Räucherstäbchen, Tarotkarten und Pendel liegen im Trend. Esoterik erlebt ein Revival – besonders unter Jungen. Auf Social Media zeigen sich immer mehr Menschen als begeisterte Anhänger und Anhängerinnen der nicht mehr so geheimen Lehre. Dahinter steckt eine milliardenschwere Industrie.
Die sozialen Plattformen sorgen dafür, dass Esoterik jedem zugänglich wird – und das mit grossem Erfolg. So erreichen Astrologie-Kurzvideos auf Tiktok regelmässig Millionen Nutzende. Der Hashtag «astrology» hat über 51 Milliarden Aufrufe, bei «witchtok» (eine Mischung aus dem englischen Wort «Witch» für Hexe und Tiktok) sind es sogar über 58 Milliarden.
Amerikanische und deutsche Astro-Influencer, die auf ihren Kanälen etwa die Verbindung von Sternzeichen und Persönlichkeit erklären, haben mehrere Hunderttausend Abonnenten. Der Hype ist längst auch auf Instagram übergeschwappt: auch dort tummeln sich unterhaltsame Horoskop-Memes, astrologische Erklärvideos und interaktive Deutungen.
Milliardengeschäft mit vermeintlicher Magie
Hinter dem Massenphänomen steckt ein Markt, der enorm hohe Umsätze generiert. Der deutsche Trend- und Zukunftsforscher Eike Wenzel (59) schätzt den jährlichen Umsatz der Esoterik-Branche in Deutschland auf 20 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die gesamte deutsche Brauerei-Wirtschaft generierte 2023 nicht einmal halb so viel. Das Volumen des Schweizer Esoterik-Marktes wird von Journalist und Sekten-Experte Hugo Stamm (75) auf 100 Millionen Franken jährlich taxiert. «Die Esoterikszene wächst und wächst», sagt er zu Blick.
Die hohen Zahlen bleiben Schätzungen. Exakte Daten zum Esoterik-Markt gibt es nicht. Denn die Branche ist nicht in einem Berufsverband oder einer Gewerkschaft organisiert, die jährliche Zahlen veröffentlichen. Eine Abgrenzung des Geschäftsfeldes ist schwierig, die Grenzen zwischen Scharlatanerie und legitimen Mitteln zur Selbstoptimierung fliessend. Sowohl der Esoterik-Buchverlag als auch die freiberufliche Wahrsagerin zählen zur Branche dazu.
Krisen belasten junge Menschen stärker
Der Markt boomt. Aber warum gerade jetzt? Andreas Krafft (58), Zukunftsforscher an der Universität St. Gallen, weiss: In unsicheren Zeiten suchen Menschen nach Orientierung. «Die heutige Zeit und die Ereignisse in dieser Welt sind für viele unüberschaubar und unverständlich», sagt er zu Blick. In den mystischen Kräften erhofft man sich Halt und Sicherheit.
Junge reagieren auf schwierige Zeiten sensibler. «Wir wissen, dass junge Menschen von Krisensituationen stärker belastet werden als Erwachsene», so Krafft. Auch seien Jugendliche und junge Erwachsene mehr auf der Suche nach Identität und Erklärungen. Es dürfte daher kein Zufall sein, dass die Astro-Bewegung auf Social Media besonders seit 2020 und der Corona-Pandemie vermehrt Zulauf erhält.
Studien wie jene des Befragungsinstituts Yougov zeigen, dass besonders Frauen dem Aberglauben verfallen. Die Autorinnen Pia Lamberty und Katharina Nocun führen dies auf die Sozialisation zurück.
In ihrem Buch «Gefährlicher Glaube: Die radikale Gedankenwelt der Esoterik» erklären sie, dass es bei Mädchen häufiger um Gefühle oder Spirituelles geht. Jungen hingegen würden in ihrer Kindheit häufiger mit Technikthemen konfrontiert und seien daher für Astrologie weniger empfänglich.
Kosmetikindustrie springt auf Hype auf
Bei einem Themenfeld, das vor allem Frauen interessiert, ist die Kosmetikindustrie nicht weit. Diese hat den Astrologie-Trend bereits für sich entdeckt. Vor allem die vermeintlich heilende Wirkung verschiedener Kristallsteine wird in verschiedenen Beauty-Tools vermarktet.
So sieht man zahlreiche Influencerinnen oder Promis wie Model Kendall Jenner (29) oder Schauspielerin Nina Dobrev (36), die sich im Internet mit einem sogenannten «Gua Sha»-Stein das Gesicht massieren. Mit dem speziell geschliffenen Stein sollen Rötungen, Schwellungen oder Unreinheiten verschwinden, sogar eine Botox-Prozedur soll dadurch ersetzt werden. Beim Kosmetikhändler Douglas kostet der günstigste «Gua Sha»-Stein rund 12 Franken. Das teuerste Exemplar aus Bernstein gibts für satte 215 Franken zu kaufen.