Es ist empfindlich kühl auf der Schwandi ob Kerns OW. Und feucht. Die Kühe von Älpler Markus Durrer (49) stehen im nassen Gras. 150 Meter weiter oben stünden sie sogar im Schnee. Mitte Mai ist an Sommer nicht zu denken. «Das gibt es vielleicht alle 30 Jahre», sagt Durrer. Der Landwirt muss es wissen: Er ist Alpvogt von Kerns und kennt das Alpgebiet Melchsee-Frutt wie seine Hosentasche.
Das Hudelwetter macht den Älplern in der ganzen Schweiz zu schaffen. Hier in der Höhe wächst das Gras nur dürftig. Es fehlen die warmen, sonnigen Frühlingstage, die die Gräser saftig werden lassen. Auf Durrers Hochalp, 2000 Meter über Meer, liegen sogar noch bis zu zwei Meter Schnee. An einen Alpaufzug in den nächsten Wochen ist nicht zu denken.
«Bräuchten eine Hitzewelle»
Durrer spricht mittlerweile von Mitte Juli – optimistisch gerechnet. Auch andere könnten erst mit zwei oder drei Wochen Verzug auf die Alp ziehen. Durrer schaut in die schneebedeckten Hänge und runzelt die Stirn: «Damit die Schneedecke da oben schmilzt, bräuchte es in den nächsten vier Wochen eine Hitzewelle und möglichst lang anhaltenden, warmen Niederschlag.» Davon ist bis auf weiteres aber nichts in Sicht.
Im Gegenteil: Der Mai fiel bislang komplett ins Wasser. Und es ist viel zu kalt. Bis Mitte Monat liegen die Temperaturen schweizweit knapp drei Grad unter dem mehrjährigen Durchschnitt. Laut dem Schnee- und Lawinenforschungsinstitut (SLF) liegt in den Innerschweizer Alpen überdurchschnittlich viel Schnee – man beobachte teilweise sogar die doppelte Menge wie sonst üblich.
Nasses Gras nährt nicht gleich
Der Schnee ist aber nicht das einzige Problem der Bergbauern. Auch die Entwicklung der Wiesen und Weiden ist rund zwei Wochen im Rückstand. «Man merkt, dass die Kühe weniger Milch geben», sagt Landwirt Durrer. Das hat verschiedene Gründe: dreckiges Futter, ein tieferer Energiegehalt des Futters. Und nicht zu unterschätzen: «Bei nasskaltem Wetter haben die Kühe einfach weniger Lust zu fressen.»
Dasselbe beobachtet Biobauer Hansueli Spichtig (41) aus Kerns. Seine Tiere auf dem Erlebnishof Weid stehen im Stall und kauen Heu. Vor einer Stunde grasten sie noch im Regen auf der Weide. Richtig satt wurden sie da nicht. Das Trockenfutter gibt Spichtig zur Ergänzung.
Mit dem Heu muss er aber sparsam umgehen: Der Vorrat für die Winterfütterung neigt sich nämlich dem Ende zu. «Wegen dem schlechten Wetter muss ich länger Heu zufüttern als sonst», sagt Spichtig. Sonst würden seine Kühe weniger Milch geben. Die Gleichung ist simpel: Weniger Milch gleich weniger Alpkäse.
Das Hudelwetter macht Mehraufwand
Für den Vater von drei Töchtern bedeutet das Regenwetter auch einen Mehraufwand. Damit der nasse Boden unter dem Gewicht der weidenden Kühe nicht kaputt geht, baut er jeden Tag einen Zaun um einen frischen Wiesenabschnitt. In trockenen Zeiten kann er die Tiere mehrere Tage auf demselben Feld weiden lassen.
Normalerweise steckt der Landwirt zu dieser Jahreszeit mitten in der Vorbereitung für den Alpsommer. Jetzt stehen erst 16 Rinder, die noch keine Milch geben, seit letztem Freitag oben auf der Alp Lachen – zwei Wochen später als sonst. Die Rinder fressen noch nicht so viel Gras.
Bis auch die hungrigen Milchkühe auf die Alp gehen, wird wohl noch ein ganzer Monat vergehen. Auf der Alp spriesst noch kaum ein Grashalm. «Gestern hat es sogar weite Teile der Alp verschneit», berichtet Spichtig.
Die Älpler sehen es trotzdem positiv
Früher seien solche Schneemassen bis in den Frühsommer noch normal gewesen, weiss Alpvogt Markus Durrer. «Heute ist man sich das nicht mehr so gewohnt.» Wenn der Schnee aber weg sei, könnte es einen zwar kurzen, aber guten Alpsommer geben, sind sich Durrer und Spichtig einig.
Das kühle Regenwetter habe auch seine positiven Seiten. «Wasserknappheit wird in diesem Jahr, anders als in anderen, wohl kein Thema sein», glaubt Durrer. Und Spichtig schiebt nach, der Sommer komme sowieso: «Wir müssen jeden Liter Regenwasser nehmen, der jetzt kommt.»