Die Schweizer Bevölkerung muss sich bei den Krankenkassenausgaben auf einen regelrechten Preisschock einstellen. Die Prämien sollen im nächsten Jahr im Durchschnitt um 5,4 Prozent steigen, wie ein Krankenversicherungsexperte gegenüber der «NZZ am Sonntag» sagte. In einzelnen Kantonen dürften die Prämien gar um bis zu 10 Prozent aufschlagen.
Auf dieses Jahr hin waren die Prämien zum ersten Mal gesunken. Dass sie nun 2023 wieder derart durch die Decke gehen dürften, liege nicht etwa an der Teuerung, erklärt Felix Schneuwly (62), Krankenkassenexperte beim Vergleichsportal Comparis. «Die Teuerung bei den medizinischen Angeboten fällt derzeit noch sehr moderat aus. Der Kostenanstieg ist auf die wachsende Nachfrage nach medizinischen Leistungen zurückzuführen.»
Gewisse Leistungen wurden während der Corona-Pandemie weniger stark nachgefragt. Nun erlebe die Gesundheitsbranche einen «Nachholeffekt», so Schneuwly.
Fehlende Reserven lassen Prämien steigen
In der Vergangenheit mussten die Krankenkassen solche Kostenanstiege nicht eins zu eins an die Versicherten weitergeben. Sie verdienten mit ihren enormen Reserven an den Kapitalmärkten viel Geld, mit dem sie die Kostensprünge abfedern konnten.
Doch der Bundesrat hat die Kassen während der Pandemie unter Druck gesetzt, ihre hohen Reserven abzubauen. «Dieser Reserveabbau kam zur völligen Unzeit. Damit trägt der Bund nun eine Mitschuld am zu erwartenden Preisschock», sagt Schneuwly.
Was den Experten dabei besonders verwundert: «Der Bund hat aus seinen Fehlern der Vergangenheit nichts gelernt.» Bereits Anfang des Jahrtausends unter Bundesrätin Ruth Dreifuss (82) und um 2010 unter Bundesrat Pascal Couchepin (80) forderte der Bund einen Abbau der Reserven, was zweimal zu einem deutlichen Anstieg der Prämien führte, so Schneuwlys Vorwurf.
So können Versicherte sparen
Wer den Preisschock abfedern will, sollte die Krankenkassenprämien miteinander vergleichen. Auch ein Blick auf die Franchise kann sich lohnen. Versicherte fahren je nach Risiko am günstigsten mit einer Minimalfranchise von 300 Franken oder der maximalen von 2500 Franken. «Viele Leute haben jedoch eine Franchise im mittleren Bereich. Das zahlt sich finanziell nicht aus», sagt Schneuwly.
Mit einer Maximalfranchise können jährlich bis zu 1540 Franken eingespart werden. Der Experte empfiehlt, dieses Geld als Reserve für eine Krankheit oder einen Unfall zur Seite zu legen.
Auch mit der Änderung des Versicherungsmodells können die Auslagen reduziert werden. «Wer ein Modell mit Telemedizin, ein Hausarztmodell oder ein HMO-Modell wählt, kann jährlich zwischen 10 und 20 Prozent sparen», sagt Schneuwly. Je nach Modell erfolgt die Erstkonsultation über Video, beim Hausarzt oder in einer Gemeinschaftspraxis.
Wenn im Folgejahr ein happiger Prämienanstieg bevorsteht, wechseln jeweils deutlich mehr Versicherte ihre Krankenkasse. «Es ist aber nicht so, dass die Kassen mit den grössten Erhöhungen am Ende auch die teuersten sind», betont Schneuwly. Wer einen Wechsel ins Auge fasst, darf sich also nicht von subjektiven Gefühlen leiten lassen und sollte stattdessen ganz genau hinschauen.