Die Strompreise werden immer teurer, Benzin und Diesel an Zapfsäulen sind es sowieso schon. Andreas Streit (66) kann das egal sein. Denn ihn betreffen diese Preiserhöhungen nicht mehr. Der pensionierte Maschineningenieur bezieht ausschliesslich günstigen Strom vom eigenen Dach. Und fährt damit auch Auto.
Streit lebt zusammen mit seiner Frau in Niederweningen ZH. Auf dem Dach ihres Einfamilienhauses hat das Ehepaar eine Solaranlage, mit der es den gesamten Energiebedarf des Hauses decken kann. «Mein Ziel ist es, unabhängig zu sein», sagt Streit, als er Blick bei sich zu Hause empfängt.
Solarstrom für Haus und Auto
Auch auf russisches Gas oder Heizöl ist Streit nicht angewiesen. Denn neben der Solaranlage hat er bereits seit 35 Jahren eine Wärmepumpe im Garten, die das Haus im Winter heizt. Den Strom dafür bezieht er ebenfalls vom Dach. Nicht nur das: Streit lädt damit auch sein E-Auto auf, ein Nissan Leaf e+. Mit dem Auto fährt er aktuell 100 Kilometer für rund 1.50 Franken.
Der Pensionär kaufte das Auto im Juni 2022 aber nicht nur deshalb. Für Streit ist das Elektroauto mehr als ein Fortbewegungsmittel. «Ich kann es nicht nur fahren, ich kann es auch als Zwischenspeicher für den Strom vom Dach nutzen», sagt er.
Seine Autobatterie speichert den günstigen Strom der Solaranlage zwischen. Streit kann den Strom so auch dann beziehen, wenn die Solaranlage nichts liefert – beispielsweise nachts.
Autobatterie dient als Stromreserve
«Wenn abends die Wärmepumpe, der Fernseher oder der Geschirrspüler läuft, dann beziehen wir den Strom aus der Autobatterie», sagt Streit. Das Ganze funktioniert mittels einem ausgeklügelten System, das der 66-Jährige über eine App auf dem Smartphone steuern kann.
Die Batterie des Fahrzeugs speichert rund 62 Kilowattstunden Strom. «Erfahrungsgemäss käme ich im Haus damit fünf bis sechs Tage durch», sagt Streit. Vorausgesetzt natürlich, das E-Auto steht in der Garage.
Japaner machen es vor
In Japan bewährt sich dieses System bereits seit über zehn Jahren. Die Batterien von E-Autos können nicht nur geladen, sondern auch entladen und damit als Stromspeicher genutzt werden. In der Schweiz ist das sogenannte bidirektionale Laden erst seit Januar 2022 möglich. Unter anderem mit japanischen E-Autos von Mitsubishi, Honda und Nissan.
Die Idee, die Batterie eines E-Autos als Zwischenspeicher für Strom zu nutzen, ist zwar nicht ganz neu, in der Schweiz aber erst seit Anfang Jahr möglich. Mobility will davon profitieren. Das Carsharing-Unternehmen startet ein Pilotprojekt, in dem 50 ihrer Elektroautos als Powerbanks genutzt werden sollen.
Werden die Autos nicht gefahren, geben sie Strom ins Netz zurück. «Diese innovative Technologie kann eine entscheidende Rolle spielen, um künftige Energielücken zu schliessen», heisst es in der Ankündigung von Mobility.
Unter der Leitung der Mobility-Genossenschaft und mit der Unterstützung des Bundesamts für Energie (BFE) wird während eines Jahres das Potenzial des bidirektionalen Ladens untersucht. Der offizielle Projektlaunch findet am 6. September im Beisein von Bundesrätin Simonetta Sommaruga (62) statt. Dorothea Vollenweider
Die Idee, die Batterie eines E-Autos als Zwischenspeicher für Strom zu nutzen, ist zwar nicht ganz neu, in der Schweiz aber erst seit Anfang Jahr möglich. Mobility will davon profitieren. Das Carsharing-Unternehmen startet ein Pilotprojekt, in dem 50 ihrer Elektroautos als Powerbanks genutzt werden sollen.
Werden die Autos nicht gefahren, geben sie Strom ins Netz zurück. «Diese innovative Technologie kann eine entscheidende Rolle spielen, um künftige Energielücken zu schliessen», heisst es in der Ankündigung von Mobility.
Unter der Leitung der Mobility-Genossenschaft und mit der Unterstützung des Bundesamts für Energie (BFE) wird während eines Jahres das Potenzial des bidirektionalen Ladens untersucht. Der offizielle Projektlaunch findet am 6. September im Beisein von Bundesrätin Simonetta Sommaruga (62) statt. Dorothea Vollenweider
Seit rund drei Monaten lebt Streit nun bereits mit dieser innovativen Anlage inklusive E-Auto als Zwischenspeicher. Davor profitierte er bereits zwei Jahre lang von der grossen Solaranlage auf seinem Dach mit 15,5 Kilowatt Leistung.
Massive Einsparungen
Ob der Strom vom Dach zusammen mit dem Zwischenspeicher auch im Winter reicht, um autonom zu bleiben, wird sich zeigen. «Das ist natürlich auch abhängig davon, wie viel Nebel und Schnee wir haben werden», so Streit.
Aktuell muss der Eigenheimbesitzer kaum mehr Strom bei den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich beziehen. Lediglich ein paar Watt brauche er noch, um das ganze Leistungssystem aufrechtzuerhalten. «Meine Stromrechnung sank von rund 1250 Franken pro Jahr auf 70 Franken», sagt der Pensionär.
Strom wird bald teurer
Schweizer Haushalten droht derweil eine massive Erhöhung der Stromrechnung. Denn die Preise auf dem Strommarkt sind wegen des Ukraine-Kriegs und AKW-Engpässen in Frankreich in den letzten Monaten stark gestiegen.
Der Stromhammer kommt 2023. Von den Energieunternehmen, die bereits ihre Preise bekannt gegeben haben, geht man von einer Erhöhung der Strompreise um 20 bis 30 Prozent aus.
Gemeinde fördert Solaranlagen zusätzlich
Streit muss das nicht kümmern. «Die Einsparungen waren natürlich eine Motivation für die Solaranlage», sagt er. Unter Berücksichtigung aller Subventionen, die der Eigenheimbesitzer von Staat und Gemeinde erhalten hat, kostete ihn die Anlage eigenen Angaben zufolge rund 25'000 Franken. Er rechnet damit, dass er diese Investition innert zehn Jahren amortisiert hat. Nicht nur dank tiefen Stromkosten, sondern auch durch Einsparungen beim Benzin und den Vergütungen, die er durch die Einspeisung des überschüssigen Stroms ins Elektrizitätswerk erhält.
Noch wichtiger als die Einsparungen sei ihm aber der ökologische Aspekt. Streit ist Teil der Interessengemeinschaft IG Solar Wehntal. Sie hat sich die Beschleunigung der Energiewende in der Region auf die Fahne geschrieben.
Konkret hat sich die Interessengemeinschaft Ende 2019 zum Ziel gesetzt, 100 Mitbürgerinnen im Wehntal zu motivieren, eine Solaranlage zu installieren – mit Erfolg. Eine grosse Rolle hat dabei eine Vereinbarung mit der Gemeinde Niederweningen ZH gespielt, die Solaranlagen seither zusätzlich fördert. Mit 500 Franken pro Kilowatt auf dem Dach oder maximal 5000 Franken. Streit: «Die Energiekrise spielt uns aktuell natürlich zusätzlich in die Hände.»