Thomas K.* ist Geschäftsführer eines grossen Hotels im Raum Basel, das mehreren ukrainischen Familien Zimmer zur Verfügung stellt. Für ihn sei selbstverständlich gewesen, in dieser Ausnahmesituation zu helfen, sagt er zu Blick. Dass K. nicht mit seinem Namen in der Zeitung stehen will, hat einen triftigen Grund: Nachdem bekannt geworden war, dass das Hotel Menschen aus der Ukraine aufgenommen hat, erhielt er geharnischte Reaktionen. Verärgerte Leute warfen K. am Telefon und über E-Mail vor, dass er aus dem Leid der Flüchtlinge Profit schlage.
Der Vorwurf macht K. fassungslos. Das Hotel hätte für die Beherbergung von Flüchtlingen zwar Anspruch auf eine Entschädigung von den Behörden, K. habe sich jedoch entschieden, darauf zu verzichten. Das Hotel bezahlt die Unterbringung aus dem eigenen Sack. Und kann auf kulante Lieferanten zählen, welche Ware für die ukrainischen Flüchtlinge gratis zustellen.
Hotelleriesuisse-Präsident kontert Vorwürfe
Dass K. für sein Engagement in der Flüchtlingskrise kritisiert wird, ist kein Einzelfall. Von den meisten Leuten gibt es für die Hotels zwar Lob. Einige unterstellen ihnen aber auch, sich an den Flüchtlingen zu bereichern. Schliesslich sei gerade Zwischensaison und die Zimmerbelegung tief. In den sozialen Medien und den Kommentarspalten hält sich der Vorwurf hartnäckig. «Die machen das nur, weil sie im Hinterkopf die Gedanken von einer Vergütung vom Staat und Kanton haben», heisst es dort beispielsweise.
Andreas Züllig (62), Präsident von Hotelleriesuisse, kann bei solchen Vorwürfen nur den Kopf schütteln. «Die Hotellerie ist weit davon entfernt, sich in dieser Krise selbst zu bereichern. Viele Hotels bieten ihre Zimmer gratis an und verlangen dafür keine Entschädigung vom Bund», betont Züllig.
Verwirrung über Entschädigung
Zahlreiche Hotels können es sich jedoch nicht leisten, Flüchtlingsfamilien während Tagen und Wochen ohne jede Entschädigung zu beherbergen. Die Kosten für die Beherbergung eines Flüchtlings liegen zwar etwas tiefer als bei Hotelgästen. Wer vor einem Krieg geflüchtet ist, erwartet nicht, dass das Hotelpersonal täglich das Zimmer putzt und das Bett macht. Trotzdem: Die Kosten für das Zimmer, drei Mahlzeiten pro Tag, Personal sowie waschen und putzen summieren sich.
Deswegen findet es Züllig auch völlig legitim, dass Hotels eine Entschädigung beantragen können. «Mit dieser sollen die Hotels einen Grossteil ihrer Unkosten decken können.»
Gemäss Hotelleriesuisse können Hotels für Flüchtlinge, die maximal vier Tage vor Ort sind, 87.50 Franken pro Tag verlangen. Dauert die Unterbringung länger, sind es 70 Franken am Tag. Hinzu kommen 50 Franken für Vollpension mit drei Mahlzeiten. Das macht im Monat 3600 Franken pro Person.
Allerdings: «Diese Zahlen gelten nur für Hotels, welche Flüchtlinge im Auftrag des Staatssekretariats für Migration beherbergen», erklärt Züllig. Die Flüchtlinge wechseln meist nach wenigen Tagen von der Obhut des SEM in die Obhut der Kantone. Die Kantone entscheiden dann selber über die Entschädigung.
Aus der Hotellerie heisst es, die Hoteliers erhielten von den Kantonen teils nur noch 50 Franken am Tag – für Bett plus Vollpension. Ergibt noch 1500 Franken im Monat. Das entspricht genau dem Betrag, den die Kantone vom Bund pro Flüchtling monatlich erhalten. «Wir sind aktuell dabei, mit dem SEM einheitliche Tarife zu definieren, damit es für alle Betriebe gleich ist», sagt Züllig.
Bis zu 60'000 Flüchtlinge erwartet
Bis am Freitag haben gut 14'500 ukrainische Flüchtlinge die Schweiz erreicht, von denen über ein Drittel privat untergebracht ist – etwa in Hotels. Der Bund rechnet damit, dass die Zahl der Flüchtlinge in der Schweiz auf bis zu 60'000 ansteigen könnte. Für Bund und Kantone dürfte diese Zahl ohne private Unterbringungen kaum zu bewältigen sein.
Gemäss der Kampagnenplattform Campax haben bereits 550 Hotels über 32'000 Betten zur Verfügung gestellt. Das SEM verfügt in den Bundesasylzentren über gut 9000 Plätze, die aber auch für Flüchtlinge aus anderen Staaten benötigt werden. Diese Woche waren davon rund 6500 belegt. «Wir begrüssen selbstverständlich sämtliche Angebote von Privaten, die entweder ein Zimmer in ihrer Wohnung oder in einem Hotel zur Verfügung stellen wollen», heisst es beim SEM auf Anfrage.
Auch Thomas K. wird in seinem Hotel weiterhin Flüchtlinge aufnehmen, will dabei aber möglichst wenig Aufsehen erregen. «Tue Gutes und sprich nicht darüber», sagt er.
* Name der Redaktion bekannt