corona waren die Konsumenten ausgabefreudig. Die Nachfrage nach langlebigen Konsumgütern wie Möbel oder Autos ist fürs Erste gedeckt. Zudem haben die Lieferengpässe während der Pandemie zu einem erhöhten Lageraufbau geführt. Nun werden erst die Lager geleert, um die Konsumbedürfnisse zu befriedigen. Das heisst, es braucht für den Moment weniger Waschmaschinen, Geschirrspüler oder andere Konsumgüter aus Deutschland. Immerhin: Dank hoher Beschäftigung und steigenden Löhnen ist die Stimmung bei den Konsumenten nicht völlig im Keller.
Reformen stauen sich
Das Wort vom «kranken Mann Europas» macht in Deutschland gerade wieder die Runde. Zwar ist die Situation nicht mit den Zeiten um die Jahrtausendwende zu vergleichen, als die deutsche Wirtschaft unter hoher Arbeitslosigkeit litt. Und erst mittels der einschneidenden Reformen der «Agenda 2010» der nächste Aufschwung eingeläutet wurde. Trotzdem: Auch jetzt wären Reformen dringend notwendig, etwa um die Energiewende auf die Reihe zu kriegen. «Die Verwirrung und Verunsicherung in der Industrie und bei den privaten Haushalten bezüglich der politischen Agenda ist gross», so Mandt. «Die Regierung macht vor allem wegen interner Streitereien von sich reden.» So wird allerdings der Reformstau nicht abgebaut.
Hoffnungsschimmer
Die globale Wirtschaft wird gerade umgebaut, die Produktion von China in andere Länder wie etwa Vietnam, Ägypten oder die Türkei verlagert. «Der Bedarf an Investitionsgütern wird steigen, um die Produktion an anderen Standorten aufzubauen. Das schafft Chancen für deutsche Maschinenbauer», ist Mandt überzeugt. Allerdings würden diese frühestens ab dem nächsten Jahr greifen.
Folgen für die Schweiz
Wenn Deutschland hustet, bekommt normalerweise die Schweizer Industrie eine Erkältung. Viele Schweizer Firmen sind Zulieferer der deutschen Autoindustrie oder der Maschinenbauer. Auch in der Schweiz harzt die Industrieproduktion. Was hierzulande aber hilft, ist der Boom in den USA. Dank den «Bidenomics» – einem gigantischen Programm zur Ankurbelung der Wirtschaft – steht die Konjunkturlokomotive USA unter Volldampf. Und die USA sind immer noch der wichtigste Absatzmarkt für Exportgüter aus der Schweiz.