Jahrelang wurden in der Schweiz viel zu viele Wohnungen gebaut. Vor gut zwei Jahren standen im ganzen Land mehr als 75'000 Wohnungen leer. Historisch tiefe Zinsen und der damit einhergehende Anlagenotstand haben im letzten Jahrzehnt viel Kapital in den Mietwohnungsmarkt gespült. Die Folge waren steigende Leerstände und kontinuierlich sinkende Anfangsmieten. Nun aber hat der Wind gedreht, wie die Studie «Immobilien Schweiz 2. Quartal» von Raiffeisen Schweiz zeigt.
Im vergangenen Jahr sei der Mietwohnungsmarkt in eine neue Phase getreten. Zum einen habe die Bau- und Immobilienwirtschaft wegen der hohen Leerstände beim Bau von Neuprojekten auf die Bremse gedrückt. Nun ist der Wohnungsbau gedrosselt und die Nachfrage zieht kräftig an.
Steigende Mieten bei Neubauten
Schuld ist nicht etwa die Einwanderung. Vielmehr haben die demografische Alterung und der anhaltende Trend zur Individualisierung in den letzten Jahren die Zuwanderung als wichtigsten Preistreiber abgelöst. Diese Megatrends – Alterung und Individualisierung – dürften auch künftig dazu führen, dass Menschen in immer kleineren Haushalten wohnen und sich das Haushaltswachstum vom Bevölkerungswachstum entkoppele, schreibt die Bank.
2021 überstieg die Zahl der neugegründeten Haushalte erstmals seit 2009 den Bauzugang an neuen Wohnungen. Daher gingen die Leerstände zurück. Und dies sei erst der Anfang. «Auch künftig wird die Wohnungsproduktion bei weitem nicht mit der Nachfrage mithalten», wird Martin Neff, Chefökonom von Raiffeisen Schweiz in der Studie zitiert.
Aus dem bis vor kurzem noch herrschenden Wohnungsüberangebot könnte schon bald einmal Wohnungsnot werden, heisst es. Nach jahrelangem Sinkflug stiegen die Angebotsmieten wieder. Damit dürfte auch die sich seit längerem schliessende Schere zwischen den Bestands- und den Neumieten wieder öffnen.
48'000 Tausend Flüchtlinge brauchen Wohnraum
Dazu kommen die Folgen des Ukrainekriegs. Seit Kriegsausbruch seien bereits über 48'000 Menschen aus der Ukraine in die Schweiz geflüchtet. Die zunächst primär in Kollektivunterkünften und Privathaushalten untergebrachten Flüchtlinge dürften sich alsbald auf dem regulären Wohnungsmarkt nach einer Bleibe umschauen. Damit könne dieser Krieg mittelfristig durchaus Folgen für unseren Wohnungsmarkt haben, so Neff.
Zudem sei wegen der gestiegenen Zinsen eine mittlerweile schon fast in Stein gemeisselte Faustregel am Schweizer Eigenheimmarkt ins Wanken geraten. «Eigentum ist aktuell nicht mehr automatisch günstiger als das Wohnen zur Miete», schreibt Raiffeisen.
Doch trotz der mittlerweile sehr hohen Preise und der steigenden Zinsen bleibe Wohneigentum gefragt. Da kaum noch neue Eigentumsobjekte gebaut und bestehende nur in Ausnahmefällen verkauft würden, bleibe das Angebot ausgetrocknet. Damit dürften die Preise auch bei etwas geringerer Nachfrage einfach etwas weniger dynamisch weiter steigen. (SDA/smt)