Vergangenen Freitag sprach die Justiz das letzte Wort. Manuel Chang, ehemaliger Finanzminister von Mosambik und langjähriger Geschäftspartner der Credit Suisse, wurde wegen Milliardenbetrugs und Geldwäscherei verurteilt. Gemäss den New Yorker Richtern hat er sich mit 8 Millionen Dollar bestechen lassen und Verträge unterschrieben, wofür er nicht befugt war. Dafür kassiert er wohl mehrere Jahre Haft.
Es ging um den Kauf einer staatlichen Thunfischfangflotte, mit der Mosambik einen neuen Geschäftszweig aufbauen wollte, finanziert mit Milliardenkrediten der Credit Suisse, abgesichert mit einer Staatsgarantie. Ein wahnwitziger Plan, der einem Ziel diente: der eigenen Bereicherung. Insgesamt wirtschafteten Politiker in Maputo, CS-Banker in London und Flottenbauer im Libanon 250 Millionen Dollar in die eigenen Taschen. Die 27 Fischfangboote, die schliesslich in Mosambik landeten, verrosten heute auf einem Parkplatz in der Hauptstadt.
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Die Finanzierung des krummen Geschäfts wickelte die heutige UBS-Tochter Credit Suisse zwischen 2011 und 2016 ab, in der Regentenzeit von Brady Dougan und Tidjane Thiam. Unter Dougan wurden die Darlehen für die Tunfischflotte aufgegleist – und trotz grellen Warnlichtern durchgewunken. Unter Thiam wurden die Darlehen neu strukturiert und 2016 verlängert, nachdem Mosambik die Kredite nicht mehr bedienen konnte.
Das sind gemäss Gerichtsunterlagen die wichtigsten Akteure der Bank:
Die Gauner
Die US-Justiz hat drei ehemalige Direktoren der Credit Suisse wegen Korruption und Geldwäscherei verurteilt: den Australier Andrew Pearse, seine bulgarische Ex-Geliebte Detelina Subeva und den Engländer Surjan Singh. Sie haben mit der US-Justiz kooperiert und sich schuldig bekannt. Sie dürften – ähnlich wie Ex-Minister Chang – mehrjährige Haftstrafen antreten müssen.
Managing Director Pearse war Mastermind des Betrugsfalls und kassierte 50 Millionen Dollar an Schwarzgeld, die er auf einem Bankkonto in Abu Dhabi versteckte. Die Credit Suisse selber belangte ihre drei geständigen Kaderleute nie, wohl weil die Bankoberen befürchteten, mit einem Prozess nur noch mehr Schmutz aufzuwirbeln. Bei der Schlusseinvernahme erklärte Haupttäter Pearse den Richtern: «Ich wollte mich bereichern und der Credit Suisse einen schönen Gewinn verschaffen.»
Der schöne Gewinn entpuppte sich als unschöner Verlust. Inklusive Strafzahlungen, Anwaltskosten und Wiedergutmachung kostete der Fall die CS mindestens 1 Milliarde Franken, den Reputationsschaden nicht eingerechnet. Der Geheimdeal mit Mosambik war einer der Gründe für den Zusammenbruch der Credit Suisse. Der ostafrikanische Staat rutschte mit der durch die Tunfischflotte aufgebauten Schuldenlast in den Staatsbankrott.
Die Helden
Es gab bei der Credit Suisse ein paar Mitarbeitende, die früh warnten – vor Korruptionsrisiken, vor luschen Geschäftspartnern, vor kruden Businessplänen. Zu ihnen gehört der «Angestellte 1», wie er in den Gerichtsdokumenten genannt wird. Dahinter verbirgt sich Fawzi Kyriakos-Saad, damaliger CEO der CS-Division EMEA in London. Er warnte mehrmals vor Iskandar Safa, einem Milliardär und Schiffsbauer aus dem Libanon.
In einem Mail erinnerte Kyriakos-Saad seinen Investmentbanker Andrew Pearse daran, dass die Bank den Eigentümer der Schiffswerft Privinvest einst von der Kundenliste gestrichen habe und ihn fortan als «unerwünschten Kunden» führe. Gleichzeitig verschickte der EMEA-Chef intern zehn Zeitungsartikel, die Safas zweifelhaften Leumund illustrierten.
Kyriakos-Saad war nicht der einzige Warner. In einem externen Prüfbericht, den die CS in Auftrag gab, wurde der Privinvest-Chef als «Master of Kickback» beschrieben. Und weiter lasen die CS-Leute darin: «Alle unsere Quellen sagen, Schmiergeldzahlungen gehörten zu seinen Geschäftspraktiken.» Ein weiterer angeforderter Bericht externer Schiffsbauexperten nannten ihn einen «gefährlichen Mann», bei dem Korruption Teil des Geschäftsmodells sei, «das ethische Verhalten dagegen kommt zuletzt».
Die warnenden Berichte wurden bankintern zur Kenntnis genommen. Doch Pearse wusste einen Zaubertrick, der überzeugte: Dann müsse man halte den Deal so strukturieren, dass Safa «im Bild nicht mehr aufscheint», schrieb er an die verunsicherten Controller. Damit waren alle zufrieden. Ausser Fawzi Kyriakos-Saad, denn der wurde alsbald abserviert. Ende 2012 reorganisierte Brady Dougan die Geschäfte in London neu. Kyriakos-Saad war überflüssig und verliess die Bank.
Bei der Ankündigung von dessen Abgang meinte Dougan in einer Pressemitteilung: «Mit diesem Wechsel machen wir einen nächsten Schritt, um unsere Ziele zu erreichen.» Offenkundig stand Kyriakos-Saad Dougans Ambitionen im Weg. Dieser liess sich durch nichts bremsen: Zwei Jahre später schloss er mit der US-Justiz einen Deal wegen Geldwäscherei und zahlte 2,6 Milliarden Dollar Busse.
Nach der Flurbereinigung in London machte Dougan seinen Buddy Eric Varvel zum starken Mann im Investmentbanking. Er startete Anfang 2013 – und siehe da: Kurz darauf war der als «Master of Kickback» beschriebene Besitzer der Schiffswerft, den man von der CS-Kundenliste verbannt hatte, wieder ein geschätzter Bankklient. Safa hatte zwei starke Argumente: Er war steinreich und unterhielt beste Beziehungen zum Herrscherhaus in Abu Dhabi, einem Schlüsselmarkt der Credit Suisse.
Später übernahm Varvel das Assetmanagement der Grossbank – bis zu seinem Rauswurf 2021. Der Grund für die Trennung: Der geschäftstüchtige Varvel war an vorderster Front auch beim Greensill-Skandal involviert. Bis zuletzt hatte er die zweifelhaften Greensill-Lieferkettenfonds der betuchten CS-Kundschaft in höchsten Tönen angepriesen. Noch im Dezember 2019, wenige Wochen vor der zwangsweisen Liquidation der 10-Milliarden-Fonds, schwärmte er im CS-Kundenmagazin «Scoop» von deren «hohen Qualität und hohen Renditen». Varvel galt in der Bank über dreissig Jahre hinweg als unantastbar, weil er beste Kontakte zum CS-Grossaktionär Katar pflegte. Erst nach dem Greensill-Knall war Schluss.
Die Nieten
Alle Dokumente aus Gerichten in New York und aus einem Schiedsgerichtsverfahren in London zeigen: Bei der Credit Suisse haben im Fall der Mosambik-Flotte sämtliche Kontrollgremien versagt. Alle haben den fragwürdigen Deal 2013 durchgewunken – Compliance-Abteilung, Risikomanagement, Reputationskomitee, Kreditrisikomanagement, Investitionsausschuss und Antigeldwäschereiabteilung. Oberstes Ziel war, wie ein Kadermann in einem Mail schrieb, «das Volumen der Darlehen möglichst zu steigern». Man rechnete mit einer Rendite von 10 Prozent – also 100 Millionen Franken.
Auch dem Aufstocken der Darlehen um total 550 Dollar auf über 1 Milliarde Franken stimmten die Kontrollbehörden 2016 ohne Widerspruch später zu. Damals strukturierte die CS das Darlehen neu und machte es US-Investoren bliebt. Logischerweise wurden die warnenden Hinweise der letzten Jahre an den Roadshows in den USA verschwiegen. Verschwiegen wurde auch der Bericht der Schiffsbauexperten, die sich über die eingesetzten Bootspreise in der Kalkulation der Bank wunderten, welche mehr als das Doppelte des Marktpreises betrugen. Eine Werthaltigkeit war nicht gegeben.
In einem Mal schrieb darauf der «CS-Angestellte 1» dem «CS-Direktor 2»: «Um die Höhe des Kredits zu rechtfertigen, müssen wir uns etwas einfallen lassen.» Worauf der Direktor die Compliance-Abteilung informierte und den geplanten Deal als «fucking shit» bezeichnete. Doch nach einer Präsentation von Investmentbanker Andrew Pearse waren die Vorbehalte der Aufsicht vom Tisch. Aus einem simplen Grund, wie ein Aufpasser meinte: «Wenn wir mitmachen, können wir die Situation besser kontrollieren und das Positive an der Aktion herausstreichen.» Wenn die CS aber nicht mitziehe, bestehe ein erhöhtes Reputationsrisiko, denn dann würde eine Konkurrenzbank erkennen, wie fragwürdig («poor») der Deal konstruiert sei. Das Argument zog.
Auch die Konzernzentrale in Zürich war spätestens seit 2015 über die zweifelhaften Kreditgeschäfte und die Umwandlung der Obligationen in Anleihen von Mosambik im Bild. Es ging um Hunderte Millionen Dollar. CEO war Thiam, Risikochef Jo Oechslin, Compliance-Chefin Lara Warner. Bei ihrer Beförderung stellte sie Thiam dem Publikum als «rising star» vor. Die ehemalige Aktienanalystin und ein Liebling Thiams, griff beherzt durch, entliess erfahrene Kontrollexperten und ersetzte sie durch unerfahrene Juniors. Die waren billig und hatten gegen die Regenmacher aus dem Investmentbanking wenig zu melden. Auch das Compliance-Desk Schweiz leerte sich rasch, nachdem Warner intern verkündet hatte, Schweizer Regulatoren interessierten sie nicht, entscheidend seien jene in den USA. Das Urteil Finma über die laschen Aufpasser in Zürich im Fall Mozambik ist vernichtend: Dem Mutterhaus lagen Informationen vor, wonach möglicherweise Hunderte Millionen zweckentfremdet wurden, dennoch winkten die Gremien die Umstrukturierung durch. Die Kontrolle, schliesst die Aufsichtsbehörde, habe «schwerwiegende Mängel» gehabt und seine Pflichten nicht erfüllt.
Warner wurde – wie Varvel – 2021 entlassen, weil auch sie im Greensill-Skandal eine höchst zweifelhafte Figur abgab. Seither ermittelt offenbar die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen die beiden.
Der Kreditentscheid für die Fischfangflotte war nur ein Ereignis von vielen, welche die Bank an den Abgrund bringen sollte, wie man später feststellte. 2023 war die Credit Suisse Geschichte, die Integration in die UBS läuft.