Seit anderthalb Jahren ist Corona das grosse Thema. Die damit verbundenen Unsicherheiten und Ängst gehen an die Substanz. Das zeigt die CSS-Gesundheitsstudie, welche das Forschungsinstitut Sotomo durchgeführt hat. Der Fokus liegt dabei auf der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Gesundheit und Krankheit und den Lehren, die die Bevölkerung aus der Corona-Pandemie gezogen hat.
Eines ist aber klar: Längst nicht allen schlägt die Corona-Krise auf die Gesundheit. Bei 28 Prozent der Erwachsenen in der Schweiz hat die Erfahrung der letzten 16 Monate die Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisensituationen erhöht. Es handelt sich laut der Studie meist um Personen, die sich selbst in einer guten psychischen Verfassung wähnen.
Kurz: Menschen, denen es gut geht, geben häufiger an, dass ihre Widerstandsfähigkeit erhöht und ihre Lebensfreude geweckt worden ist – trotz Corona. «Sie haben gesehen, dass man sich auch in einer weltweiten Krise aufrappeln und noch stärker werden kann», sagt Sotomo-Geschäftsführer Michael Hermann zu Blick. «Sie schöpfen Kraft daraus, dass es trotzdem weitergeht.»
Jeder Vierte nimmt sich als krank wahr
Und doch: Junge Erwachsene fühlen sich weniger gesund als vor der Pandemie. Der Anteil der Erwachsenen, der sich als gesund oder sehr gesund einschätzt, ist in der Befragung vom Juni 2021 im Vergleich zum März 2020 gesunken (von 78 auf 73 Prozent). Jeder vierte Erwachsene nimmt sich somit als nicht vollständig gesund oder gar als krank wahr.
Auffällig ist die veränderte Selbsteinschätzung vor allem bei jungen Erwachsenen. Der Anteil, der sich als nicht ganz gesund oder sogar krank einschätzt, ist seit der Befragung 2020 von 16 Prozent auf 26 Prozent gestiegen.
2,5 Kilo zugenommen
«Diese deutliche Veränderung zeigt, dass das Krisenjahr bei vielen jungen Erwachsenen zu einer direkten oder indirekten Belastung der Gesundheit geführt hat», schreiben die Autoren der Studie. Die Pandemie habe sich unterschiedlich auf die körperliche Situation von Jung und Alt ausgewirkt.
Ein anschauliches Beispiel: Personen über 60 Jahre haben im Schnitt ein Kilo, Personen unter 50 Jahren dagegen 2,5 Kilo zugenommen. Damit nicht genug: Die zusätzliche Zeit, die durch die Corona-Krise zu Hause verbracht werden musste, führte auch dazu, dass leicht mehr Alkohol getrunken wurde als zuvor. Auch das Rauchen nahm zu.
Junge Frauen fühlen sich verletzbarer
«Für die Gesundheit spielt die mentale Ebene eine zentrale Rolle», so die Studienautoren. 15 Prozent der Befragten geben an, dass es ihnen immer gut gehe, 59 Prozent sind der Ansicht, dass ihr psychisches Wohlbefinden meistens gut sei. Bleibt ein Viertel, der angibt, das eigene emotionale Befinden sei «durchzogen» oder «schlechter». Der Anteil mit einem beeinträchtigten psychischen Wohlbefinden liegt bei den Frauen bei 32 und bei den Männern bei 20 Prozent.
Auch je nach Alter gibt es grosse Unterschiede. Satte 38 Prozent der 18 bis 35-Jährigen geben an, dass es ihnen höchstens «durchzogen» geht. Besorgniserregend ist die Situation bei den jungen Frauen bis 30 Jahren. Die Hälfte von ihnen bezeichnet das eigene psychische Befinden als «durchzogen» oder «noch schlechter».
«Junge Frauen achten mehr auf ihren Körper und ihre Psyche», sagt Hermann. «Sie haben da ein Frühwarnsystem, das Männer nicht haben. Die warten eher zu und verdrängen negative Folgen.»
Corona verstärkt die Einsamkeit
Die Mehrheit derjenigen, denen es nicht gut geht, leidet unter den Folgen der Pandemie. Konkret: Die Hälfte berichtet von depressiven Verstimmungen und erhöhter Einsamkeit. Aber auch verstärkte Ängste und das Gefühl von Hoffnungslosigkeit treten häufiger auf.
Vor allem junge Menschen leiden. 38 Prozent geben an, dass die Corona-Pandemie ihre Einsamkeit verstärkt hat. Fast ein Drittel gibt an, dass sie depressive Verstimmungen verspüren. Bei etwas mehr als einem Fünftel der 18-bis 35-Jährigen haben sich Angstzustände verstärkt.
«Gerade für junge Menschen ist es ein Ausprobieren, sie möchten andere Menschen kennenlernen, soziale Kontakte knüpfen. Und das ist in der Pandemie nicht möglich», sagt Hermann.
Das Fazit der Studie: Personen, denen es nicht gut geht sowie Junge leiden am stärksten unter den psychischen Folgen der Pandemie. Der Graben zwischen den psychisch Robusten und den weniger Robusten ist grösser geworden.