Ausgerechnet vor dem 1. August
Geht der Schweiz bald der Senf aus?

Seit mehreren Monaten sind Senfgläser in den französischen Supermärkten Mangelware. Für die unmittelbare Zukunft ist keine Besserung in Sicht. Müssen Schweizerinnen und Schweizer jetzt auf Vorrat kaufen?
Publiziert: 28.07.2022 um 14:10 Uhr
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Geht der Schweiz bald der Senf aus? Ein Blick in französische Supermärkte gibt Anlass zur Sorge.
Foto: pixabay
Grégory Beaud

Ein Blick in die Supermärkte Frankreichs lässt aufschrecken: Wo in den Regalen normalerweise Senf en masse zu finden ist, herrscht Leere. Und das schon seit einiger Zeit. Eine Experten-Umfrage französischer Medien zeigt zudem: So schnell wird sich die Situation nicht bessern.

«Ich befürchte, dass es noch eine Weile dauern wird, bis wir wieder Nachschub bekommen», sagt Luc Vandermaesen, Geschäftsführer des Senfherstellers Reine de Dijon und Vorsitzender der Burgunder Senfvereinigung, zum «Midi Libre». Er erwartet eine Entspannung erst fürs Jahr 2024.

Der 1. August ist nicht gefährdet

Daher ist eine – natürlich pikante – Frage bereits in aller Munde: Werden Herr und Frau Schweizer als Beilage für ihre am 1. August heiss geliebten Bratwürste eine Alternative finden müssen? «Wir rechnen nicht mit einer kurzfristigen Unterbrechung der Verfügbarkeit unserer Produkte», beruhigt Thomy-Besitzerin Nestlé. Das multinationale Unternehmen mit Sitz in Vevey VD sagt zudem: «Wir ergreifen die notwendigen Massnahmen, um die langfristige Versorgung sicherzustellen.»

Aber warum ist ausgerechnet Senf kaum mehr zu besorgen? Der Grund liegt am kanadischen Wetter. Das nordamerikanische Land, das 80 Prozent der weltweiten Senfsamen produziert, wurde im vergangenen Sommer von einer Dürre heimgesucht. Nach Angaben des kanadischen Landwirtschaftsministeriums betrug der Verlust etwa 30 Prozent. Die Ukraine hätte eine Notlösung darstellen können, ist aus offensichtlichen Gründen aber keine Option mehr. Wird Senf also bald zum neuen Gold?

Natürlich hat der Rückgang des Angebots die Preise in die Höhe schiessen lassen. «Die Senfkörner, die wir kaufen, kommen hauptsächlich aus Kanada, während ein geringerer Anteil aus Österreich und Ungarn stammt», teilt Nestlé mit. «Wir erwarten einen starken Druck auf die Preise und die Verfügbarkeit des Rohstoffs, insbesondere aufgrund der schlechten letzten Senfsamenernte in Kanada.»

Druck auf die Preise

Thomy stellt seinen Senf in Basel her. Das Unternehmen beabsichtigt jedoch nicht, den Preisanstieg weiterzugeben. Zumindest für den Moment. «Wir haben den Preis für unseren Senf in den letzten zwölf Monaten nicht erhöht und tun alles in unserer Macht stehende, um zuerst Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerungen zu erzielen. Die Preiserhöhung ist unser letztes Mittel, nach allen anderen Sparmassnahmen», sagt die Nestlé-Sprecherin.

Was ist mit den Detailhändlern? Coop bestätigt, dass man erste Auswirkungen der Krise spüre. Für den Kunden bleibe das vorerst ohne Folgen: «Zurzeit spüren wir sporadische Auswirkungen auf das Angebot ausländischer Senfprodukte. Mittelfristig müssen wir die Entwicklungen abwarten. Wir beobachten den Markt sehr genau und stehen in engem Kontakt mit unseren Lieferanten.»

Unabhängige Produzenten nicht betroffen

In der Schweiz gibt es mehrere Produzenten, die Senf herstellen. Zum Beispiel Joël Beney – Gründer von «Moutarde Dudit Jo». Er lacht: «Ich habe den letzten Sack Senfkörner von meinem Produzenten gekauft.» Er warte ungeduldig auf die neue Ernte. Die Bestände seien knapp.

Und wie läuft der Verkauf? Der Waadtländer ist seit fünf Jahren im Geschäft und erlebt einen besonderen Sommer. «Momentan ist es sehr ruhig», erklärt er. Seit Beginn des Sommers und insbesondere in den letzten zwei oder drei Wochen habe er zwei grosse Aufträge erhalten. Vor allem weil der Beginn des Jahres kompliziert gewesen sei, sei er jetzt sehr zufrieden. Im Moment habe er genügend Senf auf Lager.

Sein Produkt stellt er aus den Samen her, die Julien Bugnon in der Nähe von Cottens FR anbaut. Wie die Kanadier litt auch der Landwirt unter der Trockenheit. Die Folge war eine viel geringere Ernte als in den Vorjahren. «In guten Jahren bauen wir eineinhalb Tonnen Senfkörner pro Hektar an», erläutert er. «Dieses Jahr hatten wir Mühe, 700 kg zu erreichen.»

Fünf Tonnen weniger

Statt 20 erntete er am Schluss nur 15 Tonnen: «Die Leute sind sich dessen vielleicht nicht bewusst – aber es ist so wetterabhängig, dass ich nicht sagen kann, ob das nächste Jahr ein besseres Jahr für meinen Betrieb sein wird.»

Julien Bugnon glaubt dennoch nicht, dass Kundinnen und Kunden hierzulande bald vor leeren Regalen stehen. «Die Schweiz ist ein reiches Land und wenn diese Situation zu einem Unterschied von einem Franken beim Senfglas führt, wird das für den Durchschnittsverbraucher nicht viel ändern.»

Für ihn hingegen hatten die Trockenheit und die geringe Ernte einen direkten Einfluss: «Es ist kein gutes Jahr für dieses Produkt, aber die Kosten sind genau die gleichen.» Sein Betrieb in Cottens ist jedoch ausreichend diversifiziert, so dass er an anderer Stelle einen Ausgleich schaffen kann. Um dies zu untermauern, nimmt er das Jahr 2021 als Beispiel: «Damals war es ein sehr gutes Jahr für Senf und ein katastrophales Jahr für Linsen. Jetzt ist es genau umgekehrt».

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