«Astrazeneca hat nichts falsch gemacht»
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Präsident der Impfkommission:«Astrazeneca hat nichts falsch gemacht»

Briten-Vakzin unter Beschuss
So gefährlich ist der Astrazeneca-Impfstoff wirklich

Der Wirbel um den Astrazeneca-Impstoff ist nach schwereren Nebenwirkungen gross. Was ist das Problem? Und ist die Schweizer Impfstrategie deswegen in Gefahr?
Publiziert: 16.03.2021 um 18:20 Uhr
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Aktualisiert: 19.03.2021 um 16:55 Uhr
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Das Vertrauen in den Impfstoff von Astrazeneca sinkt.
Foto: keystone-sda.ch
Aline Leutwiler

Mitten in der Corona-Pandemie bei steigenden Fallzahlen: Das Vertrauen in den Impfstoff von Astrazeneca sinkt mit jedem Land, das beim Briten-Vakzin den Notstopp verordnet. In einem ersten Schritt vorübergehend, weil sich Meldungen zu möglichen Nebenwirkungen nach dem Piks häuften. Bei vereinzelten Geimpften sind nämlich Blutgerinnsel aufgetreten. Diese führen meist zu Thrombosen oder Lungenembolien.

Bei Schweizer Nachbarn wie Frankreich und Deutschland ist Astrazeneca bereits ein Politikum. Impftermine werden abgesagt, sobald klar ist, dass das Briten-Vakzin verabreicht werden soll. Impfwillige sind verunsichert.

WHO hält an Astrazeneca fest

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hält dennoch am Vakzin fest. Der Zusammenhang zwischen dem Impfstoff und den Gerinnseln sei noch nicht geklärt: «Es ist eine Routinepraxis, das zu untersuchen.» Tschechien und Polen bekräftigen, damit weiter zu impfen.

Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery (68) sorgt sich um einen Imageschaden: «Dieser eigentlich gute und wirksame Impfstoff gewinnt durch den Wirbel und die Impf-Aussetzung in vielen Ländern nicht gerade eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung.»

«Es kann, muss aber nicht zusammenhängen»

Um die Akzeptanz der Bevölkerung nicht zu gefährden, stoppen zahlreiche Länder die Impfprogramme vorsorglich, sagt Christoph Berger (58), Präsident der eidgenössischen Impfkommission, im Interview mit BlickTV. «Es gibt einen zeitlichen Zusammenhang zwischen der klinischen Manifestation und der Impfung. Ob auch der ursächliche Zusammenhang gegeben ist, wird jetzt abgeklärt.» Und: «Weil es sich um eine schwere Nebenwirkung handelt, hat man die Impfprogramme vorsorglich gestoppt», sagt Berger. Es kann, muss aber nicht unbedingt mit der Impfung zusammenhängen.

«Eine Impfung kann rein theoretisch eine Immunreaktion auslösen. Im Zusammenhang mit früheren Immunreaktionen kann es zu einem Blutgerinnsel kommen. Mir scheint es unwahrscheinlich. Aber ich will keinen voreiligen Schluss ziehen», sagt Berger weiter. Man müsse dem nun weiter nachgehen.

Wie gefährlich ist das Astrazenca-Mittel wirklich? Das Risiko eines Blutgerinnsels besteht auch ohne Impfung. Die Einnahme der Antibaby-Pille zum Beispiel erhöht das Thrombose-Risiko um die Wahrscheinlichkeit von 0,09 Prozent. «Das passiert bei älteren Personen häufiger als bei Jungen. Die Blutgerinnsel, die nun nach der Impfung beobachtet wurden, sind so selten, dass man die Häufigkeit auch ohne Impfung erklären könnte», sagt Berger. Zum Vergleich: Die Wahrscheinlichkeit, eine Hirnvenenthrombose nach der Astrazeneca-Impfung zu bekommen, liegt aktuell bei 0,0004 Prozent!

Schweiz hängt nicht von Astrazeneca ab

Wird sich die Schweiz nun vom Hoffnungsträger verabschieden? Die Zulassung bei der Heilmittelbehörde Swissmedic ist derzeit noch nicht durch. Man sei weiterhin mit Astrazeneca und Partnerbehörden in Kontakt. Es fehlen noch Daten aus Übersee. «Europaweit wird aktuell auch abgeklärt, ob die zeitlich nach den Impfungen gemeldeten Ereignisse einen kausalen Zusammenhang mit dem Impfstoff haben könnten oder nicht», sagt Swissmedic-Sprecher Lukas Jaggi zu BLICK.

Die jüngsten Ereignisse dürften Einfluss auf das Zulassungsverfahren haben. «Dies kann gegebenenfalls zu einer neuen Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses führen», sagt Jaggi.

Was bedeutet der Wirbel um das Briten-Vakzin für den Schweizer Impfplan? Bestellt hat die Schweiz insgesamt 5,3 Millionen Impfdosen von Astrazeneca. Von der Zulassung hängt die Schweizer Impfstrategie allerdings nicht ab. Denn von den Herstellern Moderna, Pfizer/Biontech, Curevac und Novavax hat die Schweiz insgesamt 30,5 Millionen Impfdosen bestellt, was für die ganze Schweiz knapp doppelt reichen würde.

Vakzin weiterverkaufen?

In der Schweiz bestehen Planspiele, den Briten-Impfstoff weiterzuverkaufen. «Es gibt Überlegungen, den Stoff weiterzugeben», bestätigte BAG-Vizedirektorin Nora Kronig (40).

Astrazeneca Schweiz hält zum Impfstoff-Stopp in den umliegenden Ländern fest: «Eine eingehende Überprüfung der über 17 Millionen mit Astrazeneca geimpften Personen in der EU und Grossbritannien hat keinen Nachweis für ein erhöhtes Risiko für Lungenembolie, tiefe Beinvenenthrombose oder Thrombozytopenie erbracht.» Die Anzahl Fälle schwerer Nebenwirkungen sei mit den anderen Impfstoffen vergleichbar.


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