Der grosse Pharma-Vergleich
Roche oder Novartis – wer hat die Nase vorn?

Sie teilen sich den Standort Basel und die Branche – und doch unterscheiden sich die beiden Pharma-Giganten Roche und Novartis markant. Etwa betreffend ihrer Innovationsfähigkeit. Auch an der Börse läuft es für die beiden nicht gleich gut.
Publiziert: 03.02.2023 um 00:30 Uhr
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Zwischen den Roche-Türmen ...
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Sarah FrattaroliStv. Wirtschaftschefin

Sie gehören zu den wertvollsten Firmen, den grössten Arbeitgebern und den wichtigsten Export-Schlagern der Schweiz: die beiden Pharma-Schwergewichte Roche und Novartis. Diese Woche haben sie ihre Jahreszahlen präsentiert. Blick hat zu diesem Anlass die Pharma-Hochburg Basel besucht und wagt den grossen Vergleich zwischen den Giganten.

Die Zahlen

Roche hat im vergangenen Jahr ein Mini-Wachstum hingelegt: Der Umsatz stieg um 1 Prozent auf 63,3 Milliarden Franken. Bei Novartis schrumpfte der Umsatz gar um 2 Prozent auf 50,5 Milliarden Dollar.

Im internationalen Vergleich stünden sowohl Novartis als auch Roche momentan weniger gut da, kritisiert Pharma-Analyst Michael Nawrath (59) vom Zürcher Finanzdienstleister Octavian: «Einige US-Pharmafirmen können mit Wachstumsraten im doppelstelligen Prozentbereich aufwarten – in der Schweiz geben sich die Pharma-Giganten schon mit einem tiefen einstelligen Prozentbereich zufrieden.»

Die Herausforderungen

Roche hat gut an der Covid-19-Pandemie verdient, hat Corona-Tests und die beiden Corona-Medikamente Ronapreve und Actemra im Wert von Milliarden verkauft. Diese Verkäufe brechen nun weg. Das hat Roche im vergangenen Jahr 1 Milliarde Umsatz gekostet. Im laufenden Jahr werden es gar 5 Milliarden sein. Hinzu kommt das schwindende Geschäft mit drei Krebsmedikamenten, die einst Roches Kassenschlager waren – deren Patente aber mittlerweile abgelaufen sind. Hier beläuft sich der prognostizierte Umsatzrückgang 2023 auf 1,6 Milliarden Franken. In Kombination mit mehreren enttäuschenden Studienergebnissen zu potenziellen neuen Hoffnungsträgern befand sich Roche vergangenes Jahr in einem «perfekten Sturm», fasst Nawrath zusammen.

Die Milliardenlöcher gilt es nun zu stopfen – was Roche gelingen wird, ist Analyst Stefan Schneider (55) von der Bank Vontobel überzeugt: «Roche hat in den letzten Jahren gute Produkte lanciert, die das Wachstum treiben. Und die Pipeline ist weiterhin voll.» Unter anderem gehören das letzte Jahr auf den Markt gekommene Augenheilmittel Vabysmo sowie das neue Brustkrebsmedikament Phesgo zu den Hoffnungsträgern.

Bei Novartis zeigt sich die Ausgangslage praktisch gegenteilig: Seit Jahren beklagen Investoren die leere Pipeline. Novartis-CEO Vas Narasimhan (46) hat seit seinem Stellenantritt 2018 fleissig kleinere Pharmafirmen und Medikamente zugekauft, damit Novartis immerhin neue Produkte auf den Markt bringen kann, die aus fremder Küche stammen.

Langfristig muss Novartis aber selber Innovationen hervorbringen. Und das dauert. Immerhin: Die für das zweite Halbjahr geplante Abspaltung der Generika-Sparte Sandoz wird dabei auf lange Sicht helfen. «Das Geschäft mit der innovativen Medizin ist herausfordernd genug. Da muss man nicht gleichzeitig noch ein Generika-Business managen», sagt Pharma-Analyst Schneider.

Narasimhan hat bei Novartis in den letzten fünf Jahren viel frischen Wind reingebracht – insgesamt hat Roche laut Expertenmeinungen aber weiterhin die deutlich grössere Innovationskraft.

Die Kulturen

Zwischen den Roche-Türmen und dem Novartis-Campus liegen gerade einmal drei Kilometer. Doch die Unternehmenskulturen der beiden Pharma-Giganten sind Welten voneinander entfernt. Roche, 1896 gegründet, versteht sich bis heute als Familienunternehmen.

Die heutige Novartis entstand genau 100 Jahre später, 1996, durch die Fusion von Ciba-Geigy und Sandoz. Daniel Vasella (69) baute Novartis ab Ende der 90er-Jahre zu einem Gemischtwarenladen aus: Um das Business zu diversifizieren, geschäftete Novartis neben der innovativen Medizin nicht nur mit Generika und Impfstoffen, sondern auch mit Kontaktlinsen und Tiermedizin. Mit der geplanten Abspaltung der Generika-Sparte Sandoz kehrt Novartis nun endgültig zum Kerngeschäft zurück.

Die ständigen Strategiewechsel gingen an den Mitarbeitenden nicht spurlos vorbei. Letztes Jahr hat Novartis im Zuge des jüngsten Umbaus den Abbau von weltweit 8000 Stellen angekündigt, 1400 davon in der Schweiz.

Hinzu kamen Skandale und Millionenstrafen: Novartis sah sich wiederholt mit Bestechungs- und Kartellvorwürfen konfrontiert. Doch allen Unkenrufen zum Trotz bleibt Novartis eine äusserst erfolgreiche Firma – und gemäss HR-Experten ein vorbildlicher Arbeitgeber. Wer sonst kann in der Schweiz 14 Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaub bieten?

Die Aktienkurse

Die Novartis-Titel sind heute ziemlich genau gleich hoch bewertet wie vor einem Jahr. Angesichts der Talfahrt an den weltweiten Aktienmärkten eine Erfolgsmeldung.

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Die Roche-Titel verloren letztes Jahr mehr als 20 Prozent an Wert. Die höhere Volatilität der Roche-Aktie liegt in der grösseren Innovationskraft begründet: Studien über potenzielle neue Medikamente, an denen Roche gerade forscht, treiben den Aktienkurs regelmässig nach oben – oder nach unten. Weil letztes Jahr gleich mehrere Hoffnungsträger floppten, darunter ein vielversprechendes Alzheimer-Medikament, musste Roche an der Börse einstecken. «Die Anleger haben ihr Vertrauen verloren», schätzt Analyst Nawrath. «Dieses wiederherzustellen, wird einige Zeit dauern.»

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Bei Novartis garantiert die verhältnismässig leere Pipeline ruhigere Zeiten – und ist in einem turbulenten Börsenjahr damit ein attraktiver Titel für defensive Anleger.

Die Chefs – und die neue Chefin

Noch im Jahr 2021 verdienten Vas Narasimhan bei Novartis und Severin Schwan (55) bei Roche praktisch gleich viel. Nun muss Narasimhan einstecken: Er bekam noch 8,5 Millionen Franken. Schwans Lohn blieb wie im Vorjahr bei 11,5 Millionen.

Schwan präsentierte die Roche-Jahreszahlen zum letzten Mal. Er übergibt den CEO-Posten im März an seinen Nachfolger Thomas Schinecker (48), der früher die Diagnostik-Sparte und seit kurzem interimistisch auch die Pharma-Sparte bei Roche leitete. Den Posten als Pharma-Leiterin übernimmt Teresa Graham. Sie wird damit zu einer der höchsten Pharma-Managerinnen.

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