Am Schluss erstarrte das einst joviale Lächeln zur Fratze. Während der einstündigen Urteilsverkündung im Vincenz-Prozess würdigte der gefallene Starbanker den vorsitzenden Richter Sebastian Aeppli (63) keines Blickes. Pierin Vincenz (65) verharrte in Schockstarre, die Augen auf die leere Wand vor ihm gerichtet, abgelenkt einzig durch einige Nachrichten auf seinem Handy. Selbst sein Anwalt, Lorenz Erni (71), schien sich zeitweise von seinem Mandanten abzuwenden, hörte dem Richter bei der kurzen Urteilsbegründung ganz genau zu.
Denn auch für den erfolgsverwöhnten Verteidiger ist das Urteil des Bezirksgerichts Zürich eine Niederlage. Mit so einem harten Urteil hatte fast niemand gerechnet. Im Wirtschaftsprozess des Jahrzehnts kassiert Vincenz eine unbedingte Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Obendrauf kommt eine bedingte Geldstrafe von 280 Tagessätzen à 3000 Franken. Das ist der Höchstsatz für wohlhabende Delinquenten.
Auch Firmendeals illegal
Nur, wirklich vermögend dürfte Vincenz nach diesem Prozess nicht mehr sein. Hatte er nach eigenen Angaben vor dem Prozess bereits hohe Schulden, so kommen nun noch Millionenforderungen nach dem Urteil auf ihn zu.
Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass Touren durch Schweizer Striplokale nicht im Interesse von Raiffeisen und Aduno waren – und die Abrechnung über die Spesenkasse entsprechend illegal. Vincenz ist deswegen schuldig der Veruntreuung, der qualifizierten ungetreuen Geschäftsbesorgung und der Urkundenfälschung. Und das nicht nur einmal, sondern eben mehrfach und wiederholt.
Damit konnte man rechnen. Das Überraschende dagegen ist, dass der vorsitzende Richter Aeppli und seine Kollegen die meisten der Firmentransaktionen zumindest teilweise als illegal einstufen. Vincenz und sein Geschäftspartner Beat Stocker (62) wären verpflichtet gewesen, ihre Arbeitgeberinnen darüber aufzuklären, dass sie Beteiligungen an den Firmen hielten, die später von Raiffeisen und Aduno gekauft wurden. Dabei hätte gerade Vincenz eine «hohe kriminelle Energie» an den Tag gelegt und eben auch seine Vertrauensposition als Chef von Raiffeisen oder Präsident der Aduno missbraucht.
Das Gericht spricht den ehemaligen Vorzeigebanker deshalb des Betrugs, des versuchten Betrugs, der mehrfachen qualifizierten ungetreuen Geschäftsbesorgung sowie der mehrfachen passiven Privatbestechung schuldig.
Vincenz geht in Berufung
Die erste Phase des Vincenz-Prozesses kennt einen klaren Sieger: den leitenden Staatsanwalt Marc Jean-Richard-dit-Bressel (58). Er verfolgt erhobenen Hauptes die Urteilsverkündigung im improvisierten Gerichtssaal im Zürcher Volkshaus. Zu Blick spricht er von einem «differenzierten Urteil» und erwähnt, das Gericht sei ihm in den meisten Anklagepunkten gefolgt. Ob er in Berufung gehe, liess er im Moment noch offen.
Für die Einsprache gegen das Urteil haben die Parteien nun zehn Tage Zeit. Mit versteinerten Mienen verlassen Vincenz und Erni das Gericht. Der einzige Kommentar das Starverteidigers: «Das Urteil ist falsch. Wir werden Berufung einlegen.» Das heisst: Trotz des harten Urteils wird es noch lange dauern bis Pierin Vincenz wirklich in den Knast muss – wenn überhaupt.
Das schriftliche Urteil, das im Sommer vorliegen dürfte, bietet viel Lesestoff: «Das Urteil ist jetzt schon über 500 Seiten lang», sagt Richter Aeppli und beschliesst damit die erstinstanzliche Verhandlung des Wirtschaftsprozesses des Jahrzehnts. Die Fortsetzung ist gewiss.
Noch härter als Pierin Vincenz (65) trifft das Hammerurteil Beat Stocker (62). Der vorsitzende Richter Sebastian Aeppli (63) bezeichnet den Ex-Chef von Aduno als den eigentlichen «Kopf» hinter den illegalen Firmentransaktionen. Deshalb erhält er eine Freiheitsstrafe von vier Jahren – drei Monate mehr als Vincenz. Dazu gibt es für Stocker eine bedingte Geldstrafe von 160 Tagessätzen zu 3000 Franken.
Stocker wurde schuldig gesprochen unter anderem wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung, Betrug und passiver Bestechung. Er wirkt sichtlich geschockt vom Urteil. Unter Polizeischutz verlassen er und seine Frau, die an jedem Prozesstag an seiner Seite war, das Zürcher Volkshaus.
Geht er in Berufung? Sein Anwalt weicht aus, er müsse das Urteil erst analysieren. «Das ändert aber nichts daran, dass Herr Stocker nach wie vor von seiner Unschuld überzeugt ist.» Also dürfte sein Mandant in Berufung gehen.
Von den fünf Mitbeschuldigten im Prozess werden drei zu bedingten Geldstrafen verurteilt. Christian Kolbe
Noch härter als Pierin Vincenz (65) trifft das Hammerurteil Beat Stocker (62). Der vorsitzende Richter Sebastian Aeppli (63) bezeichnet den Ex-Chef von Aduno als den eigentlichen «Kopf» hinter den illegalen Firmentransaktionen. Deshalb erhält er eine Freiheitsstrafe von vier Jahren – drei Monate mehr als Vincenz. Dazu gibt es für Stocker eine bedingte Geldstrafe von 160 Tagessätzen zu 3000 Franken.
Stocker wurde schuldig gesprochen unter anderem wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung, Betrug und passiver Bestechung. Er wirkt sichtlich geschockt vom Urteil. Unter Polizeischutz verlassen er und seine Frau, die an jedem Prozesstag an seiner Seite war, das Zürcher Volkshaus.
Geht er in Berufung? Sein Anwalt weicht aus, er müsse das Urteil erst analysieren. «Das ändert aber nichts daran, dass Herr Stocker nach wie vor von seiner Unschuld überzeugt ist.» Also dürfte sein Mandant in Berufung gehen.
Von den fünf Mitbeschuldigten im Prozess werden drei zu bedingten Geldstrafen verurteilt. Christian Kolbe