Not und Ärger. Beides treibt die Schweizer Hotellerie gerade um wie noch nie zuvor. Not, weil die Betreiber auch nach dem Ende des Corona-Shutdowns mit leeren Hotels dastehen. Ärger, weil ihnen Buchungsplattformen noch nie so viele Gebühren abzwacken wie gegenwärtig. Schweizweit flossen im letzten Jahr 184 Millionen Franken Kommissionen an ausländische Giganten wie Booking, Expedia oder HRS (BLICK berichtete). Tendenz weiter steigend.
Ein Betroffener ist Erich Dasen (58). 60'000 bis 70'000 Franken an Kommissionen drücke er jährlich an Booking ab. «Jedes Jahr zahle ich mehr. Die Marktmacht von Booking nimmt auch immer mehr zu», sagt Dasen zu BLICK. Geld geht weg, das der Hoteldirektor lieber seinen Gästen in Form von Rabatten verrechnen würde.
Hotelier appelliert an Kundschaft
Dasen leitet das 4-Sterne-Haus Hotel Heiden in Appenzell Ausserrhoden. Ein Grossbetrieb mit Restaurant, Wellness-Anlage, Arzt- und Physio-Praxis, der über Monate stillstand und morgen Freitag wiedereröffnet wird. Trotz Ärger über Booking und Co. weiss Dasen natürlich, dass ein Teil der künftigen Hotelgäste ohne die Buchungsplattformen den Weg zu ihm gar nicht finden würde.
Dennoch nutzt der Hoteldirektor, der auch im Vorstand der Ostschweizer Sektion des Branchenverbands Hotelleriesuisse sitzt, die Wiedereröffnung für einen Aufruf bei Blick TV: «Liebe Schweizerinnen und Schweizer, vergesst Buchungsplattformen wie Booking, bucht eure Sommerferien direkt bei uns Hotels.» Er verspricht: «Wer direkt bei mir bucht, kriegt ein Gratis-Upgrade.»
Zusatzleistungen und Gratis-Upgrades offeriert
Zum Beispiel? Ein schönes Zimmer mit prächtiger Sicht auf den Bodensee. «Via Booking hätte der Gast halt ‹nur› das Zimmer mit Sicht auf den Park bekommen.» Der Gast könne auch von Zusatzleistungen profitieren, die er auf Buchungsplattformen nicht gratis bekommen würde. Beispielsweise die Oskar-Gästekarte für freie Fahrt im ÖV der Ostschweiz.
Eine gestern veröffentlichte Untersuchung der Fachhochschule Westschweiz Wallis belegt zudem: Direktbucher erhalten in der Schweiz auch einfachere und bessere Lösungen bei Stornierungen.
Branchenverband lanciert Kampagne
Hotelleriesuisse lanciert Anfang Juni eine Kampagne für Direktbuchungen. «Wir sprechen damit erstmals direkt Gäste an», bestätigt der Branchenverband. Die Verantwortlichen lehnen sich in der Kampagne weit zum Fenster hinaus: «Den besten Deal gibts direkt beim Hotel.»
Der Aufruf an die heimische Bevölkerung kommt nicht von ungefähr. Aufgrund der Corona-Krise rechnet die KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich dieses Jahr mit einem Einbruch bei den Logiernächten der Hotels um ein Drittel. Das entspricht einem Verlust von 14,3 Millionen Übernachtungen. Die Hoteliers sind mit Umsatzeinbussen von 1,8 Milliarden Franken konfrontiert.