Over-the-Counter oder OTC-Handel bezieht sich auf Trades, die nicht an einer klassischen Börse getätigt werden. Es gibt in der Schweiz 245 Unternehmen, deren Aktien nicht an der SIX kotiert sind – und sich trotzdem als Investment anbieten. Dieser Handel geschieht beispielsweise bei der Berner Kantonalbank oder durch die Zürcher Privatbank Lienhardt & Partner.
Der Nebenwerte-Handel wird von vielen Anlegerinnen und Anlegern wohl links liegen gelassen. Zu unrecht. Auch dieser Markt bietet sehr wohl Qualität und Chancen: So hat der 38 nicht-kotierte Aktien umfassende «Lienhardt & Partner Nebenwerte TR Index» letztes Jahr trotz Marktturbulenzen nur gut 5 Prozent verloren und damit den Swiss Performance Index (SPI) deutlich in den Schatten gestellt (minus 16 Prozent). Zudem sind die Gebühren auf den speziellen Handelsplattformen in der Regel tiefer als an den «grossen» Börsen.
Der Lienhardt & Partner Nebenwerte TR Index enthält unter anderem die liquidesten und grössten Titel aus dem ausserbörslichen Segment. Es wird versucht, eine breite Diversifikation der Schweizer Branchen im Index abzubilden, welche die KMU-Landschaft widerspiegelt. Der Index wird auf der Basis von bezahlten Kursen berechnet, die von den jeweiligen Anbietern publiziert werden.
Stabile Dividende schützt vor Abstrafungen
Dieses Jahr schneidet der Index mit einem Minus von 1 Prozent aber klar schlechter ab als der SPI. «Abgestraft wurden vor allem Unternehmen, die hohe Dividenden in Form von Sonderdividenden ausschütteten. Ebenfalls abgestraft wurden Titel, welche keine Dividende oder Dividendenaussetzungen oder nur eine tiefe Dividendenrendite auswiesen», sagt André Spillmann von der Lienhardt & Partner Privatbank gegenüber cash.ch.
Zum einen kann man auch an der Ausserbörse auf die gefallenen Engel setzen und auf eine Kurserholung spekulieren. Insbesondere dann, wenn die Dividendenrendite hoch ist und man davon ausgeht, dass im nächsten Jahr wieder eine Ausschüttung erfolgt. Ebenso kann auf Aktien gesetzt werden, die eine gute Performance aufweisen und bei denen man sicher ist, dass die Ausschüttungspolitik aufgrund solider Erträge beibehalten wird.
Viele im Index enthaltenen Unternehmen sind grosszügige Dividendenzahler, wie die untenstehende Tabelle mit zwanzig ausgewählten Titeln zeigt - Finanztitel sind ausgenommen. Diese ist nach absteigender Dividendenrendite sortiert. Lienhardt & Partner hat die Daten cash.ch zur Verfügung gestellt.
Die grösste Dividendenrendite bietet dank einer Sonderdividende die Bobst Group. Doch auch zukünftig bleibt es ein interessanter Titel, der auch mit seiner Kursperformance überzeugt: «Die Herstellerin von Maschinen für die Verpackungsindustrie dürfte auch in den kommenden Jahren eine attraktive Dividendenrendite aufweisen», sagt Spillmann, der für das Geschäftsjahr mit einer Dividendenrendite von 7,9 Prozent rechnet.
Auswahl der besten Dividendenzahler des Lienhardt & Partner Nebenwerte TR Index
Unternehmen | Kursentwicklung seit Anfang Jahr | Dividendenrendite | Unternehmen | Kursentwicklung seit Anfang Jahr | Dividendenrendite | |
Bobst Group | +24 Prozent | 14,7 Prozent | Holdigaz SA | +1 Prozent | 3,4 Prozent | |
Neue Zürcher Zeitung | –23 Prozent | 10,0 Prozent | Energie Zürchsee Lint | +0 Prozent | 3,2 Prozent | |
Unione Faraceutica Distr . N | +25 Prozent | 8,0 Prozent | Aluminium Laufen AG | –21 Prozent | 3,2 Prozent | |
ZT Medien | +10 Prozent | 6,0 Prozent | Rapid Holding | +3 Prozent | 3,2 Prozent | |
HBB Holding | +2 Prozent | 5,9 Prozent | Auto AG | –1 Prozent | 3,1 Prozent | |
Lurag | –12 Prozent | 4,4 Prozent | WWZ AG | –6 Prozent | 3,1 Prozent | |
Swisstulle | -19 Prozent | 3,9 Prozent | Tersa AG | +6 Prozent | 2,9 Prozent | |
EW Jona Rapperswil | +5 Prozent | 3,9 Prozent | Repower N | +11 Prozent | 2,7 Prozent | |
Immobiliare Pharmapark | +0 Prozent | 3,6 Prozent | Cendres+Métaux SA | +7 Prozent | 2,6 Prozent | |
Espace Real Estate | –7 Prozent | 3,5 Prozent | Weiss+Appetito N | –5 Prozent | 2,5 Prozent |
Stand: Mittwoch, 13. September 2023 (Quelle: Lienhardt & Partner).
Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) gehört zu den grossen Substanzwerten im ausserbörslichen Handel und hat wie Bobst für das letzte Geschäftsjahr eine Sonderdividende ausbezahlt. «Wir rechnen auch in Zukunft mit einer regelmässigen Dividendenausschüttung», argumentiert Spillmann. Diese dürfte für das laufende Geschäftsjahr 4,2 Prozent betragen.
EW Jona Rapperswil, der Energieversorger der Stadt Rapperswil-Jona, gilt seit Jahren als zuverlässiger Dividendenzahler - aktuell resultiert eine Rendite von 3,9 Prozent. Da die Aktie keine grossen Kursschwankungen aufweist, hat sie Obligationencharakter. Espace Real Estate ist eine Immobiliengesellschaft, die in den Regionen Bern, Solothurn, Aargau, Luzern und Schaffhausen investiert. Die Ausschüttungsrendite beträgt 3,5 Prozent. Die Dividende wird aus den Kapitalreserven ausgeschüttet und sind somit steuerfrei. Diese Praxis kann wohl auch in den kommenden Jahren beibehalten werden.
Dieser Artikel wurde erstmals auf «Cash.ch» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.cash.ch.
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Die Auto AG Holding ist ein Luzerner Bus- und Nutzfahrzeugbetreiber, der ebenfalls als zuverlässiger Dividendenzahler gilt. Zudem verfügt das Unternehmen über ein neues Standbein im Bereich Wasserstoff, was weitere Synergien Fahrzeuggeschäft mit sich bringt.
Es gibt gute Gründe dafür, bereits jetzt bei diesen Dividendengaranten auf die im nächsten Jahr ausbezahlte Ausschüttung zu setzen: Nichtkotierte Nebenwerte haben die Eigenheit, dass die Aktienbücher relativ lange vor der Generalversammlung (GV) geschlossen werden. Dies geschieht meistens, wenn die Unternehmen ihre Jahreszahlen bekanntgeben. Die Schliessungen der Aktienregister kann man im SHAB oder zum Teil auf der Homepage der jeweiligen Gesellschaft finden.
Langer Anlagehorizont, kein Trading
«Anleger sollten sich bewusst sein, dass eine Investition in eine ausserbörslich gehandelte Aktie in der Regel langfristig angelegt ist», fügt Spillmann an. Generell gilt, dass die ausserbörslich gehandelten KMU in der Lage sind, die Verlangsamung der wirtschaftlichen Dynamik gut zu meistern. Dies deshalb, da die meisten Gesellschaften im Index beispielsweise solide finanziert und von den Zinserhöhungen nicht so stark betroffen sind. Einzig die Gesellschaften mit einem grossen Immobilienportfolio oder einem hohen Fremdkapitalanteil spüren den negativen Effekt.
Doch Gegenwinde gibt es auch hier: Industriegesellschaften haben teilweise mit Preisanpassungen und Lieferkettenproblemen zu kämpfen. Auch der Fachkräftemangel ist ein grosses Thema und dürfte einige Gesellschaften auch noch künftig belasten. Zudem hinterlassen die schwache Verfassung der Exportmärkte, wie Deutschland und China, bei einigen Gesellschaften Spuren.
Stabilität findet man hingegen bei den Nebenwerten insbesondere bei Regionalbanken, wo zum Beispiel Anleger mit lokaler Verbundenheit ihr Geld langfristig parken können. Die Zürcher Landbank, Clientis Bank Toggenburg und Acrevis Bank bieten jährliche Ausschüttungen von mehr als 2,6 Prozent, wie die untenstehende Tabelle zeigt. Der Effektenhändler Bondspartners weist nach einem Kursrückgang von 5 Prozent seit Jahresbeginn eine Dividendenrendite von 4,4 Prozent aus.
Titel | Dividendenrendite | Titel | Dividendenrendite | |
Bondpartners SA | 4,4 Prozent | Biene Bank | 2,6 Prozent | |
Acrevis Bank | 2,7 Prozent | Bank Leerau | 2,5 Prozent | |
Clientis Bank Toggenburg | 2,7 Prozent | BS Bank | 2,5 Prozent | |
ZLB Zürcher Landbank | 2,6 Prozent | Spar+Leihkasse Gürbetal | 2,4 Prozent | |
Regiobank Männedorf | 2,6 Prozent | Bank in Zuzwil | 2,1 Prozent |
Stand: Mittwoch, 14. September 2023 (Quelle: Lienhardt & Partner).
Bei ausserbörslichen Investments gelten dieselben Regeln, wie an der Börse: Anleger sollten sich mit dem Unternehmen auseinandersetzen, in das investiert wird. So kann er auch seine Risikofähigkeit selbst einschätzen. Die an der SIX kotierten Unternehmen publizieren meist pro Quartal einen Bericht zum Geschäftsverlauf und generieren viel News. Dies fehlt bei den nichtkotierten Unternehmen, die in der Regel einmal pro Jahr ihren Zahlenkranz veröffentlichen.
Nicht nur das: Wenn man nicht als Aktionär eingetragen ist, hat man in einigen Fällen keinen Zugriff auf den Geschäftsbericht, es sind wenige Analysten-Studien zu den Titeln erhältlich. Die Offenlegungspflichten sind ausserdem um einiges limitierter als bei kotierten Werten.
«Bei Unternehmen mit sehr kleinem Volumen sollte man sich zweimal überlegen, ob man eine grössere Position aufbauen möchte», sagt Spillmann. Gleichzeitig handelt es sich bei diesen Gesellschaften mit tiefem Handelsvolumen meist um Liebhaberaktien, bei denen man einen regionalen oder sozialen Bezug hat. Bei diesen Gesellschaften spielen vielfach die Emotionen eine wichtigere Rolle als die Vermehrung des Vermögens.