Burnout und Diskriminierung
Jeder Vierte leidet unter seinem Job

Die Belastung am Arbeitsplatz steigt. Die Zahl der Menschen, die deswegen krank werden, auch. Neue Zahlen des Bundesamtes für Statistik zeigen, wie dramatisch die Lage ist.
Publiziert: 23.05.2024 um 18:51 Uhr
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Aktualisiert: 24.05.2024 um 11:16 Uhr
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Jede vierte Frau fühlt sich bei der Arbeit gestresst.
Foto: imago/Westend61

Entwickelt sich die Arbeitswelt in die falsche Richtung? Das könnte man meinen, wenn man die neusten Zahlen zur mentalen Gesundheit am Arbeitsplatz liest. Denn die machen Angst. Und geben zu denken. Immer mehr Arbeitnehmende in der Schweiz sind am Arbeitsplatz gestresst. Ihre Zahl hat laut einer vom Bundesamt für Statistik veröffentlichten Erhebung innert zehn Jahren um fünf Prozent zugenommen. 23 Prozent der hierzulande befragten Menschen fühlten sich demnach bei der Arbeit gestresst.

25 Prozent der erwerbstätigen Frauen und 21 Prozent der erwerbstätigen Männer gaben für das Jahr 2022 an, dass sie an ihrem Arbeitsplatz meistens oder immer Stress erleben. Bei den Frauen entsprach dies einer Zunahme um acht, bei den Männern um drei Prozent im Vergleich mit 2012, wie aus der Schweizerischen Gesundheitsbefragung des Bundesamts für Statistik (BFS) für die Jahre 2012 bis 2022 hervorgeht.

Hohem Burnout-Risiko ausgeliefert

Am häufigsten trat Stress dabei im Gesundheits- und Sozialwesen auf. 29 Prozent der Befragten in diesen Branchen gaben an, gestresst zu sein. Auch war jede vierte Frau in dieser Branche erwerbstätig. Der Anteil der Frauen, die sich bei der Arbeit emotional erschöpft fühlten und somit einem höheren Burnout-Risiko ausgesetzt waren, erhöhte sich von 20 Prozent im Jahr 2012 auf 25 Prozent im Jahr 2022, wie es weiter heisst.

Bei den Männern blieb der entsprechende Anteil stabil und belief sich 2022 auf 19 Prozent. Im Vergleich zu den anderen Erwerbstätigen zeigten emotional erschöpfte Personen zudem deutlich häufiger Anzeichen einer Depression.

Frauen gaben 2022 zudem mit 21 Prozent häufiger an, bei der Arbeit Diskriminierung oder Gewalt erlebt zu haben, als Männer. Bei Letzteren lag dieser Wert bei einem Anteil von 16 Prozent der Befragten.

Frauen werden häufiger diskriminiert

Der Unterschied erklärte sich laut der Gesundheitsbefragung hauptsächlich mit dem deutlich höheren Anteil der Frauen, die in den zwölf Monaten vor der Erhebung aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert wurden. 8,4 Prozent der Frauen gaben an, aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert worden zu sein, bei den Männern waren es 1,5 Prozent.

1,7 Prozent der befragten Frauen gaben zudem an, sexuelle Belästigung erlebt zu haben. Bei den 15- bis 29-jährigen Frauen belief sich der Anteil gar auf 4,1 Prozent. Bei den Männern gaben dies 0,4 Prozent an. Der Anteil der Frauen, die nach eigenen Angaben sexuell belästigt wurden, erhöhte sich zwischen 2012 und 2022 somit um 1,1 Prozent.

Für die Gesundheitsbefragung analysierte das BFS auch die Entwicklung von insgesamt zehn physischen Risiken und neun psychosozialen Risikotypen innert zehn Jahren. 2022 waren laut der Befragung 47 Prozent der Männer und 43 Prozent der Frauen bei ihrer Arbeit mindestens drei von zehn untersuchten, möglichen physischen Risiken ausgesetzt. Bei den Männern war der Anteil gegenüber 2012 somit leicht rückläufig: Damals gaben 50 Prozent der Männer an, physischen Risiken ausgesetzt zu sein.

Belastung in der Pflege besonders gross

Die einzigen physischen Risiken, die laut der BFS-Erhebung von Frauen häufiger erwähnt wurden als von Männern, waren schmerzhafte und ermüdende Körperhaltungen sowie das Tragen oder Bewegen von Menschen. Diese Belastungen traten vor allem in der Pflege oder bei der Betreuung kleiner Kinder häufig auf.

In der Landwirtschaft und im Baugewerbe überwogen physische Risiken gegenüber psychosozialen Risiken deutlich. Mehr als 80 Prozent der hier tätigen Personen waren mit mindestens drei physischen Risiken konfrontiert.

Im Gesundheitswesen, im Gastgewerbe, im Handel sowie im Verkehr traten psychosoziale Risiken gleich häufig auf wie physische Risiken. Hier waren knapp oder mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen von mindestens drei physischen oder mindestens drei psychosozialen Risiken betroffen.

Unter 30-Jährige leiden besonders stark

In den anderen Dienstleistungsbranchen traten psychosoziale Risiken häufiger auf als physische Risiken. Im Gastgewerbe, im Baugewerbe und im Gesundheitswesen war der Anteil Erwerbstätiger, die mindestens drei physischen Risiken oder drei psychosozialen Risiken ausgesetzt waren, am höchsten.

Personen unter 30 Jahren waren bei der Arbeit häufiger mit physischen Risiken konfrontiert als ältere Beschäftigte. 61 Prozent der Männer unter 30 gaben mindestens drei physische Risiken an, gegenüber 46 Prozent der 30- bis 49-Jährigen und 41 Prozent der 50- bis 64-Jährigen. Junge Frauen waren öfter mindestens drei psychosozialen Risiken ausgesetzt als ältere.

Gewerkschaften fordern umfassende Massnahmen

Was sagen die Gewerkschaften zu den neusten Ergebnissen? «Sie zeigen eine besorgniserregende Zunahme von Stress und emotionaler Erschöpfung am Arbeitsplatz, besonders bei Frauen und in bestimmten Branchen», schreibt der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB).

Er fordert umfassende Massnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen, zur Prävention und Anerkennung psychosozial bedingter Berufskrankheiten. Weiter die «Bekämpfung von sexueller Belästigung und Unterstützung von Beschäftigten in Berufen mit hohem Frauenanteil». Das Parlament müsse endlich das Vorhaben zur Verschlechterung des Arbeitsgesetzes begraben.

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