CS-Aktie nach Millionenverlust im Tief
«Da schrillen alle Alarmglocken»

Die CS versteckt ihren Millionenverlust hinter Ausflüchten: Krieg, Lockdowns und Altlasten seien schuld. Konkurrentin UBS überflügelt die CS derweil um Längen. Besserung ist frühestens nächstes Jahr in Sicht.
Publiziert: 27.04.2022 um 19:26 Uhr
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Thomas Gottstein bleibt CEO der Credit Suisse – dem Millionenverlust zum Trotz.
Foto: Thomas Meier
Sarah Frattaroli, Christian Kolbe, Martin Schmidt

Credit-Suisse-CEO Thomas Gottstein (58) sitzt noch fest im Sattel. Dem tiefroten Quartalsergebnis zum Trotz. 273 Millionen Franken hat die CS in den ersten drei Monaten unter dem Strich verlocht. An der Spitze kommt es zur Rochade: Finanzchef David Mathers (56), Rechtschef Romeo Cerutti (59) und der Leiter der Region Asien-Pazifik, Helman Sitohang (54), nehmen den Hut. Das sind drei von zwölf Geschäftsleitungsmitgliedern.

Köpferollen? Gottstein beschwichtigt, spricht von einer «geregelten Nachfolgeplanung». Das ist wohl kaum die ganze Wahrheit. Zumal sich für die Nachfolge von Finanzchef Mathers noch keine Lösung abzeichnet. Auf die Frage, ob auch sein eigener Stuhl gewackelt habe, antwortet Gottstein ausweichend und sagt zu Blick: «Ich bin erst seit zwei Jahren Konzernchef der Credit Suisse, ich habe meinen Posten drei Wochen vor Ausbruch der Corona-Pandemie angetreten. Nun habe ich den klaren Auftrag, die neue Strategie der Bank bis ins Jahr 2024 umzusetzen.»

CS mit «angezogener Handbremse»

Auch wenn Gottstein das nie zugeben würde, der Druck auf ihn dürfte enorm sein. Es muss ihm möglichst bald gelingen, die Bank in ruhigere Fahrwasser zu führen. Der Ukraine-Krieg, der Lockdown in Shanghai und Rückstellungen für Rechtsfälle machen ihm einen Strich durch die Rechnung. Sie alleine erklären die tiefroten Zahlen aber noch nicht. Schliesslich hat Konkurrentin UBS diese Woche das beste Quartalsergebnis seit der Finanzkrise 2007 vermeldet. Wenn auch der Vergleich nicht ganz fair ist: «Für die CS ist das Asien-Geschäft wichtiger, für die UBS das US-Geschäft», schränkt Vontobel-Analyst Andreas Venditti (49) ein. Ausgerechnet dort, wo die Stärken der CS liegen, war das Marktumfeld covidbedingt zuletzt schwieriger.

Kommt hinzu, dass die CS nach den Milliarden-Abschreibern rund um Archegos und Greensill im Investment-Banking weniger Risiken eingeht – was wiederum die Gewinne schmälert. «Angezogene Handbremse», nennt Venditti das.

Vertrauen ist dahin

Noch schwerer wiegen die wiederholten Skandale bei der CS. Zu Archegos und Greensill gesellte sich letztes Jahr der Quarantänebruch des zurückgetretenen Präsidenten António Horta-Osório (58). «Für Investoren und potenzielle Kunden sind das einfach zu viele Skandale», sagt Reputationsexperte Bernhard Bauhofer (59). «Das spricht für eine mangelnde Aufsicht und Transparenz. Da schrillen alle Alarmglocken.»

Das Vertrauen in die einstige Vorzeigebank sei dahin, so Bauhofer. «Die Leute haben bei der CS einfach kein gutes Gefühl mehr und empfehlen die Bank auch nicht mehr weiter.»

Die Zahlen geben ihm recht: Die CS zieht immer weniger Neugeld an, knapp 8 Milliarden waren es in den ersten drei Monaten – im Vergleich zu 28 Milliarden im Vorjahresquartal! CEO Gottstein versucht erneut zu beschwichtigen: «Unter den gegebenen Umständen, dem sehr schwierigen Geschäftsumfeld, ist der Zufluss an Neugeld gar nicht so schlecht. Klar aber ist auch, dass wir noch weit von den Zielen entfernt sind, die wir uns gesetzt haben.»

Lichtblick Schweiz-Geschäft

Neben Kundinnen und Investoren ist auch das Personal verunsichert. Die ständigen Chefwechsel sorgen intern für Unruhe. «Die Leute sind abgelenkt. Wenn eine Firma derart mit sich selber beschäftigt ist, springt die Konkurrenz in die Lücke», schätzt Analyst Venditti ein.

Das Vertrauen gegen aussen und innen wieder aufzubauen, dauert Jahre, prognostiziert Reputationsexperte Bauhofer. «Dafür bräuchte es bei der CS einen fundamentalen Kulturwandel.» Mit der GL-Rochade sei es aber noch längst nicht getan. «Auf mittlerer Managementebene hat die Bank extrem Mühe, noch gute Leute zu finden. Sie ist kein attraktiver Arbeitgeber mehr. Man spricht gar von einer toxischen Unternehmenskultur und hat immer im Hinterkopf, dass die nächste Krise schon vor der Tür steht.»

Ein Lichtblick bleibt immerhin: das Schweiz-Geschäft. Hier hat die CS den Nettoertrag im ersten Quartal um 8 Prozent gesteigert. Den Anlegern allerdings reicht das nicht. Die CS-Aktie brach im Tagesverlauf auf unter 6.50 Franken ein – steht nun nahe beim historischen Allzeittief von 6.18 Franken beim Corona-Schock im März 2020.

Es ist nun an Gottstein, die Reputation seiner Bank wieder aufzumöbeln – und damit letztlich auch die Zahlen und den Aktienkurs. Dieses Jahr wird er das nicht mehr schaffen, schätzt Vontobel-Analyst Andreas Venditti: «Die Hoffnung liegt auf dem nächsten Jahr.» Auch die Bank selber bezeichnet das laufende Jahr als «Jahr des Übergangs».

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