Auf einen Blick
Peter Grünenfelder (57) empfängt uns zusammen mit seiner Frau, der früheren FDP-Nationalrätin Christa Markwalder (49) und dem gemeinsamen Sohn Michel (3) daheim in Burgdorf BE. Doch die entspannte Idylle am Familientisch trügt. Der Präsident der Importeursvereinigung Auto Schweiz und frühere Chef der Denkfabrik Avenir Suisse ist geladen. Vor allem die Politik bereitet ihm aktuell für seine Branche grosse Sorgen.
Herr Grünenfelder, Ihr Vorgänger bei Auto Schweiz, Albert Rösti, sitzt jetzt im Bundesrat. Hegen Sie als ehemaliger Staatsschreiber des Kantons Aargau ähnliche Karrieregelüste?
(Lacht.) Das steht nicht in meiner Karriereplanung. Die Rolle als Auto-Schweiz-Präsident füllt mich derzeit vollumfänglich aus. Wir haben gewaltige Herausforderungen. Wir absolvieren die grösste Transformation aller Zeiten auf dem Weg zur emissionsfreien Mobilität. Zudem sehen wir uns mit einer Politik und einer Verwaltung in der Schweiz konfrontiert, die in unserer Wahrnehmung die Marktrealität ausblendet und teilweise doktrinär unterwegs ist.
Gutes Stichwort. Die wichtige Autobahnabstimmung letzten Herbst haben Sie versemmelt …
… das Stimmvolk hat bei der Autobahnvorlage Nein zum Paketansatz gesagt. Gewisse Einzelvorlagen haben aber eine lokale Mehrheit der Bevölkerung in den Kantonen gefunden. Da müssen wir ansetzen – zusammen mit der Kampagnenführung, die wir künftig nicht mehr den Wirtschaftsdachverbänden überlassen, sondern selbst verantworten werden.
Dieser Artikel wurde erstmals in der der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.
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Ihre Branche hat ein weiteres politisches Problem. Der Bundesrat will rückwirkend CO₂-Bussen verhängen. Finden Sie trotz «Ihres» Auto-Bundesrats in Bern kein Gehör mehr?
Rückwirkend eingeführte CO₂-Bussen sind klar rechtswidrig. Würden sie tatsächlich eingeführt, könnte uns dies bis zu einer halben Milliarde Franken pro Jahr kosten und wäre für die Autowirtschaft existenzbedrohend. Der Bund kalkuliert mit einem 50-Prozent-E-Anteil beim Autokauf, tatsächlich liegen wir bei 28 Prozent. Dafür sollen unsere Unternehmen nun millionenschwer bestraft werden. Das ist weltfremd. Ähnlich, wie wenn Migros Millionenbussen zahlen müsste, nur weil die Bevölkerung zu wenig Bio-Joghurt kauft. Eine solche Politik ist planwirtschaftlich und widerspricht unserer liberalen marktwirtschaftlichen Ordnung. Wir werden uns deshalb mit allen Kräften dagegen wehren.
Denken Sie wirklich, Ihr Wunsch nach Aufschub hat realistische Chancen?
Gegenfrage: Glauben Sie, der Bundesrat hält an einer Regulierung fest, die einer utopischen Vorstellung des Bundesamts für Energie entspricht, eine Regulierung, die die Marktrealität vollkommen ausblendet und mit der Betriebsschliessungen und ein Abbau von Tausenden von Arbeitsplätzen einhergehend mit weniger Steuereinnahmen und höheren Sozialausgaben in der Schweiz riskiert werden?
Die Chefs der grossen Autoimporteure Emil Frey und Amag haben sich bei Bundesrat Rösti Anfang Jahr beschwert. Haben Sie eine Antwort erhalten?
Noch nicht – aber sie wurde uns in Aussicht gestellt. Wir als Branche stehen im Austausch mit dem Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation, um unsere Forderungen zu verdeutlichen und aufzuzeigen, dass eine solche Politik zu grossen wirtschaftlichen Schäden führen würde.
Sie als Präsident von Auto Schweiz haben dem Bundesrat kürzlich ebenfalls geschrieben. Was fordern Sie?
Grundsätzlich müssen wir von einer Autopolitik wegkommen, die auf Sanktionen und Verboten basiert. Der Bund sollte mehr Anreize für den Umstieg auf die E-Mobilität schaffen, statt zu bestrafen. Die Industrie hat ihre Hausaufgaben gemacht und bietet inzwischen über 200 Elektromodelle an. Die Marktnachfrage erfolgt aber erst sukzessive. Deshalb sollte die im vergangenen Jahr neu eingeführte Importsteuer für E-Autos für fünf Jahre sistiert werden. Sie ist mitverantwortlich dafür, dass der E-Auto-Absatz 2024 bei uns eingebrochen ist. Die überstürzt eingeführte Importsteuer entspringt kurzfristigem finanzpolitischem Denken und hat der E-Mobilität einen Bärendienst erwiesen.
Das ist noch nicht alles?
Ja, es braucht zwingend tiefere Strompreise, Preistransparenz beim öffentlichen Laden oder auch steuerliche Abzugsmöglichkeiten für Vermieter oder Unternehmen, die ihren Mietern oder Mitarbeitern Lademöglichkeiten bieten. Es gibt noch immer viel zu wenige Ladeplätze, gerade für Mieter. Und dann schaden der E-Mobilität auch kostentreibende Schweizer Zusatzregelungen, die über die schon strengen internationalen europäischen Normen hinausgehen. Die Schweizer Politik verteuert mit einem solchen Musterschülergehabe die E-Mobilität. Das ist alles andere als ökologisch nachhaltig, weil die Bevölkerung dann mit dem alten Verbrenner weiterfährt.
Gemäss Bund soll bis Ende 2025 jedes zweite neu zugelassene Auto ein sogenanntes Steckerfahrzeug, also ein reines E- oder Plug-in-Hybrid-Auto sein. Utopisch?
Ja, hier kollidiert der politische Wunsch frontal mit der Realität. Wir haben über sechs Millionen PWs auf der Strasse. Die Umstellung wird folglich dauern. Das ist kein Sprint von 0 auf 100, sondern vielmehr ein Marathon.
Das waren jetzt viele Vorwürfe an die Politik. Aber Hand aufs Herz: Hat Ihre Branche nicht den Trend verschlafen, rechtzeitig preisgünstige E-Autos auf die Strasse zu bringen?
Die gabs doch immer schon! Europäer wie Chinesen lancieren laufend neue und preisgünstige E-Autos mit vernünftiger Reichweite, teils für weniger als 20'000 Franken.
Und Sie oder Ihre Frau – fahren Sie auch elektrisch?
(Lacht.) Christa lässt sich lieber chauffieren. Ich persönlich bin dankbar für das Privileg, regelmässig die neuen Modelle unserer Mitglieder fahren zu dürfen, von Benziner bis Elektro. Aktuell gerade mit voller Freude ein rein elektrisches Familienauto.
Wer ist der grössere E-Auto-Fan in Ihrer Familie?
Ganz ehrlich? Meine Frau. Sie mag den Komfort und die Ruhe des fehlenden Motorengeräuschs im Elektroauto. Sie kann so während der Fahrt wunderbar und ungestört arbeiten. Auch ich bin begeistert von der Dynamik von E-Autos, doch mir und unserem dreijährigen Sohn Michel fehlt manchmal die Emotion des Motorengeräuschs oder, wie unser Kleiner sagt, das «Brumm, brumm».
Wie wird sich unser Strassenbild präsentieren, wenn Ihr Sohn in frühestens 15 Jahren seine Fahrprüfung machen kann?
Eine philosophische Frage. Ich denke, das Strassenbild wird dann weitgehend emissionsfrei sein. Ich glaube auch, dass wir bis dann grosse Fortschritte mit selbstfahrenden Autos sehen und wir beim Autofahren noch digitalisierter unterwegs sein werden.
Dann braucht Ihr Sohn gar keine Fahrprüfung mehr?
Doch, die wirds schon noch brauchen. Und wenn ich sehe, wie er mit seinem Bobby-Car herumkurvt, wird er sie bestimmt auch einmal machen wollen. Sein drittes Wort, das er beherrschte, war ja schliesslich Auto (lacht) – und schauen Sie mal seine Spielsachen an. Ein riesiger Fahrzeugpark …
Das Auto wird also auch in Zukunft eine wichtige Rolle als Transportmittel spielen?
Davon bin ich überzeugt. Von allen Transportmitteln kommt dem Auto weiterhin die wichtigste Rolle zu. Das sagen alle Prognosen, egal, ob von der Verwaltung oder der Wissenschaft. Das Auto ist jetzt ja schon ein Computer auf Rädern, aber es werden noch viele weitere Gadgets dazukommen, und die Technik wird weiter Quantensprünge machen.
Und die Politik und die Autoindustrie werden sich dann wieder gefunden haben?
Schauen Sie, wir sind ein Land in Bewegung, die Automobilität ist der Motor der Wirtschaft. Auch im Jahr 2050 wird der Gütertransport auf der Strasse über 60 Prozent betragen. Die Warenanlieferung im Detailhandel kann nicht mit dem Lastenvelo oder dem Tram erfolgen. Als Land der Pendler, in dem aktuell acht von zehn Menschen zur Arbeit pendeln, ist über die Hälfte auf das Auto angewiesen. Und den ÖV kann man gar nie so ausbauen, dass diese Zahl markant sinken würde. Dazu haben wir schlicht zu wenig Geld und Platz in unserem Land. Daher wird die Automobilität auch weiterhin im Zentrum der Fortbewegung stehen. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir die wirtschaftliche Notwendigkeit immer wieder in Erinnerung rufen – und wir gehört werden.