Im Thurgau tobt seit vielen Jahren ein Bauernkrieg. 60 aufständische Milchbauern wollen von den Thurgauer Milchproduzenten (TMP), ihrem eigenen Produzentenverband, zwei Millionen Franken zurück. Jetzt stehen die Parteien gar vor Bundesgericht.
Der mittlerweile pensionierte Milchbauer Roland Werner (66) steht an der Spitze der Rebellenbauern. Zur Heugabel greift er nur noch, wenn er gegen die TMP vor Gericht steht – und auch dann nur rhetorisch. «Wir lassen uns nicht wie Schnudderbuebe behandeln», sagt Werner. Seine Klage ist ein Racheakt gegen die Organisation, in der er früher selbst Mitglied war.
Schon einmal 1,7 Millionen zurückbezahlt
Die Geschichte eskalierte vor sechs Jahren in einem ersten Rechtsstreit. Die Rebellen weigerten sich damals, Beiträge für den Milchexport zu zahlen. Deshalb verklagten die Thurgauer Milchproduzenten einen der aufständischen Milchbauern. Die TMP verloren den Prozess vor dem Obergericht.
Das Urteil: Dem Verband fehlte die Befugnis für das Einziehen dieser Beiträge. Die Milchbauern hatten nie ordentlich darüber abgestimmt. Ein Etappensieg für die Rebellenbauern, der den Verband 1,72 Millionen Franken kostete.
«Wollte Frieden stiften»
In der Zwischenzeit trat der TMP-Vorstand ab. Daniel Vetterli (55) übernahm das Verbandspräsidium, bügelte die fehlerhaften Statuten aus und hoffte, dass wieder Ruhe in den Verband einkehrt. «Ich wollte Frieden stiften», sagt er. Doch es kam alles noch schlimmer.
Die TMP warfen säumige Zahler aus der Organisation. Roland Werner schäumte: «Wir wurden nach dem ersten Prozess respektlos und abschätzig behandelt.» Die Bauern holten zum Gegenschlag aus.
Werner verklagte die TMP auf 23'718 Franken, zuzüglich fünf Prozent Zinsen. Das ist der Betrag, der er den TMP in den letzten zehn Jahren an Abgaben für den Schweizer Verband (SMP) abgedrückt hat. Dieses Geld setzt Letzterer zum Beispiel bei Werbekampagnen für Schweizer Milch ein.
Werner argumentiert, dass damals auch über diese Beiträge nicht ordentlich abgestimmt worden sei. Eigentlich sind die Abgaben ihm ohnehin ein Dorn im Auge. Er findet, in der Schweizer Landwirtschaft funktioniere der freie Markt viel zu wenig. Und die Abgaben seien Teil des Problems.
Mehr Interessantes
Seine Klage ist ein Beispielfall. Bekommt er recht, werden die 60 Thurgauer Bauern insgesamt zwei Millionen Franken von den TMP zurückfordern. Und die Chance dafür stehen gut. Das Obergericht Thurgau hat die Klage von Werner gutgeheissen.
«Lächerliches Vergleichsangebot»
Aber die TMP lassen das Urteil nicht einfach so durch – sie ziehen weiter vor Bundesgericht. Roland Werner glaubt nicht, dass dieses überhaupt auf den Fall eintreten wird. Die Geldsumme, um die gestritten wird, ist dafür zu tief.
«Wir bereiten jetzt die Klagen aller 60 Milchbauern vor», sagt Werner. Die Gesamtforderung aller Milchbauern beläuft sich auf über zwei Millionen Franken.
«Uns geht es eigentlich gar nicht ums Geld», sagt Roland Werner, «letztlich ist es ein Machtkampf.» Vergleichsverhandlungen mit dem Verband seien gescheitert, weil der Vorschlag «lächerlich» tief gewesen sei: «Ihr Angebot deckte nicht mal die Hälfte unserer Klagesumme ab.»
TMP müssten Liegenschaften verkaufen
TMP-Präsident Daniel Vetterli hat mehr als genug von der jahrelangen Juristerei: «Roland Werner scheint ein Freund von Rechtsstreitigkeiten zu sein.» Seit eh und je habe er im Thurgauer Milchverband Unruhe gestiftet.
Der Anwalt der Thurgauer Milchproduzenten, Hermann Lei (48), findet: «Man geht schliesslich auch nicht gegen den Turnverein vor, in dem man jahrelang mitgeturnt hat, und fordert dann wegen eines Formfehlers Mitgliederbeiträge der letzten zehn Jahre zurück.»
Um die Summe zu begleichen, müssten die TMP Immobilien verkaufen oder belehnen, damit flüssige Mittel bereitgestellt werden könnten.
Schweizweit berüchtigt
Roland Werner kennt man heute bis ans andere Ende der Schweiz. Unter den Präsidenten und Funktionären der Milchproduzenten-Organisationen vernimmt man, dass der «Fall Werner» aufwühlte – und sensibilisierte. Statutenänderungen würden noch pingeliger geprüft und festgehalten als ohnehin schon.
Werner selbst steht kurz vor seinem Sieg. «Eine gewisse Befriedigung ist schon da», sagt er. Und er gibt sich versöhnlich: «Ich hätte viel lieber eine andere Lösung gefunden.» Das glaubt ihm im Thurgauer Milchland nicht jeder.