Chinesen bleiben zu Hause – Experte ordnet die Reiseflaute aus dem Reich der Mitte ein
China-Krise trifft den Schweizer Tourismus

Vor der Pandemie liessen chinesische Touristen in aller Welt und in der Schweiz die Kassen klingeln. Inzwischen gibt es Zweifel, ob dieses Reiseniveau je wieder erreicht wird. Blick hat dazu mit China-Experte Yong Chen von der EHL gesprochen.
Publiziert: 23.03.2024 um 18:20 Uhr
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Aktualisiert: 24.03.2024 um 19:49 Uhr
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Chinesische Touristen auf dem Titlis: Kommen sie in Scharen zurück?
Foto: Keystone
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Jean-Claude RaemyRedaktor Wirtschaft

Kommen die Chinesen zurück? Diese Frage treibt die Schweizer Tourismusorte um.

Bei den Jungfraubahnen etwa ist die Zahl der chinesischen Touristen noch weit weg von den Zahlen vor der Pandemie. Trotz der Stärke der Marke «Jungfrau» in China und zahlreicher spezieller Aktivitäten kehrten – gemessen am Jahr 2019 – erst 25 Prozent der chinesischen Gäste zurück. Dieses Jahr hofft die Jungfraubahn auf 50 bis 60 Prozent der 2019er-Werte.

Auch in Luzern lagen die Besucherzahlen aus China 2023 weiterhin um 70 Prozent unter dem Wert von 2019. 2024 sollen es schon 65 Prozent sein. «Wir erwarten, dass sich der Markt China weiter erholen wird», heisst es da vorsichtig optimistisch. 

Total generierten chinesische Besucher laut Schweiz Tourismus im vergangenen Jahr 817'000 Logiernächte hierzulande. Ein Minus von 55,8 Prozent gegenüber 2019. Ab 2025 sollten die alten Zahlen wieder erreicht sein, so die Hoffnung. Für China-Experte Yong Chen (43), Professor an der EHL Hospitality Business School in Lausanne, ist eine vollständige Erholung auf das Vor-Corona-Niveau jedoch alles andere als sicher.

Reisen im eigenen Land bevorzugt

«Das Einkommen und das Vertrauen der chinesischen Konsumenten aufgrund der Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft verbleiben auf dem niedrigsten Stand seit Jahrzehnten, was sie daran hindert, Geld auszugeben», so Chen. Hinzu kommt, dass der chinesische Auslandstourismus zwischen 2010 und 2020 der grösste Treiber des chinesischen Handelsdefizits im Dienstleistungssektor war. 2019 betrug dieses 250 Milliarden US-Dollar. Wenn Touristen ihr Geld im Inland ausgegeben würden, würde dies das BIP Chinas steigern.

Wenn die Priorität der chinesischen Regierung darin besteht, die Wirtschaft zu fördern, ist somit die Regulierung des Auslandstourismus eine Option. Und so fordert China die eigene Bevölkerung aktuell dazu auf, im eigenen Land zu reisen. «Ich denke, dass eine Regionalisierung des chinesischen Tourismus im Gange ist, nämlich dass mehr Chinesen nebst im Inland in der asiatisch-pazifischen Region reisen», so Chen.

Parallel dazu öffnet sich das Land vermehrt ausländischen Touristen. Seit wenigen Tagen ist es auch für Schweizerinnen und Schweizer möglich, für einen Aufenthalt von bis zu 15 Tagen ohne Visum in China einzureisen.

Einzelreisende statt Gruppen?

Früher reisten Chinesen in grossen Gruppen. Dieses Geschäft dürfte sich fundamental ändern: «Unabhängige Reisende könnten Massentouristengruppen ersetzen», glaubt Chen. Dies liegt daran, dass Fernreisen nach Europa oder Nordamerika, die weiterhin deutlich teurer sind als vor Covid, nur für wohlhabende chinesische Touristen erschwinglich sind.

Chen glaubt allerdings, dass Chinas Auslandstourismus um 2020 herum selbst ohne Corona-Pandemie eine Obergrenze erreicht hätte: «Dies lag weitgehend an der Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft und vielleicht auch an der Veränderung der soziodemografischen Struktur in China, wie der alternden Bevölkerung.»

Hohe chinesische Kaufkraft

Chinesen machten im Spitzenjahr 2019 gerade mal 4 Prozent aller ausländischen Touristen in unserem Land aus. Weshalb sind sie trotzdem so wichtig? Weil sie starke Kaufkraft mitbringen: «Einkaufen war die vorherrschende Reisetätigkeit chinesischer Touristen in entwickelten Ländern», sagt Chen. Vor der Pandemie gaben chinesische Touristen im Durchschnitt rund 1800 US-Dollar pro Person am Reiseziel aus, in der Schweiz noch viel mehr. Der globale Durchschnitt unabhängig vom Herkunftsland liegt bei 1000 US-Dollar.

Davon profitierten in der Schweiz die (Luxus-)Uhrenindustrie, zahlreiche Hotels, Restaurants, Attraktionen, Transportdienstleister und mehr. Und die direkten Ausgaben der Touristen am Reiseziel machen nur etwa ein Drittel des Gesamtbeitrags des Tourismus zum BIP aus.

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