Darin sind sich alle einig: Der Rücktritt von Thomas Jordan (61) kommt überraschend. Der Präsident der Schweizerischen Nationalbank hat einen tollen Job gemacht, kritische Stimmen sind nur ganz wenige zu hören. Nun tritt Jordan nach zwölf Jahren an der Spitze der SNB ab.
Alle haben damit gerechnet, dass der unermüdliche «Chrampfer» Jordan seine Pflicht erfüllt und erst am Ende seiner Amtszeit im Jahr 2027 zurücktritt. Er wäre dann 64 Jahre alt und hätte sich in den verdienten Ruhestand zurückziehen können. Was die Gründe für den vorzeitigen Rücktritt sind, darüber lässt sich nur spekulieren. Hat es mit seiner Herzoperation im Jahr 2021 zu tun?
Fels in der Brandung
Diese scheint Jordan aber gut weggesteckt zu haben, nur wenige Wochen später sass er wieder hinter dem Präsidentenpult und verteidigte das geldpolitische Mantra der Preisstabilität mit dem für ihn typischen Lächeln gegen alle Kritiker, verlor auch bei unangenehmen Fragen nie die Contenance.
Thomas Jordan und die Nationalbank
Der Hüne Jordan ist der Fels in der Brandung der Schweizer Geldpolitik, konnte – wenig überraschend – auf Augenhöhe der mächtigen Kaste der anderen Notenbanker begegnen. Fand aber auch immer wieder den richtigen Ton, um der Schweizer Bevölkerung mit einfachen Worten die Entscheidungen der Nationalbank zu erklären.
Er überzeugte bei seinen Auftritten, etwa bei der Aufhebung des Mindestkurses, während der Zeit der Negativzinsen und der Corona-Pandemie und zuletzt bei der Verhinderung des ungeregelten Kollapses der Grossbank Credit Suisse. Egal, wie hektisch die Zeiten waren, Thomas Jordan bewahrte die Ruhe. Zum Wohle der Nationalbank, der Schweiz, ihrer Währung und ihrer Wirtschaft. Er habe das Stellenprofil des Nationalbankpräsidenten idealtypisch ausgefüllt, ist zu hören.
Viele Wechsel
Damit ist nun Schluss. Die Folge der offensichtlichen Nachfolge an der Spitze der SNB könnte nun abreissen. Als Jean-Pierre Roth (77) in der Finanzkrise 2008 sekundiert von Philipp Hildebrand (60) und Thomas Jordan die UBS gerettet hatte, war seine Nachfolge auf Jahre hinaus geregelt. Philipp Hildenbrand trat in seine Fussstapfen. Als dieser über die Devisenkäufe seiner Frau stolperte, stand Thomas Jordan bereit.
Nun ist das Direktorium deutlich schwächer besetzt. Vizepräsident Martin Schlegel (47) wirkt wie der designierte Nachfolger. Er ist der Einzige, der die Nationalbank von innen kennt. Der Dritte im Bunde: Antoine Martin (54) ist erst seit Januar im Amt und kommt zudem von der US-Notenbank FED. Sicher ein ausgewiesener Spezialist, der sich aber erst noch mit den Feinheiten der Schweizer Geldpolitik vertraut machen muss.
Eine Überraschung wäre gut
Die fachliche Qualifikation von Schlegel ist unbestritten. Doch fehlt ihm (noch) das Format seiner Vorgänger. In Interviews wirkt es bisweilen etwas unsicher oder versteckt sich hinter geldpolitischen Fachausdrücken. Er hätte wohl noch ein paar Jahre gebraucht, um sich das Rüstzeug eines SNB-Präsidenten zu erarbeiten. Trotzdem dürfte die Wahl auf ihn fallen, für Experimente sind die Wahlgremien in der Schweiz nicht bekannt.
Andererseits: Am wirksamsten ist Geldpolitik dann, wenn sie die Märkte überrascht. Das hat die Schweizerische Nationalbank in den letzten Jahren immer wieder vorbildlich zelebriert und damit den Ruf und die Glaubwürdigkeit der Institution gefestigt. Vielleicht wäre es nun Zeit, für eine Überraschung an der Spitze der SNB. Vielleicht sogar für eine Frau, die niemand auf dem Radar hat. Oder für eine, die bei der letzten Nachfolge nicht berücksichtigt werden konnte, weil der Anspruch der romanischen Schweiz noch überwogen hat.