Chinas Häuser-Riese am Abgrund
Schwappt Immobilienschock in die Schweiz über?

Chinas zweitgrösster Immobilienentwickler Evergrande steht am Abgrund. Die Märkte fürchten Schockwellen für das Finanzsystem. Schwappt die Welle in die Schweiz über?
Publiziert: 16.09.2021 um 17:40 Uhr
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Am Montag hatten aufgebrachte Anleger die Lobby des Hauptsitzes von Evergrande in Shenzen gestürmt und ihr Geld zurückverlangt.
Foto: AFP

Die Bilder aus China erinnern an Szenen aus 2007, als die Finanzkrise Schockwellen über den Globus schickte: Aufgebrachte Anleger stürmen die Lobby des Hauptsitzes von Evergrande in Shenzen. Sie wollen ihr Geld zurück. Es sind Bilder von dieser Woche. Die Lage beim schuldenbeladenen Immobilienkonzern spitzt sich jeden Tag weiter zu.

Evergrande, Chinas zweitgrösster Immobilienentwickler, steht am Abgrund. Der Konzern ächzt unter einem Schuldenberg von mehr als 300 Milliarden Dollar. Der Immobilien-Gigant hat in jüngster Vergangenheit selbst vor Liquiditäts- und Ausfallrisiken gewarnt, falls es ihm nicht gelingt, die Bautätigkeit wieder aufzunehmen, Firmenbeteiligungen zu verkaufen und Kredite zu erneuern.

Welt schaut gebannt nach China

An der Börse brachen die Aktien in den letzten Tagen ein, der Handel mit Anleihen wurde nach Kursabstürzen vorübergehend angehalten. Die Finanzmärkte befürchten Schockwellen. Werden diese auch die Schweiz treffen? Der Schweizer Immobilienmarkt ist abhängig von der globalen Geldpolitik. Die weltweite Vernetzung nimmt zu.

Martin Neff (61), Chefökonom von Raiffeisen Schweiz, rechnet aktuell trotzdem nicht damit, dass die Immobilienkrise den Schweizer Häusermarkt erreichen wird. «Etwas Nervosität an den Finanzmärkten ist nicht auszuschliessen», sagt der Immobilienexperte. «Aber das Problem ist hausgemacht und nicht mit der Subprime-Krise in den USA vergleichbar.»

Behörden warnen Banken

In Peking bereitet die Regierung die Banken derweil auf Zinsausfälle bei Krediten an Evergrande vor. Die Liquiditäts- und Refinanzierungssituation von Evergrande sei erheblich schlechter geworden, erklärt die Ratingagentur S&P.

Die chinesische Wohnbau- und Stadtentwicklungsbehörde warnte die Banken des Landes vor Zahlungsausfällen, wie Bloomberg unter Berufung auf Insider berichtete. Evergrande werde nicht in der Lage sein, die am 20. September fälligen Zinsen zu bedienen. Das Unternehmen verhandelt mit Finanzinstituten über Zinsmoratorien und Verlängerungen von Darlehen.

Angst vor Zahlungsausfällen

Knapp 90 Milliarden Dollar der Schulden entfallen Experten zufolge auf Banken und andere Finanzinstitutionen. Die meisten Kredite liegen Analysten von JP Morgan zufolge bei der China Minsheng Bank.

Die Experten von Fitch erwarten, dass vor allem kleinere Banken von Zahlungsausfällen bei Evergrande betroffen sind. Das Bankensystem in Gänze könne die Probleme verkraften, hiess es in einem Ratingbericht.

Regierung eilt zu Hilfe

Experten gehen davon aus, dass die chinesische Regierung zu Hilfe eilt. Analystin Hua Cheng vom Vermögensverwalter Alliance Bernstein sagt, Evergrande sei eines der am höchsten verschuldeten Unternehmen weltweit und der chinesische Immobiliensektor sei von grosser Bedeutung.

Evergrande und seine Rivalen seien aber nicht systemrelevant. «Wenn auch einzelne Bauträger in Verzug geraten oder scheitern könnten, werden die chinesischen Behörden höchstwahrscheinlich Massnahmen ergreifen, um die Auswirkungen auf den Sektor zu begrenzen», so Cheng

Ausverkauf an der Börse

Die Aktien von Evergrande sackten am Mittwoch an der Börse in Hongkong um sechs Prozent auf den tiefsten Stand seit Anfang 2014 ab. Seit Anfang des Quartals haben die Titel fast drei Viertel ihres Wertes verloren. Kurse von Evergrande-Anleihen brachen am Mittwoch teilweise um 20 Prozent ein, nachdem sie schon in den vergangenen Tagen stark verloren hatten. Auch Aktien und Anleihen anderer Immobilienfirmen gerieten unter die Räder.

Evergrande war im Juni mit Zinszahlungen für Anleihen in Verzug geraten. Darauf folgende Ratingabstufungen beschleunigten den Ausverkauf an den Börsen. Die chinesische Zentralbank und die Finanzaufsichtsbehörde riefen im August das Evergrande-Management dazu auf, Schulden zu reduzieren und den Konzern zu stabilisieren.

Die Regierung bemühe sich auch um die Sicherung des sozialen Friedens, sagen Marktbeobachter. Bei dem Konzern arbeiten 200'000 Menschen, jährlich werden etwa 3,8 Millionen Menschen engagiert für Bauprojekte. (SDA/dvo)

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