Preise in schwindelerregenden Höhen – Experten warnen vor einem Immo-Kollaps
«Wir sitzen auf einer tickenden Zeitbombe»

Die Immobilienpreise stiegen in den letzten Jahren in schwindelerregende Höhen. Doch je höher der Aufstieg, desto tiefer der Fall, der drohen könnte.
Publiziert: 12.07.2021 um 01:39 Uhr
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Aktualisiert: 14.07.2021 um 10:50 Uhr
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Der ungebrochene Boom birgt Gefahren. Pensionskassen investieren seit einigen Jahren vermehrt in Wohnimmobilien. Der Grund: Nirgends lockt eine grössere Rendite als auf dem Immobilienmarkt.
Foto: ING
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Dorothea Vollenweider

Der Schweizer Immobilienmarkt erlebt seit Jahren einen Boom. Nicht einmal die Pandemie konnte daran etwas ändern. Die Immobilienpreise stiegen während der Krise weiter an. Eigentlich eine gute Nachricht. Oder?

Nicht ganz. Denn: Je höher der Aufstieg, desto tiefer der Fall. «Wir sitzen auf einer tickenden Zeitbombe», warnt Experte Donato Scognamiglio (51). Er ist Chef des Immobilien-Beratungsinstituts IAZI.

Der ungebrochene Boom birgt Gefahren. «Besonders besorgniserregend ist, was institutionelle Investoren derzeit machen», sagt Scognamiglio. Pensionskassen beispielsweise. Sie investieren seit einigen Jahren vermehrt in Wohnimmobilien. Denn im Vergleich zu Negativzinsen lockt auf dem Immobilienmarkt die grössere Rendite.

«Das ist nicht nachhaltig»

Dieser Run auf Liegenschaften führt zu einer Überhitzung des Markts. «Institutionelle Anleger sind bereit, für Immobilien horrende Preise zu bezahlen – aus Mangel an Alternativen», so der Branchenexperte. Es komme vor, sagt Scognamiglio, dass eine Pensionskasse für ein Topobjekt bis zu 70-mal die Jahresmiete hinblättere.

Laut Immobilienexperten ist das 25-Fache der Jahresmiete ein guter Richtwert für den Kaufpreis. Bei Immobilien an guten Lagen kann es auch mal das 40-Fache sein. Aber: «70-mal die Jahresmiete – das ist nicht nachhaltig», so Scognamiglio. Es bedeutet, dass der Käufer mehr als 70 Jahre warten muss, bis er das investierte Geld wieder reingeholt hat.

Massives Verlustrisiko

«Die Zahlungsbereitschaft institutioneller Anleger stieg in den letzten Jahren stark an», sagt auch Robert Weinert (42), Immobilienexperte von Wüest Partner. Sie zahlen Immobilienpreise, die keine Bank je finanzieren würde. Aber Pensionskassen brauchen auch kein Cash von Banken. Sie müssen keine Tragbarkeitsrechnung bestehen. Sie benötigen nur das Geld der Versicherten – und eine grosse Portion Wagemut.

Pensionskassen begeben sich auf einen schmalen Grat. «Der starke Preisanstieg hat das Risiko von Preiskorrekturen erhöht», so Weinert. «Sobald die Zinsen wieder steigen, könnten die Preise für Renditeliegenschaften in der Schweiz stark einbrechen», sagt auch Scognamiglio.

Darauf müssen private Hauseigentümer nun achten

Sollten die Häuserpreise sinken, hat das nicht nur für institutionelle Investoren Folgen, sondern auch für private Hauseigentümer. Das Problem? Wer bei der Bank Hypothekarschulden hat, darf immer maximal zu 80 Prozent verschuldet sein.

Ein Beispiel: Kostet eine Wohnung 700'000 Franken, darf der Käufer bei der Bank einen Kredit von 550'000 Franken aufnehmen – 80 Prozent von 700'000 Franken. Sinkt der Wert dieser Wohnung auf 630'000 Franken, dürfen die Schulden bei der Bank aber nur noch bei rund 500'000 Franken liegen.

Das heisst, der Wohnungsbesitzer müsste der Bank auf einen Schlag 50'000 Franken zurückbezahlen. Das ist viel Geld, das nicht jeder auf der hohen Kante hat. Für Immobilienbesitzer von mehreren Liegenschaften kann sich das schnell läppern.

Immobilienexperte Donato Scognamiglio (51) rät Käufern von Eigenheimen, nicht an die Grenzen der Verschuldung zu gehen. Wer bei der Bank eine maximale Belehnung von 80 Prozent habe, für den sei bei diesen tiefen Zinsen ein guter Zeitpunkt, Schulden zu amortisieren.

Jenen mit mehr als einer Liegenschaft rät er davon ab, jeden Preis zu bezahlen. «Bei den aktuellen Preisen ist der Einbruch bei einer Korrektur sonst zu gross», so Scognamiglio.

Sollten die Häuserpreise sinken, hat das nicht nur für institutionelle Investoren Folgen, sondern auch für private Hauseigentümer. Das Problem? Wer bei der Bank Hypothekarschulden hat, darf immer maximal zu 80 Prozent verschuldet sein.

Ein Beispiel: Kostet eine Wohnung 700'000 Franken, darf der Käufer bei der Bank einen Kredit von 550'000 Franken aufnehmen – 80 Prozent von 700'000 Franken. Sinkt der Wert dieser Wohnung auf 630'000 Franken, dürfen die Schulden bei der Bank aber nur noch bei rund 500'000 Franken liegen.

Das heisst, der Wohnungsbesitzer müsste der Bank auf einen Schlag 50'000 Franken zurückbezahlen. Das ist viel Geld, das nicht jeder auf der hohen Kante hat. Für Immobilienbesitzer von mehreren Liegenschaften kann sich das schnell läppern.

Immobilienexperte Donato Scognamiglio (51) rät Käufern von Eigenheimen, nicht an die Grenzen der Verschuldung zu gehen. Wer bei der Bank eine maximale Belehnung von 80 Prozent habe, für den sei bei diesen tiefen Zinsen ein guter Zeitpunkt, Schulden zu amortisieren.

Jenen mit mehr als einer Liegenschaft rät er davon ab, jeden Preis zu bezahlen. «Bei den aktuellen Preisen ist der Einbruch bei einer Korrektur sonst zu gross», so Scognamiglio.

Wenn die Zinsen auf dem Kapitalmarkt steigen, erhöhen sich in der Regel auch die Hypothekarzinsen. Das wiederum dürfte der Nachfrage nach Renditeliegenschaften einen Dämpfer verpassen und die Preise zum Fallen bringen. «Die Wahrscheinlichkeit, dass Investoren dann einen massiven Abschreiber abbuchen müssen, ist riesig.» Heisst im Klartext: Pensionskassen türmen ein milliardenschweres Verlustrisiko in den Büchern – auf Kosten der Versicherten.

Kollaps möglich

Das Schreckgespenst ist nicht aus der Luft gegriffen. Selbst der Wirtschaftsverband Economiesuisse schrieb vor kurzem, dass die steigenden Immobilienpreise ein Risiko für abrupte Marktkorrekturen darstellten. Laut der Schweizerischen Nationalbank gehört der Immobilienmarkt aktuell zu den grössten Risikofaktoren für die Stabilität des Bankensektors.

Dass der Immobilienmarkt durchaus in eine Krise geraten kann, zeigte sich zuletzt 2007. Damals kollabierte der Häusermarkt der USA, was eine globale Finanzkrise auslöste und Schockwellen über den Globus schickte. Die Folgen zeigten sich auch im hiesigen Häusermarkt. Und die Schweiz ist nicht gefeit vor einer erneuten Ansteckung.

Gefahr von aussen

«Der Schweizer Immobilienmarkt ist abhängig von der globalen Geldpolitik», sagt Weinert. Die weltweite Vernetzung nimmt zu. «Wenn die US-Notenbank beispielsweise wegen Inflation die Zinsen erhöht, dann kann das einen Einfluss auf die Zinsentscheide der Schweizer Nationalbank und damit auf den Schweizer Häusermarkt haben», sagt Weinert.

So abwegig ist das nicht – trotz oder gerade wegen der Corona-Krise. Tatsächlich zeigen sich in den USA gegenwärtig Anzeichen von Inflation. Der Privatkonsum hat sich in den letzten Wochen stark erholt. Er liegt deutlich über dem Niveau vor der Krise. Und die Häuserpreise sind auf dem Niveau von 2007. Für Scognamiglio ist klar: «Grössere Wertkorrekturen sind in Zukunft nicht mehr auszuschliessen.»

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