Die Verlangsamung der US-Wirtschaft ist an verschiedenen Fronten spürbar. Die Einzelhandelsumsätze wachsen nur um einen niedrigen einstelligen Prozentbereich, die Investitionen für Wohnimmobilien sind im Jahresvergleich zurückgegangen. Die Produktionsaktivität ist durchwegs negativ, der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe – der «Institute for Supply Chain Management Manufacturing Index» – zeigt seit mehreren Monaten in Folge Werte unter 50 an. Das bedeutet, die amerikanischen Unternehmen stellen sich auf eine schwächer werdende Nachfrage ein.
Für Anlegerinnen und Anleger ist der ISM-Index ein verlässlicher Indikator, welcher als vorauslaufender Indikator einen Auf- und Abschwung der US-Wirtschaft abbildet und damit die Entwicklung an den amerikanischen Aktienmärkten vorgibt.
Ist der Börsenliebling Nvidia überbewertet?
Die Bank of America (BofA) hat in einer Studie mit der Industrie, dem Halbleiterbereich und den Bankwerten drei Sektoren ausfindig gemacht, die eine deutlich höhere Bewertung aufweisen, als dies im ISM-Index widerspiegeln wird. Entsprechend sollten Aktien aus diesen drei Sektoren verkauft oder zumindest gemieden werden.
Der Industriesektor des S&P 500 Index wird zum Beispiel auf einem Niveau gehandelt, das historisch mit einem ISM Manufacturing Index von 56 korreliert. Der letzte Wert des ISM-Index per Ende August steht dagegen etwas mehr als 15 Prozent tiefer bei 47,2 Punkten.
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Halbleiteraktien befinden sich in der gleichen Situation. Der «iShares Semiconductor ETF» mit den Schwergewichten Nvidia, Broadcom oder Advanced Micro Devices ist zwar von seinem Höchststand gefallen. Bei einem Preis von 206 Dollar für den ETF entspricht dies, basierend auf seiner historischen Korrelation, immer noch einem ISM-Index von 58 Punkten.
Enttäuschungen könnten deshalb bevorstehen, erklärten die Aktienstrategen von Evercore gegenüber dem Investorenmagazin «Barron's». Grosse Chipkunden werden in diesem und im nächsten Jahr Dutzende Milliarden Dollar in neue Rechenzentren und KI-Serverinfrastruktur investieren. Prognosen zufolge werden sich diese Ausgaben aber bis 2026 auf einstellige Werte reduzieren. Dieser Rückgang würde dann mit einem verlangsamten Umsatzwachstum der Chiphersteller korrelieren.
Kreditwachstum bei US-Banken am Scheideweg
Neben den Industrie- und Halbleiter-Valoren sind Finanzwerte eine weitere Gruppe, wo sich die Frage stellt, ob Anlegerinnen und Anleger das Exposure reduzieren sollen. Das Kreditwachstum könnte zurückgehen, wenn sich das US-Wirtschaftswachstum abschwächt. Der Finanzsektor preist einen ISM von 59 ein. Das scheint reichlich optimistisch, denn Vermögensverwalter wie State Street könnten Kursverluste erleiden. Wenn der Aktienmarkt fällt, sinken die verwalteten Vermöge und damit die Einnahmen.
Was tiefere Zinsen und geschmälerte Erträge bedeuten, wurde am Dienstag den Aktionären von JPMorgan und Goldman Sachs schmerzhaft in Erinnerung gerufen. JPM-Präsident Daniel Pinto sagte an der jährlichen Global Financial Services Conference von Barclays, die Analysten seien zu optimistisch hinsichtlich der Prognosen für das nächste Jahr. Die Aktie sackte daraufhin um 5,9 Prozent ab. Die Goldman-Sachs-Aktien fielen um bis zu 4,5 Prozent, nachdem Kommentare aufkamen, dass die Handelsumsätze im dritten Quartal stärker als erwartet zurückgehen würden.
Hiesige Börsen dank defensiver Ausrichtung gut aufgestellt
Anastassios Frangulidis, Chefstratege bei Pictet Asset Management Zürich, sieht allerdings kein unmittelbares Rezessionsrisiko. Klar kühlt sich die US-Konjunktur ab und auch global schwächelt das Wachstum, aber von einer Rezession könne erst ab einem ISM-Index-Niveau von 40 bis 45 Punkten gesprochen werden. Er rät Investierenden, weiterhin im Schweizer Aktienmarkt engagiert zu bleiben.
Der Swiss Market Index (SMI) sollte aufgrund seiner defensiven Eigenschaft in den nächsten Monaten die Performance der weltweiten Aktienmärkte inklusive USA übertreffen. «Je stärker die Abschwächung ist, desto höher ist die relative Attraktivität der defensiven Sektoren in der Schweiz gegenüber den amerikanischen oder gegenüber dem globalen Markt.»
Auch bezüglich der Bankaktien ist der Pictet-Experte durchaus optimistisch. Vielleicht sind die amerikanischen Banken eher überbewertet, weil sie gut gelaufen sind in den letzten Jahren. Dagegen hatten die globalen Banken – inklusive der europäischen und der Schweizer Banken – lange Zeit eine Unterperformance. «Das Umfeld ist noch nicht schlecht genug, damit diese Valoren weiter unterdurchschnittlich performen. Die Zinskurve, die sich mittlerweile normalisiert, ist nicht unbedingt eine schlechte Nachricht für den Bankensektor. Obwohl die Bankaktien nicht in den defensiven Bereich fallen, gehört der Sektor zu den interessanteren.»
Positive Prognose für Europas Banken
In diesem Jahr haben die europäischen Banken eine Gesamtrendite von 24 Prozent erzielt und damit um 14 Prozent besser abgeschnitten als der Gesamtmarkt, schreibt Jason Napier, Bankenanalyst bei der UBS, in einer Branchenstudie. Die Bankvaloren haben fast den gesamten Rückgang vom 1. bis zum 3. August wieder wettgemacht und werden jetzt mit dem 7,2-fachen des Gewinns pro Aktie für 2025 gehandelt. Das entspricht einem Abschlag beim Kurs-/Gewinn-Verhältnis (KGV) von 43 Prozent gegenüber dem breiteren Markt.
«Wir treffen auf dem Markt zu viele Investoren, die glauben, dass sinkende Leitzinsen ein Auslöser zum Verkaufen statt zum Kaufen sind. Angesichts der Bewertungen halten wir das für falsch. Wir haben Vertrauen in unsere Gewinnprognosen und die historischen Daten zeigen, dass Banken bei sinkenden Zinsen und steigenden Kursen am Gesamtmarkt im Allgemeinen besser abschneiden», betont der UBS-Experte.