Hi und goodbye. Erst im Januar schickte die Biden-Regierung die Finanzbeamtin Clara Kim nach Bern, damit sich diese um das Sanktionsthema und andere Banken- und Finanzthemen kümmere. Anders als geplant verlässt sie die US-Botschaft nun auf Ende September schon wieder. Laut Diplomaten und Behördenvertretern wurde die Stelle ersatzlos gestrichen; Kim kehrt nach Washington zurück.
Dabei hatte sich Botschafter Scott Miller persönlich für eine eigene Vertreterin des Finanzministeriums eingesetzt, wie er in einem Interview mit der «Handelszeitung» Anfang Jahr bekannt gab. Er hatte unter anderem vor, ein neues Abkommen mit der Schweiz im Banking- und Finanzbereich anzustossen. Seit dem Frühjahr dominierte dann vor allem der Sanktionsstreit die Beziehungen zwischen Bern und Washington.
«Clara Kim ist Expertin für dieses Thema. Der US-Botschafter konnte sich auch deswegen so mächtig ins Zeug legen, weil er sie im Hintergrund hatte», sagt Geldwäscherei-Experte Mark Pieth.
US-Botschafter kritisierte Schweiz offen
Mit der Georgetown-Absolventin hatten sich die USA als einziges Land eine quasi hauptamtliche Sanktionsbeauftragte in der Schweiz geleistet. In den meisten Botschaften sind Handels- und Wirtschaftsattachés nebenher für das Dossier zuständig. Clara Kim war neben der Schweiz auch für Liechtenstein und Italien zuständig. Die Entsendung der Finanzbeamtin nach Bern galt als Zeichen dafür, wie ernst den USA das Thema war.
Die Biden-Regierung fordert, dass die Schweiz die Russland-Sanktionen besser umsetzt. In den vergangenen Monaten hat der Druck auf den Bundesrat stetig zugenommen:
- Der US-Botschafter griff das Seco unter Staatssekretärin Helene Budliger Artieda für seine vermeintlich zu lasche Suche nach Oligarchengeldern mehrfach öffentlich scharf an.
- Im April forderten die G7-Botschafter und die EU in einem kritischen Brief an den Bundesrat die Teilnahme der Schweiz an der Oligarchengeld-Taskforce Repo, die Untersuchung der Rolle von Rechtsanwälten in der Vermögensverwaltung und eine Überarbeitung der rechtlichen Rahmenbedingungen.
- Bereits im vergangenen Herbst stieg die Zahl im Rahmen der Russland-Sanktionen sanktionierter Schweizer Personen und Firmen sprunghaft an. Aktuell befinden sich 24 Einzelpersonen mit Schweizer Staatsbürgerschaft oder Wohnsitz sowie 16 Schweizer Firmen auf der schwarzen Liste der USA.
- Mehrfach schickte Washington weitere Behördenvertreter in die Schweiz. Unter anderem stattete der oberste US-Sanktionsbeauftragte Brian Nelson im April Banken und staatlichen Stellen einen Besuch ab, im Juli nahmen Vertreter des US-Finanzministeriums die Rohstoffhandelsbranche in Genf ins Visier.
- Auch bei einer Anhörung der Helsinki-Kommission zu «Russlands Alpenvermögen» Mitte Juli war der vermeintlich lasche Umgang der Schweiz mit Sanktionen ein Thema. Die Schweiz sei «das bevorzugte Ziel russischer Oligarchen und korrupter Beamter, um ihr gestohlenes Geld zu verstecken», hiess es in der Vorankündigung. Zudem spiele die Schweiz eine «Schlüsselrolle bei der Umgehung der Exportkontrollen durch Russland, die sicherstellen sollen, dass Russland sein Militär nicht aufrüsten und seinen Krieg nicht fortsetzen kann».
Die Schweiz wies die Kritik stets weit von sich. Allerdings hat das für die Sanktionen zuständige Seco seine Sanktionsabteilung mittlerweile nicht nur auf 25 Vollzeitstellen aufgestockt, sondern auch komplett neu strukturiert. Seit 1. September waltet Simon Plüss als oberster Sanktionsbeauftragter. Im Fokus steht vor allem die Verhinderung von Umgehungsgeschäften.
Und auch die Debatte um den Beitritt zur Repo-Taskforce hat Fahrt aufgenommen. Während der Bundesrat nach wie vor dagegen ist, zeigen sich die führenden Köpfe von SP, FDP, Mitte, Grünen und Grünliberalen offen. Auch Roman Studer, der neue Chef der Bankiervereinigung, und Jan Atteslander, Dossierverantwortlicher bei Economiesuisse, sprechen sich für die Teilnahme aus. Mitte der Woche stimmt der Nationalrat über eine entsprechende Motion ab.
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Hat die Biden-Regierung ihr Ziel also schon erreicht, und die Sanktionsbeamtin in der Schweiz wird schlicht nicht mehr benötigt? Im Gegenteil. Obwohl laut der US-Botschaft der Austausch mit den Schweizer Behörden und Banken durch die Sanktionsbeamtin zugenommen hat, sind die USA mit dem Ergebnis noch immer grundlegend unzufrieden. Der finanzielle und der personelle Aufwand haben sich offenbar nicht gelohnt.
USA fordern stärkere Sanktionsdurchsetzung
«Trotz der verstärkten Interaktionen ist es für die Botschaft aufgrund des langsamer als erwarteten Fortschritts und der fehlenden schweizerischen Ermittlungsbefugnisse schwierig, in absehbarer Zukunft eine Präsenz des Finanzministeriums aufrechtzuerhalten», sagt eine Sprecherin der US-Botschaft auf Anfrage. Zwar habe der Austausch dank der in Bern stationierten Finanzattachée zugenommen, aber es bleibe «noch viel zu tun».
Die Schweiz könne bei Sanktionsverstössen ihre Durchsetzungsposition noch weiter verstärken, so die Sprecherin weiter. Einige Schritte dafür wären die Repo-Teilnahme, die Verschärfung des Geldwäschereigesetzes und die Einrichtung eines Transparenzregisters.
Die beiden letzten Punkte sind Teil der Reform des Geldwäschereigesetzes, das der Bundesrat Ende August in die Vernehmlassung geschickt hat.